Der richtige Rhythmus macht's
Ist die innere Uhr aus dem Takt, fressen Mäuse zu viel sie werden fett und krank
Ob Pilz, Taufliege, Maus oder Mensch – biologische innere Uhren findet man in fast allen Lebensformen. Sie regeln biologische Vorgänge, die sich im 24-Stunden-Rhythmus wiederholen und sich vermutlich schon früh in der Evolution entwickelt haben. Abhängig vom Wechsel von Licht und Dunkelheit zeigen Organismen Phasen von Ruhe oder Aktivität in einem Rhythmus, der zwar stabil ist, aber dennoch anpassungsfähig.
Wie wichtig diese inneren Uhren sind, haben Wissenschaftler der Northwestern University in Evanston/Illinois und der Evanston Northwestern Healthcare (ENH) nun ein weiteres Mal beobachtet. In der aktuellen Ausgabe von Science berichten sie, dass die biologische Uhr bei Mäusen eine zentrale Rolle bei der Steuerung des Fett- und Zuckerstoffwechsels spielt.
Aus dem Rhythmus
Das Clock-Gen ist ein grundlegender Bestandteil der inneren Uhr. In seiner intakten Form regulierte es den 24-Stunden-Rhythmus, die Schlaf- und Wachzeiten. Bereits im Vorfeld ihrer Versuche hatten die Wissenschaftler um den Schlafforscher Fred W. Turek und Joseph Bass von der Northwestern University festgestellt, dass normale Mäuse (Wild Type-Mäuse) und Tiere mit einem defekten Clock-Gen bei den Ruhe- bzw. Aktivitätsphasen kein wesentlich abweichendes Verhalten aufwiesen.
Stark verändert war allerdings das Verhalten bei der Nahrungsaufnahme: Während die normalen Mäuse 75 Prozent ihres Futters im Dunkeln aufnahmen, mampften die Gen-Mäuse „nachts“ nur 53 Prozent der Nahrung. Diese Veränderung zeichnete sich bereits bei Mäusen ab, die nur drei Wochen alt waren. Gleichzeitig wurden die Mäuse immer träger.
Gen-Mäuse auf Fett-Diät
Dann fütterten die Forscher jeweils eine Vergleichsgruppe mit normaler und eine mit besonders fettreicher Nahrung und verglichen die Auswirkungen. Sie stellten fest, dass die Tiere mit einer Veränderung des Clock-Gens mit normalem Futter so dick wurden, wie normale Mäuse, die auf die extrem fetthaltige Diät gesetzt worden waren. Die Gen-Mäuse wiederum, die die fettreiche Nahrung zu sich genommen hatten, wurden nicht nur rund und kugelig, auch ihr Stoffwechsel veränderte sich. Zudem zeigten sie Abweichungen bei der Insulinausschüttung, die Leber bekam Probleme beim Abbau von Zucker. Auffälligerweise betraf die Gewichtszunahme vor allem das Fettgewebe im Körper. Die Mäuse waren also nicht einfach nur übergewichtig, sondern bewegten sich in Richtung Fettleibigkeit.
„Wir wissen nicht besonders viel darüber, wie die innere Uhr die Nahrungsaufnahme und den Stoffwechsel bei normalen Individuen kontrolliert“, schreibt Turek. „Aber jetzt ist es uns gelungen zu zeigen, dass Gewichtszunahme und Abweichungen im Stoffwechsel bis hin zur Diabetes entstehen, wenn diese innere Uhr schlecht funktioniert. Die Körperuhr regelt das komplizierte Signalsystem im Gehirn, das den Appetit kontrolliert. Wir konnten zeigen, dass ein Tiermodell mit einer Störung des cirkadianen Rhythmus – eine Maus mit einem mutierten Clock-Gen und daher einer unpräzise arbeitenden Körperuhr – Stoffwechselprobleme bekommt, dass sie fettleibig wird und Anzeichen des Metabolischen Syndroms entwickelt.“
Essen, aber zum richtigen Zeitpunkt
Die Ergebnisse werfen viele Fragen auf, die jetzt noch intensiver erforscht werden sollen. Die Frage zum Beispiel, ob es möglich ist, dass Schlafverlust oder ein Wechsel des Tagesrhythmus die Regulierung des Appetits verändern. Es könnte sich herausstellen, so Turek und Bass, dass es nicht nur wichtig ist, wie viel man isst, sondern auch, zu welcher Zeit. Dass man vor allem dann Nahrung zu sich nehmen sollte, wenn der Körper sie optimal verstoffwechseln kann.
Die Beobachtungen der Wissenschaftler der Northwestern University beziehen sich nur auf Mäuse. Doch natürlich richten sie ihren Blick auch auf den Menschen. Wie sie schreiben, leiden in den USA zirka 18 Millionen Menschen an Diabetes, fast zwei Drittel der Erwachsenen sind übergewichtig, davon gelten 30 Prozent als fettleibig. Geschätzte 200.000 Amerikaner sterben jährlich an Diabetes und Adipositas (Übergewicht/Fettleibigkeit).
Für Deutschland hat jüngst Verbraucherschutzministerin Renate Künast erneut auf Übergewicht bei Kindern aufmerksam gemacht. Während in den USA zwischen 16 und 17 Prozent der Kinder an Fettleibigkeit leiden, sind es in Deutschland bereits 10 bis 12 Prozent.
Auch beim Menschen könnte sich herausstellen, dass für die Entstehung von Krankheiten wie Diabetes und Adipositas nicht nur zu viel und falsche Ernährung, sondern auch die Tageszeit eine Rolle spielt.