Destruktion als Ziel der Produktion
Ein Interview mit Hartmut Bitomsky über seinen neuen Film "B-52"
Nach dem zweiten Weltkrieg hat die USA die B-52 entwickelt, ein von Düsenmotoren betriebenes Langstreckenflugzeug, das bis heute ein mächtiger Militärapparat geblieben ist um den sich viele Mythen ranken. Das die Mythenproduktion noch immer in vollem Gange begriffen ist, rührt daher, dass das Symbol globaler Hegemonie zwar als Waffe für den Kalten Krieg entwickelt wurde, jedoch noch immer im Gebrauch ist und es dank technologischer Potenz auch noch lange Zeit bleiben wird. Hartmut Bitomsky hat sich in seinem 109-minütigen Dokumentarfilm mit der Geschichte und insbesondere den symbolischen Dimensionen dieser Militärmaschine auseinandergesetzt und einen bildgewaltigen Doku-Epos geschaffen, der aus Archivmaterial, zahlreichen Interviews mit ehemaligen Piloten, Luftwaffen-Funktionären und Kriegsopfern, sowie Aufnahmen an Militärstützpunkten zusammengesetzt ist. Damit knüpft der mittlerweile als Cal-Arts-Professor in Kalifornien lebende Filmemacher an sein Interesse an nationale Technikmythen - "Reichsautobahn" (1986) und "VW-Komplex"(1989) - zu erforschen. In diesem Gespräch spricht er über den Prozess der Recherche, die Dreharbeiten, sowie die US-Rezeption von "B-52".
Was war der Ausgangspunkt für "B-52"?
Hartmut Bitomsky: Die Idee zum Film verdankt sich der Vorführung eines Films von mir in Chicago 1995. Ben Nicholson kam hinterher auf mich zu und erzählte von den Flugzeugschrottplätzen um die Mathis Davis Airforce Base in Tucson. Eine Woche darauf bin ich nach Arizona geflogen, mit einer High8 Video Kamera in der Hand. Was ich dort vorfand, hatte den Charakter eines handfesten Beweises: der Beweis war evident, nur was er beweisen wollte, war doch durchaus noch undeutlich.
Eine Idee für einen Film braucht diese Art misslicher Verstimmung: da liegt etwas vor, man schaut es sich an und ist beeindruckt, aber einen Reim kann man sich darauf nicht machen. Und dann braucht eine Idee, für einen Dokumentarfilm zumal, eine starke und vielfältige Realität, an der sie hochwachsen kann. Genau dies offenbarte sich in den zerschundenen Wrackteilen der B-52, ein reichhaltiger, umfassender Ausschnitt der Realität.
Zu dieser Zeit lebte und arbeitete ich schon seit einigen Jahren in den USA, und wie es nicht anders sein kann, in Anspannung und Unruhe und in einer gewissen Bedrückung. Genau dorthinein stieß die B-52 als ein Projekt. Es gab mir die notwendige Gelegenheit, den Ort zu definieren, an dem ich lebe, und die Zeit zu definieren, in der ich lebe.
Wie ist aus dieser Idee ein Drehbuch geworden?
Hartmut Bitomsky: Aus einer Idee für einen Dokumentarfilm wird nie ein Drehbuch: das gehört zur Definition, und das ist es auch, was mich am Dokumentarfilm interessiert: einer starken Realität konfrontiert zu sein und ihr mit der künstlerischen Intelligenz des Filmemachens begegnen, und zwar ohne jene systematischen Absicherungsmechanismen, die das Machen von Spielfilmen definieren. Das ist das Vitale am Dokumentarfilm, es geht an die Wurzel des Filmemachens. "Die Schönheit des Kinos beginnt da, wo das Schauspielen aufhört," hat Godard einmal gesagt, und dies ist der springende Punkt für mich.
Die filmemacherische Intelligenz muss sich jedoch fundieren, sonst verdummt sie. Wer die Fakten der B-52 nicht auf den Begriff zu bringen versucht, kann keinen Film darüber machen wer einen Film über die B-52 machen will, aber nichts vom Filmemachen versteht, wird die Fakten nicht auf den Begriff bringen können. Man muß also ziemlich viel über den Gegenstand in Erfahrung bringen und eine Menge Wissen akkumulieren. Mit jedem Film kann man zu einem Experten einer neuen Sache werden.
