Deutsche Bahn: Mit 20.000 Managern auf dem Weg zur Privatisierung?
- Deutsche Bahn: Mit 20.000 Managern auf dem Weg zur Privatisierung?
- "Es fehlt der politische Wille, nicht die Möglichkeit zur Kontrolle"
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Jetzt geht es endlich los? Die neue Aktiengesellschaft DB Infra-GO AG. Bei Kritikern schrillen die Alarmglocken. Ein Interview mit dem Infrastrukturexperten Carl Waßmuth.
Zum Jahreswechsel werden die DB Netz und die DB Station & Service zu einer neuen Aktiengesellschaft DB Infra-GO AG zusammengefasst.
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Die DB InfraGO AG wird sich in Zukunft um das Schienennetz in Deutschland kümmern. Etwaige Gewinne fließen zurück in den Erhalt und den Ausbau der Infrastruktur, verspricht die Bundesregierung. So komme endlich mehr Verkehr von der Autobahn auf die Schiene. Ein Schritt in Richtung verkehrspolitische Vernunft? Keineswegs, findet Carl Waßmuth vom Bündnis Bahn für alle.
"Aufhübschen für eine Privatisierung"
Herr Waßmuth, "Bahn für alle" protestiert hartnäckig gegen die Infra-GO AG. Die Parole lautet: "Infra no go!" Dabei steht das GO im Namen doch für gemeinwohlorientiert - was haben Sie dagegen, dass das Schienennetz in Deutschland nicht mehr gewinnorientiert betrieben werden soll?
Carl Waßmuth: Das Go! im Namen soll wohl andeuten, dass es jetzt endlich losgeht. Das wäre auch bitter nötig, denn die Infrastruktur ist im schlimmen Zustand. Aber Bahnsysteme auf der ganzen Welt funktionieren am besten, wenn Züge und Schienen aus einer Hand betrieben werden.
Solche integrierten Systeme gibt es in der Schweiz, in Österreich, eigentlich überall da, wo der Schienenverkehr gut funktioniert. Dass der FDP-Verkehrsminister Volker Wissing an der integrierten Bahn sägt, lässt bei uns alle Alarmglocken schrillen.
Wir befürchten, dass die Netz-Infrastruktur nach und nach aus dem Verbund herausgelöst wird, um die DB Fernverkehr und DB Regio für eine Privatisierung aufzuhübschen und zu verkaufen. Das wäre nach der Aufspaltung ohne weiteres möglich.
Ein Beschluss im Aufsichtsrat genügt, nicht einmal ein neues Gesetz wäre nötig. Dabei bringt die Reform keinerlei Vorteile. Die DB wird aufgespalten und abermals neue Posten geschaffen, obwohl die Managementkosten bereits jetzt erheblich sind.
"Heute leistet sich die Bahn 20.000 Manager"
Welche Kosten meinen Sie?
Carl Waßmuth: Kosten für Verwaltung und Management. Als wir vor 30 Jahren die Bahnreform bekommen haben, gab es 6.000 sogenannte Bahndirektoren, was als verschwenderisch angeprangert wurde. Heute leistet sich die Bahn 20.000 Manager.
Wenn jeder von ihnen 100.000 Euro Jahresgehalt bekommt, sind das bereits zwei Milliarden jährlich! Gleichzeitig wurden 190.000 Stellen eingespart in den Betriebsdiensten, in den Zügen, auf den Bahnhöfen und so weiter.
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Aber immerhin wird die neue Gesellschaft doch gemeinwohlorientiert sein!
Carl Waßmuth: Mich erinnert das an ein früheres Gesetz in Berlin, das vorsah, dass Glätte auf den Wegen im Winter "zu bekämpfen ist". Nicht beseitigen, sondern bekämpfen! Wenn man den Kampf verlor, dann war das eben so, auch wenn es Knochenbrüche gab.
Gemeinwohlorientierung ist so etwas ähnliches, das ist kein Rechtsbegriff, sondern schwammig und unverbindlich. Gemeinnützigkeit wäre ein Rechtsbegriff, das wäre möglich und wünschenswert, Gemeinwohl in Kombination mit "Orientierung" dagegen ist nur eine Nebelkerze.
Die Infrastrukturgesellschaft als bad bank
Eventuelle Gewinne durch die Netzentgelte sollen zweckgebunden in den Erhalt und den Ausbau der Infrastruktur zurückfließen, sagt die Bundesregierung. Wenigstens dagegen werden Sie hoffentlich nichts haben!
Carl Waßmuth: Auch Blendwerk! Die InfraGO wird keine Gewinne machen, im Gegenteil. Der Staat muss in den nächsten Jahren gewaltige Summen in die Infrastruktur stecken. Er soll die Verluste decken, die ins Haus stehen. Das Netz ist völlig marode, die DB AG hat es drei Jahrzehnte lang verfallen lassen.
