Deutsche, Israel und die mediale Gleichmacherei: Gefährliche Relativierung des Hamas-Terrors
Die Folgen des 7. Oktober 2023 für deutsch-israelische Beziehungen – ein Blick in Medien und den Abgrund des alltäglichen Deutschland. Kommentar.
Das Massaker dschihadistischer und islamistischer Milizen, angeführt von der Hamas, in Israel am 7. Oktober 2023 war ein Pogrom. Es war das quantitativ wie qualitativ größte Massaker an Juden in der Welt seit der systematischen Ermordung der europäischen Juden durch die Deutschen während des Zweiten Weltkriegs.
Das Massaker hatte eine neue Dimension, weil es nicht beim Morden blieb. Weil diesem Erniedrigung, Folter, Verstümmelung, Vergewaltigung vorausgingen und nachfolgten – auch hier bietet sich allein ein Vergleich an: Der mit den deutschen Einsatztruppen an der Ostfront 1941-1945 –, weil Überlebende entführt wurden, und weil – ein zentraler Aspekt – die Täter all diese Taten fotografierten und filmten und diese Bild- und Tondokumente in alle Welt verbreiteten.
Sie setzten Bild und Ton mit Absicht als Waffe ein. Sie wollten ein Signal in alle Welt schicken, wollten Juden wie Nichtjuden mitteilen: "Wir wollen das jüdische Volk mit größtmöglicher Brutalität ausrotten." Das ist die "genozidale Botschaft" (Dan Diner) der Täter.
Nicht länger Opfer sein
Seit dem 7. Oktober 2023 schlägt Israel zurück. Es übt dabei auch Rache an den Tätern, es übt Vergeltung – von einer Strafaktion sprach die israelische Regierung gerade erst bei ihren jüngsten Schlägen gegen die Hisbollah. Vor allem aber ist dieses Zurückschlagen der Versuch des Staates Israel und des jüdischen Volkes, als Akteur aufzutreten und nicht länger als Opfer.
Dies geschieht gegenüber Terrororganisationen, die diesem Staat und den Juden in aller Welt nach dem Leben trachten.
Versagen von Baerbocks Außenpolitik: Israel kann sich nicht auf Deutschland verlassen
Wir erleben ein großes Versagen der deutschen Außenpolitik, namentlich des von der Grünen Annalena Baerbock geleiteten Außenministeriums. Dieses Versagen liegt vor allem darin, den aus der Zeit von Angela Merkel stammenden Satz, die Existenz Israels sei "deutsche Staatsräson" nicht ernst zu nehmen und nicht mit Leben zu füllen. In der Praxis wird er vom deutschen Außenministerium oft genug konterkariert.
"Never again is now", rufen auch grüne Politiker in ihren Sonntagsreden gern. Aber Israel kann sich im entscheidenden Moment nicht auf Deutschland verlassen.
Aber selbst noch die symbolischen Gesten der Sonntagsreden stimmen nicht: So formulierte Baerbock gegenüber Israel und Bürgern fast schon relativierend: "Eure Sicherheit ist Teil unserer Staatsräson."
Lebenslügen der deutschen Gesellschaft
Gleichmacherei ist die größte Lebenslüge des Nahost-Konflikts: So zu tun, als gäbe es aus europäischer Perspektive so etwas wie eine weltanschauliche Neutralität, als gäbe es keine Unterschiede zwischen den arabisch-moslemischen Gesellschaften und Israel.
Viel zu wenig Menschen in den arabischen Communitys in Deutschland verdammen diese Verbrechen mit der nötigen Eindeutigkeit. Stattdessen wird überall relativiert und kontextualisiert, wird von "Vorgeschichten" geschwafelt.
Die unmittelbare Folge davon ist, dass sich jene Deutschen, auch aus linksliberalen Kreisen, die sich gerade in den großen Städten längst durch ein bestimmtes Auftreten muslimischer Migranten beunruhigt und bedroht fühlen, sich zunehmend den Extremisten von ganz rechts zuwenden.
Politische Offenbarungseide im öffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehen
Einen politischen Offenbarungseid leistete sich das öffentlich-rechtliche deutsche Fernsehen in den letzten Tagen mit seiner Berichterstattung "zum Jahrestag des 7. Oktober". Es ergoss sich eine Welle der Relativierung, deutsche Moderatoren, die sich ansonsten noch nie als Experten für Judentum, Israel oder den Nahost-Konflikt einen Namen gemacht haben, traten nun in ihrer liebsten Rolle auf: als Friedensstifter, als Brückenbauer, als Hoffnungsträger – und als Weltmeister im Hoffnungsgelaber.