Dabei sind heute natürlich die Search Engines im Internet eine unglaubliche Hilfe auch wenn sie einem noch sehr oft obskure Dinge vorlegen. Man stößt meistens nicht auf die Sache, sondern nur auf das Versprechen, dass sie irgend woanders wirklich existiert. Ähnlich wie ein Eintrag im Telefonbuch nicht den Anruf ersetzt. Aber dazu gibt es vor allem noch das wahre Internet der Menschen: wenn ich einem Film zuarbeite, erzähle ich jedem, der es hören will oder nicht, von meinem Projekt. Das Resultat ist erstaunlich von überall her werden einem Daten und Fakten zugespielt, als ob man eine Quelle anzapfte, die nur darauf gewartet hat, sprudeln zu können. Man befindet sich plötzlich mitten in einer Diskussion, die bereits unterwegs ist, in die man seinen eigenen Beitrag einspeisen kann .
Für gewöhnlich werden alle Filmprojekte, die US-amerikanische Militärhardware verwenden oder auf militärischem Gelände gedreht werden, von Phil Strub (Special Assistant for Entertainment Media at the US Department of Defence) geprüft und abgesegnet. Mussten auch Sie sich mit ihm bzw. mit vergleichbaren Stellen auseinandersetzen?
Hartmut Bitomsky: Phil Strub? Vielleicht weil von Anfang an klar war, dass es sich nicht um Entertainment handelt, war der Mann nicht von der Partie. Natürlich brauchten wir für jeden Drehort die Genehmigung des Pentagon. Anfangs war das kein Problem nachdem es glaubhaft war, dass es sich nicht um das Projekt eines Flugzeugbuffs handelt, der sich eine Drehgenehmigung erschleichen will, um einmal nah ans Objekt seiner dilettierenden Leidenschaft zu gelangen. Mit anderen Worten, wir mussten nachweisen, dass der Film ein vertrautes wirtschaftliches Format hat und über eine verlässliche thematische Grundlage verfügt.
Das war noch zur Zeit der Clinton Administration. Das US Militär stand noch unter dem Schock des Ende vom Kalten Krieg und suchte krampfhaft nach einem neuen raison d'etre. Also gebärdete die Airforce sich PR-freundlich.
Aber inzwischen war dank u.a. Josef Fischer der Kosovo Krieg im Gange, und die B-52s hatten ein paar Bombardierungseinsätze geflogen. An dem Tag, an dem wir zu den Dreharbeiten aufbrachen, gab das Pentagon rotes Licht, und alle Drehgenehmigungen für die verschiedenen Airforce Bases wurden uns entzogen. Die Begründung war, dass der Kosovo Krieg die Airforce zu sehr beschäftige. Wir hatten Autos gemietet, Geräte gemietet, Mitarbeiter unter Vertrag, die Dollars rollten übers Konto wie beim Taxameter.
Der Grund für den Stop war meines Erachtens, dass das Militär nicht als so müßig erscheinen sollte, als dass es sich für Filmaufnahmen zur Verfügung stellen konnte. Im Krieg kriegt alles die Maske des bitteren Ernstes übergezogen. Ich stellte mich darauf ein, den Film ohne seinen Gegenstand im Zentrum zu drehen, und ich bereitete mich auf viele Interviews vor, was ja bei einem 35mm Film eher ein Unding ist. Die Filmrollen sind höchstens 10 Minuten lang, nicht viel Zeit, um ein Gespräch ohne Unterbrechung aufzuzeichnen. Wir fingen zu drehen an, aber ich hatte das Gefühl, um die Sache herumzudrehen. Die Kamera kriegte die B-52 nicht zu Gesicht. Halbwegs in der Mitte der Dreharbeiten aber schaltete das Pentagon auf Grün. Der Kosovo Krieg stand kurz vor dem Ende, die Airforce konnte nicht mehr als müßig erscheinen.
Im Film heißt es immer wieder, die B-52 sei eine Metapher, eine Parabel, ein Palimpsest. An der Oberfläche der Militärmaschine werden zahlreiche Bedeutungsebenen abgelesen: Hatten Sie den Eindruck, dass sich ihre Interview-Partner (abgesehen von den Künstlern) dessen bewusst sind?
