Der neue Hindukusch? Was Deutschland vor Taiwan treibt

Seite 3: Der neue Präsident in Taipeh liefert den Paradigmenwechsel

Was manchen Leser aufgrund der gegenwärtigen Spannungen irritieren könnte: Größter Handelspartner Taiwans ist seit Jahrzehnten die Volksrepublik China. Das begann sich erst vor Kurzem zu ändern.

2021 flossen Statistiken zufolge noch 42 Prozent der Investitionen in das benachbarte Festland. Im vergangenen Jahr sank der Anteil der Exporte auf rund 35 Prozent, den niedrigsten Wert seit 21 Jahren. Trotzdem galt China offiziellen Statistiken zufolge noch im April dieses Jahres als größter Handelspartner Taiwans – wenn auch nur noch knapp.

Schenkt man neuesten Medienberichten Glauben, führt seit Mai 2024 eine andere Nation die Exportstatistik des wichtigsten Halbleiter-Lieferanten der Welt an: die USA.

Taiwan verlagert seine wirtschaftlichen Aktivitäten in die USA

Wie die Nachrichtenagentur AP berichtet, kündigte der weltgrößte Hersteller von Computerchips, TSMC, im vergangenen Monat an, dass er seine Investitionen in den USA auf 65 Milliarden Dollar erhöhen werde. Das, nachdem die Biden-Regierung TSMC Anreize in Höhe von bis zu 6,6 Milliarden US-Dollar zugesagt hatte, um eine Niederlassung des Unternehmens im Bundesstaat Arizona auf den Weg bringen, wo bis 2030 rund ein Fünftel der modernsten Chips der Welt gefertigt werden sollen.

Das "Geoeconomic Center" des einflussreichen US-Thinktanks Atlantic Council hielt bereits im November 2023 in seiner Publikation "Relying On Old Enemies: The Challenge Of Taiwan’s Economic Ties To China" fest, das mit den anstehenden Präsidentschaftswahlen ein Paradigmenwechsel in den Wirtschaftsbeziehungen des Inselstaats erfolgen könnte, der ihn von den ökonomischen Zwängen Festland-Chinas befreit.

Ein halbes Jahr später kann dieser Paradigmenwechsel wohl als geglückt angesehen werden:

Unabhängig vom Ausgang der Wahlen im Januar 2024 wird der neue taiwanesische Präsident die Gelegenheit haben, die laufenden Bemühungen zu überprüfen und neu zu kalibrieren, um Taiwans Abhängigkeit von der chinesischen Wirtschaft zu verringern und neue Wachstumsmotoren zu finden.

Atlantic Council

Neuer Wachstumsmotor USA?

Der Thinktank lieferte gleich eine Empfehlung mit, wo diese neuen Wachstumsmotoren zu finden sein könnten, die eine Wiederbelebung des sogenannten Wunders von Taiwan versprechen, das die Insel im Indopazifik erst zum technologischen Weltmarktführer machte:

Ein wichtiger Stützpfeiler für den wirtschaftlichen Aufstieg Taiwans in den 1970er und 1980er Jahren war der Zugang zum US-Markt und zu US-Investitionskapital. Doch diese Erfolgsgeschichte wurde zunehmend auf dem chinesischen Markt geschrieben, da taiwanesische Unternehmen ihre Investitionen und ihren Handel auf das Festland ausdehnten. Die nächste Stufe der wirtschaftlichen Entwicklung Taiwans – und seine langfristige Sicherheit – erfordert ein Freihandelsabkommen zwischen den USA und Taiwan.

Atlantic Council

Wird sich auch dieses "letzte" Kapitel der planvollen Konfrontation im Indopazifik zum Abschluss bringen lassen? Oder wird die zunehmende Eskalation ein ganz neues Kapitel in der Weltgeschichte aufschlagen, für das niemand mit gesundem Menschenverstand ernsthaft Pläne geschmiedet haben kann?

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