Der unbequeme Papst: Franziskus' Vermächtnis

Seite 2: Sozialpolitische Schwerpunkte: Armut, Frieden, Migration

Franziskus hat als erster Pontifex der Neuzeit anerkannt, was geo- und wirtschaftspolitisch Realität geworden ist: die Verschiebung der globalen Taxonomie weg vom eurozentrischen Westen. Polemisch bezeichnete er Europa als "unfruchtbare Großmutter", Gegenwart und Zukunft der Kirche wie der Welt sah er folgerichtig in den Schwellen- und Entwicklungsländern des Globalen Südens.

Nicht nur, dass er Kriegen in jeder Form die religiöse Aufladung absprach und untersagte, sondern dass er sich in Zeiten des Ukraine-Russland-Konflikts aktiv für Verständigung, Abrüstung und Frieden einsetzte, macht ihn einzigartig.

Ökumene sah er als "Beitrag zur Befriedung verfeindeter Völker". Mit dem "Skandal des Krieges" wollte der Papst keinen Frieden schließen. Bis zuletzt mahnte er zur Abrüstung und setzte sich, wo er konnte, auch für mehr Gleichberechtigung der Frauen ein. Bei seinem Projekt der Weltsynode wurde er jedoch von seinen systemischen Gegnern und den Untiefen des Systems Kirche ausgebremst.

Unvergessen der Gründonnerstag 2016: Der Papst küsst, zwei Tage nach den Terroranschlägen von Brüssel, junge Flüchtlinge nach der rituellen Fußwaschung. Unter ihnen: 3 junge Muslime. Die Botschaft des Papstes: Ihr seid nicht schuld, schuldig sind die, die eure Länder verwüstet haben. Seine erste Reise führte ihn 2013 nach Lampedusa, ein Ort, der im Rausch des christlich-europäischen Humanismus unter den goldenen Teppich gekehrt wurde, als das Mittelmeer noch nicht zum Massengrab für Flüchtlinge geworden war.

Der Club der unter 80-Jährigen

Nach dem bestätigten Tod tritt die sogenannte Sedisvakanz ein, der Stuhl des Papstes ist leer.

Die Dauer ist ungewiss, sicher ist, dass bis zur Neuwahl keine wichtigen Entscheidungen im Vatikan getroffen werden. Die laufenden Geschäfte werden von einem Gremium geführt, einer Auswahl der derzeit 252 Kardinäle. Auf die Trauerfeierlichkeiten folgt die Frage: Wer wird der neue irdische Stellvertreter Jesu Christi?

Alle 135 Kardinäle, die beim Tod des Papstes das 80. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, kommen als Nachfolger in Frage. Da Papst Franziskus viele Kardinäle aus fernen Ländern berufen hat, scheint der Eurozentrismus auch im Konklave überwunden. Beobachter erwarten ein offenes Rennen.

Als heiße Kandidaten gelten Matteo Zuppi, der Sondergesandte des Papstes in der Ukraine, Jean-Marc Aveline, der Intimus des Papstes in Migrationsfragen, und Pietro Parolin, der Brückenbauer zu China. Gute Chancen könnten auch haben: der Malteser Marco Grech (LGBTQ-Freund), Jean-Claude Hollerich (Vermittler zwischen Konservativen und Reformern bei der letzten Weltsynode) oder auch konservative Kandidaten.

Für einen Bruch mit dem Kurs von Franziskus stehen die Kandidaten Erdö und Burke. Der ungarische Kardinal Erdö ist ein konservativer Kirchenfürst und profilierter Kritiker des neuen Kurses. US-Kardinal Burke weigerte sich, homosexuelle Paare zu segnen und lag stets im Clinch mit dem Verstorbenen. Franziskus strich ihm das Gehalt und die Dienstwohnung.

Ein Papst für die Weltpolitik?

Für Aufsehen könnten Außenseiter sorgen. Der Filipino Luis Antonio Tagle wäre der erste Pontifex aus einem asiatischen Breitengrad. Er stünde für die wachsende asiatische Gläubigenfraktion ebenso wie für eine notwendige Auseinandersetzung mit China.

Sollte das Konklave nach der derzeit drängendsten geopolitischen Lösung, dem Nahostkonflikt, besetzt werden, müsste der Gesuchte Pierbattista Pizzabella heißen. Der Italiener bringt jüdische, muslimische und christliche Würdenträger im Dialog zusammen, gilt als unkonventioneller und kluger diplomatischer Brückenbauer.

Fehlende Stimme in der Endzeit

Wer auch immer Franziskus beerben wird, der deutschen Altkanzlerin Angela Merkel ist in dieser Einschätzung zuzustimmen: "Seine Stimme wird fehlen".

Nach der rätselhaften Prophezeihung des Malachias, die inzwischen zur festen kirchlichen Folklore um jedes Konklave gehören, könnten nach Franziskus nur noch drei Päpste folgen – die Endzeit der Kirche sei mit ihm angebrochen. Ein dringender Weckruf zum Handeln, sowohl in weltlicher als auch in geistlicher Hinsicht.

Franziskus stand in Zeiten der Zeitenwende für Frieden, in Zeiten der Abschottung für offene Grenzen und in Zeiten eskalierender sozialer Ungleichheit für eine Rückbesinnung auf die urchristliche Tugend der Gleichheit. Er stand auf der richtigen Seite der Geschichte.