Hartmut Bitomsky: Die B-52 war von Anfang an für die USA eine groß angelegte politische, soziale und ökonomische Unternehmung. Der Bau der gesamten Flotte von mehr als 750 Bombern hat auf zehn Jahre die gesamte Kapazität der Aluminiumverarbeitung der USA ausgeschöpft. Der Kalte Krieg fand in den Produktionsstätten statt, in der Form einer unermesslichen Prosperität. Aber das ging natürlich nicht einfach so, gewissermaßen auf Knopfdruck. Es musste begründet, abgeleitet, erklärt und dann durchgesetzt werden, und deshalb hat sich um das Flugzeug eine eigene Mythologie gebildet: eine Oberfläche, auf der alle möglichen mythologischen Schnittstellen situiert sind. Jeder, der über die B-52 spricht, arbeitet an der Mythologie mit. Er wählt eine Weise, über die B-52 zu sprechen, und aktiviert die dazugehörigen Bedeutungsmöglichkeiten, die anderen Bedeutungen widersprechen mögen, aber sie nicht ausschließen.
Das haben, glaube ich, alle verstanden, mit denen wir gesprochen haben. Sie wussten immer über die Widersprüche, aber sie wussten auch, dass das Objekt letztendlich von einer größeren Kapazität ist, als sich definieren lässt. Fünfzig Jahre einer Volkswirtschaft, die auf den Kalten Krieg basiert, lassen sich nicht einfach begründen, aber auch nicht wegargumentieren. Das ist ein bisschen wie bei meinen Filmen über die Autobahn und den Volkswagen. Wie immer man darüber denken und reden mag: irgendwann hat jeder einen Volkswagen gefahren und irgendwann die Autobahn benutzt. Man mag das verdammen oder preisen beides greift immer zu kurz. Die Praxis ist mächtiger.
Wie gehen Sie bei Ihren Interviews konkret vor?
Hartmut Bitomsky: Wenn ich Interviews führe, stelle ich mir das so vor: Ich gebe jemandem die Gelegenheit, 3 Minuten oder 10 Minuten zu sprechen, und ich gebe einem Publikum die Gelegenheit, jemandem 3 oder 10 Minuten zuzuhören und dabei dieser Person zuzuschauen. Ich nehme auf keine Sensibilitäten Rücksicht, insbesondere nicht auf meine. Die Kontroverse soll nicht vor der Kamera stattfinden, sondern im Kino.
Ich stelle Fragen, sie geben mir Antworten. Ich verantworte die Fragen, sie verantworten, was sie erwidern. Dazwischen ist kaum Platz für Tricks oder schlaue Manöver. Das fällt manchmal schwer. Aber beim Dokumentarfilm spielt der Autor eine recht subtile Rolle. Man darf dem Gegenstand und der Kamera nicht zu sehr dazwischenkommen. Später beim Schneiden habe ich die Wahl, ein Interview in den Film zu integrieren oder nicht. Aber im Augenblick der Aufnahme muss ich die alle ideologischen Sentimentalitäten hinnehmen, denn auch sie sind Fakten.
Neben den zahlreichen sehr interessanten Details des Films, bleibt jenes Archivmaterial im Gedächtnis hängen, das den von SAC nicht fertiggestellten Propaganda-Film "The Power of Decision" (1955) dokumentiert. Wie sind Sie darauf gestoßen?
Hartmut Bitomsky: Ich bin im National Archive darauf gestoßen. "Power of Decision" ist eine endlos lange Reihe von ungeschnittenen Aufnahmen, ungeschnitten bis auf den nuklearen Schlagabtausch zwischen den USA und der UdSSR das Material muss einen Cutter gereizt haben, weil es Action ist, und so hat er sich drangesetzt, den finalen Schlagabtausch zwischen der Sowjetunion und Amerika zu schneiden, wie er in Wirklichkeit nicht geschehen ist.
Das ganze ist offensichtlich eine Hollywood Produktion, besetzt mit Schauspielern, in Auftrag gegeben und finanziert vom Strategic Air Command. SAC hatte damals viel Geld, sogar soviel Geld, einen Film zu produzieren und niemals zu beenden. Interessant daran ist , dass man es als notwendig befunden hatte, einen Film drehen zu müssen, um sich zu erklären. Da ist ein Zwang vorgelegen, aber er war dann wiederum doch nicht so stark, dass der Film herausgebracht werden musste.
