Deutsche Medien und die Welt: 85 Prozent kommen kaum vor
- Deutsche Medien und die Welt: 85 Prozent kommen kaum vor
- Ignorierte und vernachlässigte Krisen und Katastrophen
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Die übergroße Anzahl der Menschen leben im Globalen Süden. Trotzdem spielt dieser Raum in Medien oft kaum eine Rolle. Eine Studie legt Missstände auf und liefert Fakten zu Leitmedien.
Nachrichten aus den Ländern des Globalen Südens fristen eine Randexistenz in der Berichterstattung der meisten sogenannten Leitmedien. Zu diesem Ergebnis gelangt die Langzeitstudie "Vergessene Welten und blinde Flecken", die ca. 5.500 Sendungen der Tagesschau aus den Jahren 2007 bis 2021 sowie andere in- und ausländische Medien ausgewertet hat.
Die Erkenntnisse sind ernüchternd: Der größte Teil des Globalen Südens spielt in der Berichterstattung fast gar keine Rolle. Im Jahr 2021 entfielen zum Beispiel lediglich etwa elf Prozent der Gesamtsendezeit der Tagesschau auf Berichte über die Länder des Globalen Südens, obwohl dort rund 85 Prozent der Weltbevölkerung lebt.
Die "Corona-Jahre" 2020/21
In der Pandemiezeit rückte der Globale Süden in den Nachrichten im Vergleich zu den Jahren zuvor noch weiter in den Hintergrund – und das, obwohl Länder wie Brasilien und Indien schwer betroffen waren.
2021 zum Beispiel beschäftigte sich die Tagesschau in mehr als drei Viertel ihrer Pandemie-Sendezeit mit der Situation in Deutschland und in etwa 18 Prozent mit dem zum Globalen Norden gehörenden Ausland, insbesondere den europäischen Staaten und den USA.
In lediglich etwa vier Prozent der Sendezeit über die Pandemie widmeten sich die Beiträge der Lage in den Ländern des Globalen Südens, hier vor allem in China.
Das "Jahr der Zeitenwende" 2022
Das Jahr 2022 war – wie schon die beiden vorhergehenden "Corona-Jahre" – in der öffentlichen Wahrnehmung außergewöhnlich: Der Ukraine-Krieg und die damit verbundenen Folgen etwa im Energiebereich überschatteten alle anderen Themen in den Nachrichten. So bilanzierte etwa spiegel.de in einem Artikel vom 30. Dezember über die eigene Berichterstattung: "Generell dominierte Russlands Krieg gegen die Ukraine das Nachrichtengeschehen wie kein anderes Thema."
Der von Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Rede am 27. Februar vor dem Deutschen Bundestag verwendete Begriff der "Zeitenwende" wurde im Dezember von der Gesellschaft für Deutsche Sprache (GfdS) zum Wort des Jahres erklärt und auch von vielen Medien aufgegriffen.
Dabei wechselte der Fokus der medialen Aufmerksamkeit rasch von den eigentlichen militärischen Ereignissen in der Ukraine zu den Auswirkungen des Krieges auf Westeuropa respektive Deutschland. Die steigende Inflation und insbesondere die Energiekrise infolge des Rückgangs der Gaslieferungen aus Russland rückten in der zweiten Jahreshälfte in das Zentrum der Wahrnehmung.
So standen am Ende des Jahres auch die Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten am 25. Dezember und die Neujahrsansprache des Bundeskanzlers am 31. Dezember ganz unter den Schlagworten "Ukraine-Krieg und seine Auswirkungen".
Was inmitten dieser Entwicklungen allerdings weitgehend vergessen wurde, ist, dass der Krieg auch auf Regionen außerhalb des Globalen Nordens Auswirkungen hatte und dass sich im Globalen Süden zahlreiche Krisen und Katastrophen ereigneten, die in der öffentlichen Wahrnehmung im sogenannten Westen fast unbemerkt blieben.
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