Deutsch-amerikanische Freundschaft
Nachkriegspolitik zwischen beleidigten Staatsoberhäuptern und einem harmonieverdächtigen UN-Sicherheitsrat
Der US-Präsident ist über Kanzler Schröders schnöde Kriegsabsage noch immer beleidigt. Während also US-Außenminister Colin Powell in Berlin weilt, um die strapazierten Beziehungen zu entspannen und für Washingtons neue UN-Resolution zu trommeln, trifft Bush den gerade in Washington weilenden hessischen Ministerpräsidenten Koch - zufällig, rein zufällig. Der Kanzler will an derlei welthistorische Zufälligkeiten, an die schlechteren Treppenwitze der Weltgeschichte, nicht glauben. Kurz angebunden und verstimmt soll er auf Powells Mission reagiert haben.
Irgendwie will es mit der deutsch-amerikanischen Freundschaft seit dem Ende der uneingeschränkten Solidarität nicht mehr so recht klappen. Freundschaftsbeteuerungen folgen Brüskierungen und umgekehrt. Und das Telefon des US-Präsidenten schweigt vorwurfsvoll. Souveräne Politik großer europäischer Nationen ist für Bush unerträglich. Und so setzt es also diplomatische bzw. undiplomatische Ohrfeigen für den Spielverderber und Drückeberger Schröder. Nicht zuletzt wird sich Bush aber wohl auch an die Ergebenheitsadressen der CDU so wohlig erinnert haben, allen voran die von Frau Merkel (Petze beim Großen Bruder und Christian Homeland Security), die keine hiesige Unpopularität scheute, um Bush artig in den Antischurkenkampf zu folgen.
Nun ist die Instrumentalisierung des Beleidigtseins eine Kategorie weltpolitischen Handelns, die wohl dem Anschauungsunterricht des Kindergartens entlehnt ist und die Frage nach der Rationalität dieses Handelns ebenso schlüssig beantwortet, wie sich die Inhalte der US-Politik selbst beschreiben. Es gibt also nicht nur eine Arroganz der Macht, sondern auch ihre Stillosigkeit, die nach den bisherigen Akten der bitteren Posse und dem persönlichen Zuschnitt der Akteure indes niemanden mehr verwundern sollte. Colin Powell, der Mann für's Moderate, wird daher auch an diese mesquine Front der präsidialen Sprachlosigkeit geschickt, weil man sich den Dauerzwist mit Alteuropa schließlich doch nicht leisten kann.
In einem SZ-Interview kommentiert der US-Außenminister seine German Good Will Tour so: "In der vergangenen Zeit haben Deutschland und Frankreich eng zusammen gearbeitet, um unserer Politik zu schaden. Wenn jemand eine Wahl getroffen hat, dann waren es die beiden. Die USA verlangen von niemandem, dass er wählen muss." Der letzte Satz wird erst so rund: Niemand soll glauben, dass er gegen die USA eine Wahl zu treffen hätte. Damit das ja nicht missverstanden wird, hat Powell auch noch ausdrücklich den über den Wolken schwebenden Falkenkurs gutgeheißen, notfalls wieder ohne Konsens der Weltgemeinschaft zu handeln.
Die Politik der USA nimmt also Schaden, wenn einer nach den Kriegsgründen fragt und auf Antwort wartet. Bis auf den heutigen Tag sind trotz massiver Anstrengungen der US-Truppen während und nach dem Krieg, die noch nachhaltiger als die Maßnahmen der UN-Inspektoren waren, keine Massenvernichtungswaffen gefunden worden (Auf der Suche nach den Kriegsgründen). Dazu gibt es keine vernünftige Erklärung der Regierung in Washington. Kein Wort des Bedauerns. Keine Entschuldigung, wo inzwischen allenfalls eine Abbitte gegenüber den Kritikern dieses Kriegs von Stil zeugen würde. Stattdessen assistiert nun Hessens Chef-Koch auch noch Bush mit der ministeriellen Unterwerfungserklärung, es sei nun Schröders Aufgabe, den ersten Schritt zu tun. Verkehrte Welt.