Dieser Film steht nicht allein, wir haben im National Archive mindestens mehr als zehn von dieser Art Filme gefunden alles 35mm Produktionen, die niemals geschnitten oder beendet wurden, von der Airforce produziert und finanziert und dann schlichtweg versteckt: aber dann in den Weg von Filmemachern wie mich gelegt, damit sie den ungesponnen Faden wieder aufnehmen und in einen neuen Kontext integrieren.
Der B-52-Film wurde auf der Berlinale 2001 prämiert und lief dann zuerst in den USA an. Die US-Rezeption wurde stark von den Ereignissen am 11.09. gefärbt. Die Village Voice merkte kritisch an, "ordinary personnel can no longer be entirely dismissed as pawns in a capitalist campaign. [...] it's difficult to arouse amused disapproval for the mechanics of traditional warfare after quotidian objects like passenger jets have left us with much more devastating per-episode body counts." ("Time Bomb" by Michael Atkinson, Village Voice, December 5 - 11, 2001)
Hartmut Bitomsky: Ja, die Besprechung im Village Voice war erstaunlich. Atkinson hat sogar geschrieben, dass es ein schlecht gemachter Film sei. Es muss ihn am Punkt erwischt haben, wo die Wut sitzt, dass der 9-11 ihn zum 100%igen, allesbejahenden Rechtsamerikaner gemacht hat. Es hat aus New York ein paar solcher Kritiken gegeben. Sie haben sich mit dem World Trade Center als Symbol des essentiell Amerikanischen absolut identifiziert und keine Unterscheidungen mehr treffen wollen. Es hat mich sehr an die Intellektuellen erinnert, die in der Nazizeit Deutschland nicht verlassen wollten oder konnten und plötzlich in einen extremen Zwang zur Rechtfertigung verfallen mussten.
Aber es gibt ja nicht nur ein Amerika. Viele haben doch einen klaren Blick auf den Film werfen können. Sie haben entdeckt, dass in Fakten Poesie wohnen kann und dass Dinge Ideen und Erkenntnisse beherbergen, die sich nicht so schnell auf einen gemeinsamen Nenner bringen lassen.
Nach einer Vorführung kam ein verblüffter Student auf mich zu, der nicht fassen konnte, dass es mit einem solchen Sujet einen richtigen Film geben könnte, der nicht ein Spielfilm aus Hollywood wäre. Ich wollte einen Film über einen Gegenstand machen, der einen Raum mit dreihundert, vierhundert Menschen für zwei Stunden erfüllt mit einer vielschichtigen, angespannten, visuell komplexen Kommunikation. Zwei Stunden konzentrierter, gesättigter Aufmerksamkeit. In Calarts und an vielen anderen Orten ist das geschehen. Es passiert eher nicht, wenn man den Film als VHS Video auf dem Fernsehschirm durchzieht, was Filmkritiker heute machen, um ihre Arbeit hinter sich zu bringen.
Natürlich sind die Menschen nicht bloß Spielmarken im kapitalistischen Manöver. Wenn man das Gegenteil glaubt, sollte man gleich ganz aufgeben. Aber man darf schon auch noch feststellen, dass der Kapitalismus solche degradierenden Manöver in Gang setzt. In den Wochen nach dem 11. September wurde jeder Tote im World Trade Center, jede Witwe ohne Lebensversicherung, jeder Feuerwehrmann, der in den Trümmern wühlte, medial funktionalisiert, um einen neuen Krieg zu rechtfertigen. und man muss erwähnen, dass Passagierflugzeuge offensichtlich keine unschuldigen alltäglichen Vehikel sind, wenn man weiß, dass die B-52 (und, parallel, die B-47) der Prototyp der Entwicklung jeglicher modernen Düsenmaschinen der zivilen Luftfahrt gewesen sind. Sie sind ein Spin-off der modernen Militärtechnologie, die wir unbedenklich benutzen, um von München nach Florida in den Urlaub zu fliegen. Am 11. September wurde die Umkehrung wieder sichtbar gemacht, die schon im Volkswagenwitz aus der Nazizeit begriffen worden war, wenn gesagt wurde, das aus jedem VW, wenn man ihn nur richtig zusammenbaut, ein Panzer wird.