Am 6. Oktober machte die ARD-Journalistin Jessy Wellmer keinen Hehl aus ihrer Solidarität mit den Arabern und ihrer Skepsis gegenüber Israel. "Der 7. Oktober ist bis heute eine Katastrophe für Israel", sagte zwar Botschafter Stefan Seibert zurecht. Jessy Wellmer verstand aber nur Bahnhof und stellte ihm die Gegenfrage: "Wie bringt man Israel dazu, zu verhandeln?"
Kennt sie nicht die von den Arabern zurückgewiesenen Zweistaatenlösungen? Man wüsste gern, warum Wellmer eigentlich nicht mal mit Arabern spricht und denen dann die Frage stellt: "Wie bringt man die Araber dazu, zu verhandeln?"
"Alter ey, an so einem Ort, und dann hörst Du die Explosionen"
Das ZDF verlor seinen politischen Anstand mit dem sowieso oft grenzwertigen Aspekte-Moderator Jo Schück. "Warum nicht einfach die Klappe halten", dachte man, als der auf den Ruinen des Nova-Festivals faselte: "Kann man sich kaum vorstellen, mehr als 350 Tote, beim Feiern... Alter ey, an so einem Ort, und dann hörst Du die Explosionen."
Unkritisch wird dann aus Meldungen der Hamas zitiert, von den "Fehler der Militärs" geredet und das Leiden der palästinensischen Künstler gezeigt. Einer malt Bilder und Schück kommentiert: "Das Guernica von Gaza – was für ein infamer Vergleich!" Schück aber merkt gar nicht, dass Guernica eine von deutschen Faschisten bombardierte Stadt war. Möchte er Israel damit gleichsetzen? Eine Israelin sei am 7. Oktober "ums Leben gekommen". Sie ist nicht "ums Leben gekommen", sondern sie ist ermordet worden.
Wo ist die palästinensische Opposition? Wo werden ihnen Fragen gestellt? Nicht gezeigt werden arabische Politiker, die den Staat Israel auslöschen wollen. Nicht gezeigt werden radikale Palästinenser, die keine schönen Bilder malen, sondern Bilder von den Frauen posten, die sie zuvor vergewaltigt haben.
Auch von der Frauenverachtung in arabischen Communitys und von der Scharia weiß das ZDF nichts?
Filmemacher und Festivals, die gecancelt werden
Das Massaker vom 7. Oktober 2023 hat natürlich vor allem Israel und Juden in aller Welt getroffen. Aber es hat in der Folge auch Deutschland getroffen und verändert. Es hat die deutsche Kultur verändert.
Man müsste an dieser Stelle eigentlich lang und breit über die Folgen des Massakers für Kultur und Wissenschaft in Deutschland sprechen: Über Filmemacher, die gecancelt werden, weil sie in Israel gedreht haben. Über Festivals, die nach Aufrufen für Solidarität mit Juden und Israel und gegen Antisemiten und Hamas-Freunde aller Communitys mit Boykottaufrufen und Unterschriftenlisten drangsaliert werden, über Journalisten, die man nach entsprechender Berichterstattung bedroht, über fehlende Aufrufe derjenigen, die sonst pro Woche drei Manifeste zeichnen.
Ausfälle gegen jüdische Studenten werden wieder nahezu täglich gemeldet, zur bizarren Folklore der Hauptstadt gehören nun auch die sogenannten "propalästinensischen" Demonstrationen. Dass es dann auch noch, wie am Abend der iranischen Angriffe, zu Jubel und "Widerstand" und "Allahu Akbar"-Rufen kommt, ist selbst für hiesige Verhältnisse unalltäglich.
Offener und latenter Antisemitismus der deutschen Kulturszene
Es ist weiterhin unklar, wie es eigentlich auf Dauer weitergehen kann – im Wissen um den latenten Antisemitismus breiter Teile der Kulturszene, um schockierenden Antijudaismus und Israel-Feindschaft in gar nicht so kleinen Kreisen unter den Machern und dem Publikum. Berlin ist ein Schwerpunkt davon, keine Frage.
Es gibt Antisemitismus auch in anderen Städten, aber es gibt in jeder anderen Stadt Deutschlands weniger Antisemitismus als dort. Ausgerechnet.
