Deutsche Arbeitsmoral: Lindners Lust auf Überstunden anderer, Zahlen und Fakten
Der Bundesfinanzminister will, dass wir unsere Einstellung zur Arbeit überdenken. Da lohnt sich ein Blick auf die letzten Jahre. Diese Zahlen sprechen für sich.
Die Diskussion über Arbeitsmoral reißt nicht ab. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) klagt über die Arbeitseinstellung der Deutschen und möchte "Lust machen auf die Überstunde", wie er der ARD-Sendung Caren Miosga am Sonntagabend sagte. Die Arbeitsmotivation der Bürger sei wichtig für die Entwicklung der Wirtschaft, so Lindner.
Unter Umständen sei auch eine "Mentalitätsreform" nötig, da Arbeit nicht nur eine finanzielle Funktion erfülle. "Arbeit ist doch auch Sinnstiftung, das strukturiert den Alltag."
Arbeit für lau: So viele Überstunden blieben unbezahlt
Neben vielen eindeutig ablehnenden Reaktionen in sozialen Netzwerken gab es dort auch mehrfach den Vorschlag, mehr Überstunden zu bezahlen. Nach Auswertungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sind 2022 in Deutschland rund 1,3 Milliarden Überstunden geleistet worden, davon rund 702 Millionen unbezahlt.
Die Tendenz muss damit aber schon als sinkend bezeichnet werden, denn 2008 waren es nach IAB-Angaben etwa 2,1 Milliarden Überstunden, davon etwa 1,2 Milliarden unbezahlt.
Weniger junge Menschen und der Wunsch nach Work-Life-Balance
Allerdings handelt es sich zum Teil um dieselben Beschäftigten und ihr Durchschnittsalter ist seither gestiegen und wird weiter steigen, denn der Anteil junger Menschen im Alter zwischen 15 und 24 Jahren lag zu Beginn dieser Dekade auf einem historischen Tiefstand. Ende 2021 gehörte jeder zehnte Mensch in Deutschland dieser Altersgruppe an, 40 Jahre zuvor war es noch jeder Sechste.
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Qualifizierte junge Menschen dieser Altersgruppe und knapp darüber artikulieren aber auch vermehrt den Wunsch nach einer guten Work-Life-Balance und machen darauf aufmerksam, dass die Orientierung auf grenzenloses Wirtschaftswachstum ökologisch nicht nachhaltig ist. Wie etwa David Gutensohn in seinem Buch "Generation Anspruch: Arbeit ist nicht alles – und das ist auch gut so".
Berufstätige am Limit: Ein Fünftel in Angst vor dem Burnout
Unter den Erwerbstätigen wächst die Angst vor einem Burnout. 21 Prozent stufen diese Gefahr für sich als "hoch" ein, wie Anfang des Jahres eine Studie der Betriebskrankenkasse Pronova ergab. Vor der Corona-Krise hatten dies 14 Prozent von sich gesagt. Zuletzt sahen 40 Prozent der Befragten für sich eine "mäßige" Burnout-Gefahr, 2018 hatten dies 36 Prozent gesagt.
Laut einer Studie des McKinsey Health Institutes litten mehr als ein Drittel aller in Deutschland Beschäftigten im vergangenen Jahr an körperlicher und geistiger Erschöpfung, 20 Prozent gaben Burnout-Symptome wie Dauermüdigkeit, Konzentrationsstörungen oder eine starke Ablehnung der eigenen beruflichen Tätigkeit an. Nur 51 Prozent der Befragten fühlten sich wirklich gesund.
Lindner hofft mit Arbeitskult auf zweistelliges Ergebnis
Trotz aktuell schwacher Umfragewerte für die FDP peilt Christian Lindner, der wieder "Lust" auf Überstunden machen will, für seine Partei ein zweistelliges Ergebnis bei der Bundestagswahl an.
"Unter meiner Verantwortung erzielte die FDP 2017 und 2021 zweistellige Ergebnisse. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte zweimal nacheinander. Und das ist auch mein Ziel für die nächste Bundestagswahl", sagte der Bundesfinanzminister der Neuen Zürcher Zeitung.
In aktuellen Umfragen steht seine Partei zwischen vier und fünf Prozent, muss damit um den Wiedereinzug in den Bundestag fürchten und hat ihr Ergebnis von 2021 mehr als halbiert. Damals hatte die FDP noch 11,4 Prozent erreicht.
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