Vielleicht klingt es jetzt noch etwas zu zynisch, wenn man sagt, dass der 11. September, auf den Atkinson anspielt, möglicherweise nur der Auftakt eines terror-touristischen Angriffs auf die USA gewesen ist, der im Moment noch von einem militärischen zu unterscheiden ist, wenn auch nicht in seinem zerstörerischen Potential.
Sie haben mal gesagt "ein Dokumentarfilm sollte nicht die Realität enthüllen, er muss sie artikulieren und gliedern." Es komme darauf an, die Realität einer immer komplexer werdenden Welt visuell noch einmal entstehen zu lassen und damit grundsätzliche Konstruktionsprinzipien von "Wirklichkeit" sichtbar zu machen. Nun haben wir es mit zwei Zeitachsen zu tun, entlang derer die Realität sich entfaltet. Einerseits jene 80 Jahre, die die Lebensdauer des Bombers beschreiben, andererseits die zwei Jahre, in denen der Film seine Wirkung zu entfalten beginnt. Wie würden Sie die Kommentarmöglichkeit des Films angesichts solcher Verschiebungen und Überschneidungen beschreiben? Während der Film in Deutschland anläuft, steht der dritte Golfkrieg vor der Tür.
Hartmut Bitomsky: Während der Film in Deutschland anläuft, steht der 3. Golfkrieg vor der Tür... Oder wenn nicht gerade der dritte Golfkrieg, dann ein Krieg andernorts. Die USA sind ein bellezistischer Staat. Seit mehr als 100 Jahren sind die USA mindestens alle 3 bis 5 Jahre in einen militärischen Konflikt involviert, und das heißt, Kriegsführung ist ein immanenter Bestandteil des amerikanischen Systems, mit der Besonderheit, dass die Kriegsführung immer exterritorial lokalisiert gewesen ist territorial werden die Kriege in Amerika nur im Kino, und jetzt in den Medien, geführt.
Als wir den Film drehten, habe ich noch an die Idee des START-Abkommens geglaubt, Strategic Arms Reduction Treaty - das Abkommen zur Verringerung der strategischen Waffen, sprich: Nuklearwaffen, das Reagan mit der Sowjetunion geschlossen hatte, um das atomare Wettrüsten zu stoppen und eine nukleare Abrüstung in Gang zu setzen. Deshalb ist auch Film die Szene der Zerstörung der B-52 so extensiv geworden. Ich hatte mich gefragt, was sollen wir mit dem Schrott des Kalten Kriegs anfangen, wie lässt es sich drehen und wenden, damit daraus etwas anderes entstehen kann als neue Waffen. Hoffnung macht einen stets naiv. Denn diese Frage stand gar nicht auf der Tagesordnung. Das START-Abkommen war in Kraft, die Vernichtung aller strategischer Waffen, d.h. der nuklearen Systeme, schien auf der Tagesordnung zu stehen. Aber ein ehemaliger B-52 Pilot erzählte mir später, er sei in den 80er Jahren, als Reagan das Abkommen mit der Sowjetunion abschloss, enttäuscht aus der Airforce ausgeschieden, weil zur gleichen Zeit die Bestückung der B-52 mit Nuklearwaffen wieder verstärkt aufgenommen wurde und alles wieder verstärkt von vorn anzufangen schien.
Im Zentrum der Arbeit steht heute Waffenproduktion, eine Perversion in sich selbst. Destruktion als Ziel der Produktion. Das sehe ich auch als den Mittelpunkt des Films. Das ist die Auseinandersetzung. Der Dokumentarfilm, wie ich es sehe, ist der ästhetische Widerstand, den ein Filmemacher der Realität entgegensetzt. Marx hat gesagt: Wenn der historische Augenblick verpasst wird, fängt die ganze Scheiße wieder von vorne an. Ich sehe das nicht so, und dies ist meine Kritik. Wenn der Augenblick verpasst ist, geht es wirklich nach unten in einem gnadenlosen Strudel. Aber was heißt Augenblick? Ein Moment unterscheidet sich kaum vom andern, und keiner kann sagen, welches der Zeitpunkt ist.