Jetzt ist der Berliner Kultursenator Joe Chialo zunächst bei der Eröffnung eines Kulturfestivals derart tätlich und verbal angegriffen worden, dass er nur unter Polizeischutz den Ort verlassen konnte. Es folgte ein Angriff auf sein Privathaus, das mit roter Farbe und unter anderem dem Slogan "Genocide Joe Chialo" besprüht wurde.
Verantwortlich gemacht werden Israelhasser und Antisemiten, die dem Senator seinen Einsatz für eine Antisemitismusklausel vorhalten.
Kränkungen der Linken
Zusammengefasst: Die Deutschen haben nach dem Massaker empathielos reagiert.
Noch schwerer aber wiegt für sie, dass Israel sich zur Wehr setzt und nicht bereit ist, sich zum Opfer machen zu lassen. Dass es sich den Illusionen der Weltgesellschaft verweigert, nach denen es für jeden Konflikt eine "Lösung" geben kann und man doch "über alles" reden muss. Muss man eben nicht.
Anmerkung der Redaktion: Die frühere Version des Textes enthielt einige Falschaussagen und einige Textstellen, die als gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit gelesen werden konnten. Deshalb musste der Text umgearbeitet werden.
So enthielt der frühere Text die Behauptung, deutsche Medien würden eine Täter-Opfer-Umkehr betreiben und Israel einen Genozid an Palästinensern vorwerfen. Diese Behauptung ist zu pauschal und hält der Überprüfung nicht stand. So berichtete etwa die Tagesschau im März über einen UN-Bericht, der Hinweise auf einen Völkermord seitens Israels sieht. Im Juni berichtete das ZDF, dass Vorwürfe des Völkermords lauter würden. Dagegen sprach der israelische Holocaust-Forscher Amos Goldberg im Jacobin-Magazin von Völkermord.
Unwahr ist auch, dass deutsche Medien behauptet hätten, die israelische Regierung habe eine Verhandlungslösung blockiert, während die Hamas verhandlungsbereit gewesen sei. Diese Behauptung kann nicht bestätigt werden. Vielmehr wurde berichtet, dass sich beide Seiten der Blockade bezichtigten und beide Seiten viele rote Linien gezogen hätten.
Im Text wurde behauptet, dass es seitens Deutschlands einen stillen Waffenboykott gegen Israel gebe und seit vergangenem Jahr keine Waffenexporte mehr erlaubt seien. Verantwortlich dafür sei das deutsche Außenministerium. Das Außenministerium ist aber gar nicht für die Genehmigung von Waffenexporten zuständig, sondern das Wirtschaftsministerium. Nach offiziellen Zahlen der Bundesregierung wurden von Januar bis August 2024 Rüstungsexporte im Wert von 14,5 Millionen Euro genehmigt. Zum Vergleich: Im Jahr 2023 wurden betrug ihr Umfang noch 326,5 Millionen Euro. Ein Regierungssprecher betonte im September auch: "Es gibt keinerlei deutschen Waffenexport-Boykott gegenüber Israel."
Der Autor suggerierte auch eine kulturelle Überlegenheit Israels und des Westens gegenüber arabisch-muslimischen Gesellschaften: Er fragt rhetorisch, warum man nicht zugeben wolle, dass die israelische Kultur "der Kultur der westeuropäisch geprägten Moderne wesentlich näher steht als die arabische".
Zudem wurde behauptet, dass "Gewaltbereitschaft und -verherrlichung, Demokratieverachtung, ebenso wie eine Frauenfeindschaft" in der muslimischen Community – auch in Deutschland – "systematisch seien. Das ist eine zu verallgemeinerte Aussage, die der Komplexität muslimischer Gemeinschaften in Deutschland und weltweit nicht gerecht wird.
Es gibt auch keinen empirischen Beleg dafür, dass die Verherrlichung der Terrorakte kein Thema der deutschen Mehrheitsgesellschaft gewesen sein. Es wurde allerdings öffentlich darüber diskutiert, dass sich Juden seitdem in Deutschland weniger sicher fühlen. Auch eine Zunahme von antisemitischen Straftaten wurde thematisiert. Seit dem 7. Oktober 2023 nahmen allerdings auch die antimuslimischen Vorfälle in Deutschland zu. Deshalb sah sich etwa das evangelische Sonntagsblatt dazu veranlasst, auf beide Arten der Vorfälle hinzuweisen.