Deutsche Firmen verschweigen CO2-Daten aus Angst vor Kritik

(Bild: Krzysztof Siwek / Shutterstock.com)
Jedes zweite deutsche Unternehmen ignoriert hohe Emissionen in der Lieferkette aus Sorge. Doch das Vermeiden der Auseinandersetzung ist keine Lösung.
"Augen zu und durch", scheint für die Hälfte der deutschen Unternehmen auch heute noch das Motto zu sein, wenn es um die CO2-Emissionen in der eigenen Lieferkette geht. Es ist ein gewaltiges Dilemma, dass fast jedes zweite deutsche Unternehmen aus Sorge vor öffentlicher Kritik und dem befürchteten Verlust von Kunden bislang noch nicht begonnen hat, sich mit dem vollen Ausmaß seiner durch Technologie erzeugten Emissionen auseinanderzusetzen.
Eine aktuelle Untersuchung von Wasabi Technologies zeigt, dass öffentliche Kritik mit 53 Prozent und der mögliche Verlust von Kunden mit 47 Prozent zu den größten Sorgen deutscher Unternehmen zählen, wenn es darum geht, die Emissionen ihrer Technologieumgebung zu analysieren und transparent zu machen.
Die Untersuchung, die den aktuellen Druck rund um die Offenlegung von Technologie-Emissionen beleuchtet, kommt zu diesem eher unerfreulichen Ergebnis. Wasabi befragte 400 Entscheidungsträger in Deutschland, um zu verstehen, wie Unternehmen mit der Nachhaltigkeit ihres Tech-Stacks umgehen.
So haben 45 Prozent der deutschen Unternehmen Angst davor, das volle Ausmaß der Emissionen ihres Tech-Stacks zu erfahren, da Emissionen zu hoch sein und so dem Unternehmen schaden könnten. Tech-Stack ist die Kurzform für ″Technology Stack″ oder ″Technologie-Stapel″. Er beschreibt bei einer Softwareentwicklung die Idee, alles aufzulisten, was für die Erstellung einer spezifischen Anwendung benötigt wurde. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um eine mobile Applikation, eine Web-Anwendung oder eine Desktop-App handelt.
Ungenaue Emissionsdaten hemmen Innovationen
Die mit der Produktion von Waren verbundenen Emissionen lassen sich in drei Scopes aufteilen. Unter Scope 1 versteht man die Emissionen von Anlagen, die das Unternehmen besitzt oder betreibt. Der Scope 2 betrifft die Emissionen aus zugekaufter Energie und unter Scope 3 werden alle Emissionen aus anderen Aktivitäten vor und nach der Produktion zusammengefasst, die notwendig sind, um ein Produkt zum Kunden zu bringen.
Eine ungesicherte Datenlage hinsichtlich der Scope-3-Emissionen hemmt die Entwicklung dringend benötigter Innovationen. Scope-3-Emissionen, das sind all jene Treibhausgasemissionen, die während der betrieblichen Abläufe aus Quellen stammen, die keinem Unternehmen direkt zuzuordnen sind oder von ihm kontrolliert werden können. Dazu zählen Lieferkette, Transport, Produktnutzungsphase sowie Entsorgung. Sie machen oft den größten Teil des CO2-Fußabdrucks eines Unternehmens aus, werden auch als Emissionen der Wertschöpfungskette bezeichnet und sind am schwierigsten zu messen und zu reduzieren.
Zu den Scope-3-Emissionen zählen auch die Emissionen, welche durch die technologische Infrastruktur entstehen, was sie zu einem entscheidenden Schwerpunkt für Nachhaltigkeitsanstrengungen macht. Unter den deutschen Unternehmen denken bislang allerdings nur 67 Prozent, dass sie sich ein akkurates Bild ihrer Tech-Stack-Emissionen machen können.
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Genau diese verbleibende Ungenauigkeit bei den Emissionsdaten halten knapp drei Viertel der deutschen Unternehmen für eine Innovationsbremse. Ungenaue Nachhaltigkeitsdaten verzögern Investitionen in neue Technologien, machen fundierte Entscheidungen über neue Software schwer oder führen sogar dazu, dass Lösungen und Anwendungen weniger genutzt werden, wenn ihre Emissionen nicht genau erfasst werden können. So berichtet mehr als ein Drittel der befragten deutschen Organisationen, dass Investitionen in neue Technologien aufgrund der ungenauen Umweltfolgen aufgeschoben werden.
Fehlendes Vertrauen in die Datenlage bei den Scope 3-Emissionen
Technologieanbieter stehen oftmals in der Kritik, keine genauen Daten zu liefern. Dass sich Unternehmen kein genaues Bild ihrer Emissionen der Kategorie 3 machen können, liegt hauptsächlich an Herausforderungen rund um ihre jeweiligen Technologieanbieter sowie fehlenden eigenen internen Ressourcen.
Mehr als ein Drittel der Unternehmen beklagt bei der Befragung in diesem Zusammenhang einen mangelnden Zugang zu den Emissionsdaten ihrer Technologieanbieter. 41 Prozent der Unternehmen haben kein volles Vertrauen in die Qualität und Genauigkeit der Daten, die sie von ihren Technologieanbietern erhalten. Hinzu kommt die interne Herausforderung, dass 42 Prozent nicht über genügend interne Ressourcen zur Ermittlung und Analyse der Daten verfügen, um sich ein genaues Bild machen zu können.
Technologieanbieter sollten daher die ökologischen Auswirkungen ihrer Aktivitäten genau offenlegen können, da sie sonst mit den Folgen rechnen müssen: Nach der Umfrage von Wasabi würde knapp jedes zweite deutsche Unternehmen davon absehen, Produkte und Lösungen von einem Technologieanbieter zu beziehen, der keine genaue Berichterstattung über die prozessbezogenen Emissionsdaten vorlegen kann.
Fortschritte im Bereich der Nachhaltigkeit noch nicht ausreichend
Zwar konnten in letzter Zeit viele Fortschritte im Bereich der Nachhaltigkeit festgestellt werden. So geben auch 87 Prozent der befragten Unternehmen an, dass sich die Genauigkeit ihrer eigenen Emissionsberichterstattung in den vergangenen fünf Jahren verbessert hat.
Nun stehen die einzelnen Unternehmen jedoch vor der Aufgabe auch ihre Zulieferer zur Verantwortung zu ziehen, denn Nachhaltigkeit über die gesamte Lieferkette ist einer der wichtigsten Faktoren bei der Auswahl eines Technikanbieters, der daher letztlich die volle Transparenz für seinen ökologischen Fußabdruck bereitstellen muss.