Wir brauchen mindestens fünf bis 10 Milliarden Euro jährlich für Reparaturen. Hinzu kommen die Umbauvorhaben, um die Kapazitäten bereitzustellen, damit wir die Klimaziele im Verkehrsbereich nicht völlig verfehlen.
In Wirklichkeit wird eine bad bank geschaffen: eine staatliche Gesellschaft, in die Schulden und Kosten abgeschoben werden können, damit die Verkehrsgesellschaften, die diese Infrastruktur nutzen, hübsch aussehen und verkauft werden können.
Anders gesagt, in einen Teil der Bahn steckt der Staat Geld, damit Private mit dem anderen Teil Gewinne erwirtschaften können.
Salami-Taktik
Die DB-Konkurrenten sind mit der InfraGo aber auch nicht ganz zufrieden. Die privaten Eisenbahnverkehrsunternehmen und Tochtergesellschaften von staatlichen Bahngesellschaften anderer Länder wickeln mittlerweile knapp die Hälfte im Nahverkehr und Güterverkehr ab.
Sie kritisieren, dass der DB-Konzern weiterhin weisungsbefugt gegenüber der InfraGO sei, sofern der Aufsichtsrat zustimmt. Was ist von dieser Konstruktion zu halten?
Carl Waßmuth: Solche großen organisatorischen Umbauten werden selten in einem Schlag durchgeführt, das kommt scheibchenweise. Die erste Salamischeibe ist die Schaffung einer Gesellschaft mit neuem Namen, möglicherweise auch als GmbH, nicht als AG. Im nächsten Schritt könnte der staatliche Einfluss mit einem Handstreich gekappt werden.
Die jetzige Struktur der InfraGo, soweit sie bekannt ist, geht auf einen Kompromiss zurück, der der Zusammensetzung der Bundesregierung geschuldet ist: FDP und Grüne wollen die integrierte Bahn schneller auflösen und schneller privatisieren.
Die SPD bremst das etwas ab, denn sie ist enger mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG verbunden, die bei einer radikalen Aufspaltung des Konzerns um die Arbeitsplätze ihrer Mitglieder und um ihren Einfluss fürchtet.
Es gibt aber noch einen weiteren schwerwiegenden Grund, bei der Zerschlagung der Bahn langsam vorzugehen: Die DB AG hat etwa 35 Milliarden Schulden. Die Kondition des Schuldendienstes hängen vom Rating ihrer Bonität ab, sowohl im Fall des Mutterkonzerns als auch bei der neuen Tochter. Wenn das Rating in den Keller geht, werden die Zinsen teuer! Deswegen fährt die Regierung erst einmal vorsichtig.
"Weder Parlament noch die Bürger erfahren, wohin die Bahnreise gehen soll"
Sie erwarten, dass die Regierung einen "kreditfähigen Infrastrukturfonds" aufstellen wird, um Gelder am Finanzmarkt einzusammeln. Steht das schon fest?
Carl Waßmuth: Nein, wir wissen überhaupt ziemlich wenig. Im Koalitionsvertrag steht nichts Konkretes, es gibt nur Mitteilungen der sogenannten informierten Kreise. Die Intransparenz, mit der die Bundesregierung vorgeht, ist schwer zu ertragen. Weder Parlament noch die Bürger erfahren, wohin die Reise gehen soll, obwohl es um erhebliche Werte geht.
Laut Verkehr in Zahlen, einer Publikation, die das Bundesverkehrsministerium herausgibt, hat das Netz einen Bruttoanlagenwert von 247 Milliarden Euro. Wegen der jahrzehntelangen Vernachlässigung beträgt der Nettoanlagenwert nur noch 152 Milliarden Euro. Und jetzt wandern diese Milliardenwerte von der Bahn AG zur InfraGO ...
Also handelt es sich eher um einen Verdacht?
Carl Waßmuth: Wir kennen solche Konstruktion aus anderen Bereichen. Zum Beispiel die Autobahn GmbH, die sich über öffentlich-private Partnerschaften ebenfalls fremdfinanziert. Solche Konstruktionen haben unter anderem den Nachteil, dass die Zinskosten grundsätzlich höher sind als bei einer staatlichen Finanzierung.
Wie soll ein Fonds mit eigener Kreditermächtigung ein besseres Rating bekommen als die Bundesrepublik?
Carl Waßmuth: Solche Fonds dienen als Schattenhaushalte neben dem Bundeshaushalt. Die DB AG hat jahrelang etwa drei Prozent höhere Zinsen bezahlt als der Bund.
Diese neoliberale Konstruktion dient nur dazu, die sogenannte Schuldengrenze zu umgehen und hat irrwitzige Folgen.
Zum Beispiel in Großbritannien: Die Network Rail hat gewaltige Schulden und bezahlt seit zehn Jahren mehr für den Schuldendienst als für den Unterhalt des Schienennetzes! 2021 musste die Gesellschaft aufgrund finanzieller Schwierigkeiten sogar Personal entlassen.