Design oder Nicht-Sein: Die lange Reise des VWs — vom Vergaser zum Versager
Seite 3: What the Heck? Beetlemania in the USA
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- What the Heck? Beetlemania in the USA
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Mehr als zwei Jahrzehnte sind seitdem vergangen, es hat den zweiten Weltkrieg gegeben, es hat Porsches französische Kriegsgefangenschaft gegeben, es hat den Renault 4CV gegeben, der wie ein modernisierter Käfer aussieht, mit vier Türen, sogenannten Selbstmörder-Türen, insgesamt 4,5 Millionen Mal gebaut, und es hat den Citroen 2CV gegeben, eine Kopie des Käfers, die in Frankreich 2,5 Millionen Stück verkaufte. Es hat in England den Morris Minor gegeben, der wie eine Porsche-freie 4CV-Adaption aussah, ohne Heckmotor, der aber der erfolgreichste britische Wagen seiner Zeit war, mit 1,6 Millionen gebauten Fahrzeugen. Warum wurde keiner dieser Wagen ein Erfolg in Amerika?
BEI DEN ANDEREN fehlte der Gimmick, der spezielle Trick, das Ei des Columbus. Die erste VW-Werbung war da schon sehr genial - und auch subtil. Dieses Auto in der Dreiviertel-Totalen, das aussah, auf dem Foto, wie die Pyramide von Tenochtitlan, oben abgeflacht, überstrahlt von einem gleichmäßig grauen Summton, wie aus einem Moog-Synthesizer, schien eine besondere Offenbarung zu offerieren, für die man in Amerika ohnehin immer ein offenes Ohr hatte.
"Lemon."
Es war ein kompletter Blödsinn, aber er löste sich auf. Es gab eine Erklärung dafür: "Wir picken die Zitronen heraus," lautete der letzte Satz, "damit Sie die Pflaumen bekommen können." Plums auf Englisch, Wohlgeschmack, Saftigkeit, Süße, positive Assoziationen. Und jetzt kam die dritte Werbeschaltung, das Bild von diesem Heckmotor.
Ha ha ha, der Trick hatte schon beim "Führer" funktioniert, jetzt versuchte man ihn auch beim amerikanischen Käufer. Ein winziger kleiner Boxermotor verbirgt sich hinter der Heckklappe, mit gerade einmal vier Schrauben ist er dort befestigt, im Handumdrehen kann er dort auch wieder herausmontiert werden.
Der VW hieß Volkswagen, weil es nur dieses eine Auto gab, den Volkswagen. Aber in Amerika musste man lernen, zu unterscheiden. Es gab die Firma VW, und es gab die drei Modelle, den Käfer, den Karman Ghia und den Bulli. The Beetle hatte vorher noch nicht so geheißen, aber jetzt hieß er so. Auf der ganzen Welt hieß der Volkswagen jetzt der Käfer.
Drei Jahre später kamen vier Burschen aus Liverpool und nannten sich "The Beatles", da mussten die Kids ja ausrasten. Denn das Auto ward Mensch geworden. Und genau wie der Käfer diese runde Form hatte, den gekrümmten Buckel, so hatten nun auch die Liverpoodles diesen Mop-Top, diese abgerundete Einheitsfrisur.
Die kam natürlich auch wieder aus Deutschland, auf Umwegen, aber doch. Aus Hamburg. Astrid Kirchherr, die Freundin der Gruppe, hatte ihnen die deutsche Architekten oder Intellektuellen-Frisur verpasst. Enzensberger, Brecht. Die kämmten die Haare nach vorne und schnitten sich die Fransen ab wie Cäsar. Und der kleine Oliver Grimm, der beliebteste Kinderstar der Fünfzigerjahre, Liebling aller Muttis, trug die Beatles-Frisur perfekt als Erster zur Schau.
Der Trick dabei war ja der: die auf der niedrigen Stirn hoch aufgetürmte Elvis- oder Pompadour-Frisur signalisierte den intellektuellen Versager, den reinen Triebmenschen, den Schrecken aller Muttis. Bei den Beatles-Frisuren war die Blödheit der vier Burschen erfolgreich kaschiert, das Design bestimmte ihr Da-Sein. Die äußere Form rangierte vor der inneren Substanz, bzw suggerierte Substanz, wo möglicherweise gar keine vorhanden war.
Der amerikanische Präsident Ronald Reagan bewies einem Interviewer, dass es bei ihm umgekehrt funktionierte. Die glatt nach vorn gekämmten Haare ließen Reagan aussehen wie einen traurigen alten Mann. Kämmte er seine (angeblich ungefärbte) Haarpracht zu einem Pompadour hoch, hatte man den strahlenden Sieger. Auch der gegenwärtige Amtsinhaber, Trump, wäre ohne sein markantes Haar-Design nur ein gewöhnlicher alter Mann.
Fortsetzung folgt
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