In der nächsten UN-Resolution geht es nur noch ums Öl und andere Geschäftsinteressen
Amerikas Hegemonialpolitik setzt sich nun im Nachkriegsprogramm für den Irak fort. Fast wie eine Neuauflage des Ringens um die UN-Kriegsresolution erscheint dabei das Streben nach einer Friedensresolution für den Irak. Allein das Pathos und die Plakate fehlen diesmal, wo es jetzt nicht länger um kostbares Blut, sondern nur noch um billig sprudelndes Öl geht. Amerika bastelt also eifrig an der UN-Resolution, bessert hier und dort ein bisschen nach, hofiert ein wenig in diese und jene Richtung. Denn diesmal soll es ein 15 : 0 Ergebnis im Sicherheitsrat geben. Der Sicherheitsrat als Postwar-Abnickverein - better late than never.
Den Kritikern der Resolution stößt auf, dass Amerika den völkerrechtswidrigen Krieg (Der Wille zum Krieg triumphiert über das Recht) nun mit Hilfe des Sicherheitsrats nachlegitimieren will. Auch die nachgebesserte Resolution räumt den USA und Großbritannien weit reichende Rechte in der Verwaltung des Landes ein. Zentral dabei ist der Streit um die Aufhebung der UN-Sanktionen. Frankreichs und Russlands Forderung nach einer Rückkehr der Waffeninspektoren vor Aufhebung der Sanktionen wird von den USA strikt abgelehnt. Die USA wollen bekanntlich die Handelssanktionen sofort fallen lassen, um das Öl möglichst schnell in die richtigen Hände fließen zu lassen. Auch der missvergnügte Kanzler hat nun immerhin erklärt, dass die Sanktionen keinen Sinn mehr machen und so schnell wie möglich aufgehoben werden sollten. Das ist zwar nicht der ganz korrekte Kotau, um Bushs Verärgerung zu besänftigen, aber immerhin ein Schritt in die richtige Richtung.
Die Arbeit der Waffeninspektoren - das ist allen klar - wäre in der Tat nur ein Spielzug der Macht bei der Frage, welche Rolle der UNO zukommt. Die Vorstellungen, was nun jenseits der sinnlosen Suche nach Massenvernichtungswaffen eine vitale Rolle der UNO beim irakischen Wiederaufbau sein könnte, gehen weiter auseinander. In dem überarbeiteten Resolutionsentwurf der USA bleibt es dabei, dass die Mitglieder der Kriegskoalition die Entscheidungsgewalt über die Geschicke des Irak bis zur Bildung einer irakischen Regierung nicht aus den Händen geben wollen. Und dieser Prozess kann sich in einem politisch, ethnisch und religiös zerstrittenen Land noch erhebliche Zeit hinziehen. Vermutlich jedenfalls so lange bis die Weichen der irakischen Demokratie so gestellt sind, dass Washington auch wirklich die Regierung bekommt, die es sich verdient hat.
Hinter dem Resolutions-Gerangel regieren die unverhohlenen Geschäftsinteressen. Insbesondere Russland als Nichtteilnehmer an der Koalition der Willigen sieht die mit Saddam Hussein vereinbarten Öl-Deals in Gefahr und will zudem auch Schulden in Höhe von zig Milliarden Dollar eintreiben. Eine Schuldentilgungsregelung ist nun in dem kosmetisch überarbeiteten Resolutionsentwurf vorgesehen, wenngleich deren Konkretisierung noch diverse Unklarheiten birgt.
Doch diesmal könnte Amerika mehr Glück in der UNO haben. Denn in UNO-Kreisen gilt wohl, dass man den Leviathan nicht noch mehr reizen will. Überflüssig, nach Gründen zu fragen, wo doch jeder weiß, dass auf die Koalition der Willigen noch viele Aufgaben warten und amerikanische Freundschaft das politisch wertvollste Gut in Zeiten nachwachsender Schurken ist.