Der unbequeme Papst: Franziskus' Vermächtnis
Papst Franziskus bei einer Messe im Januar 2025
(Bild: Marco Iacobucci Epp/Shutterstock.com)
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- Sozialpolitische Schwerpunkte: Armut, Frieden, Migration
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Mit Franziskus verlieren die Ausgegrenzten dieser Welt einen Fürsprecher. Wofür der Papst stand, wer ihn ausbremste und wer seinen Platz einnehmen könnte. Eine Analyse.
Das Oberhaupt der katholischen Kirche, Papst Franziskus, ist am Montagmorgen verstorben. Wie Telepolis berichtete, schied der gebürtige Argentinier nach dem Segen "Urbi et Orbi" aus dem Leben.
Noch am Ostersonntag empfing der von schwerer Krankheit gezeichnete Pontifex im Gästehaus Santa Marta seinen letzten Gast: Keinen Geringeren als – oder ausgerechnet – US-Vizepräsident JD Vance, der 2019 zum Katholizismus konvertiert war.
Diese letzte Begegnung kennzeichnet symbolisch das religiös unterfütterte politische Wirken des Papstes. Vance wurde als Vertreter der US-Regierung mit netten Ostergeschenken für Frau und Kinder betraut und musste sich wohl auch einige kritische Sätze zur aktuellen US-Migrationspolitik anhören. Erst im Februar dieses Jahres hatte sich Franziskus offen gegen Donald Trump gestellt und sich in einem Brief an die US-Bischöfe gegen die Diskriminierung von Migranten gewandt.
Franziskus polarisierte, mischte sich ein, sprach für die Stimmlosen, doch scheiterte an der Reform seiner Kirche.
Nie die Wurzeln vergessen
Papst Franziskus, mit bürgerlichem Namen Jorge Mario Bergoglio, wuchs als Kind italienischer Einwanderer im Stadtteil Flores von Buenos Aires auf.
Als fünftes Kind zog die Familie wegen der Feindschaft der Mutter zum an die Macht gekommenen italienischen Faschismus nach Lateinamerika. Er erlernte den Beruf eines Chemietechniker, trat in den Jesuitenorden ein und studierte Philosophie wie Theologie.
Der Faschismus holte die Familie ein: 1976 putschte sich die Militärjunta in Argentinien an die Macht. Für den inzwischen zum Provinzial der Jesuiten gewordenen brachte das viele Gefahren mit sich:
Er wollte schützen, musste sich aber mit den neuen Machthabern arrangieren. Bis heute ungeklärt, ist seine Rolle bei der Verhaftung zweier junger Jesuiten (die Fälle Jalics und Yorio). Hatte er sie gewarnt oder sie mit seinen Informationen selbst ans Messer der Junta geliefert? Es steht Aussage gegen Aussage.
Fakt ist: Die in den 1960er Jahren in Lateinamerika aufkommende Befreiungstheologie hat Bergoglios politisches Denken und praktisch-theologisches Handeln entscheidend geprägt. Anders als der Nicaraguaner Ernesto Cardenal und seine Jünger kämpfte Bergoglio nicht mit der Waffe in der Hand gegen die Diktatur.
In der Drogenhilfe, in den Slums seiner Heimat, in der Parteinahme für die Geschundenen versuchte er, als Papst das zu verwirklichen, was die Befreiungstheologie in ihrem bahnbrechenden Buch "Theologie der Befreiung" gefordert hat: "Weg von den Bündnissen mit den Herrschenden, hin zur Option für die Armen und Ausgeschlossenen".
Zwölf Jahre mit erhobener Stimme
In innerkirchlichen Fragen bleibt er konservativen Denkmustern verhaftet: Nein zur Abtreibung, für das Zöllibat im Priesteramt und keine Frauen im Priesteramt. Nur über Diakoninnen könne man nachdenken, in unbestimmter Zukunft.
Sein Namensgeber, der Heilige Franziskus von Assisi, der besitzlos in kompromissloser Armut lebte, wurde für Franziskus zum Vorbild; die Barmherzigkeit sein zentrales Thema. Sein bereits 2013 veröffentlichtes Apostolisches Schreiben rief die Kirche unmissverständlich zur Hinwendung zu den Armen auf, trat für weltweite Gerechtigkeit ein.
In seiner Enzyklika Laudato Si forderte er 2015 ein neues Bewusstsein für den menschengemachten Klimawandel und die Bewahrung der Schöpfung. Darin kritisierte der Verstorbene "eine Wirtschaftsordnung, die den Profit über die Menschenwürde stellt", als "Handlager sozialistischer Enteignungsphantasien" wollte er allerdings weniger verstanden werden.
Trotzdem kondolierten auch gestandene Marxisten wie der kubanische Revolutionsführer Raúl Castro, mit dem Franziskus eine persönliche Freundschaft pflegte.
Franziskus hatte immer wieder zwischen den USA und Kuba vermittelt: maßgeblich waren die vatikanisch-kanadischen Bemühungen, die unter Barack Obama zur Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen führten. 2025 strich Ex-Präsident Biden Kuba kurzzeitig von der Terrorliste – ebenfalls unter Vermittlung des Papstes.