Deutsche Wasserstoffstrategie: Champagner für die Energiewende
Energie und Klima – kompakt: Mit der Nationalen Wasserstoffstrategie will die Ampel die Versorgung sichern. Die Pläne stimmen aber nicht mit dem Bedarf überein. Warum der Fokus auf blauen Wasserstoff problematisch ist.
Die Energieökonomin Claudia Kemfert bezeichnete Wasserstoff einmal als "Champagner der Energiewende". Damit zum Ausdruck bringen wollte sie, dass der Brennstoff knapp und teuer ist, letzteres, da seine Herstellung im Vergleich etwa zur direkten Nutzung erneuerbaren Stroms ineffizient ist. Aber nur mit Wasserstoff kann die Dekarbonisierung einiger Wirtschaftsbereiche gelingen. Viele jedoch kämen auch ohne Wasserstoff aus.
Die Bundesregierung wünscht sich mehr Champagner. In der Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie, die das Bundeskabinett in der vergangenen Woche verabschiedet hat, wird von einem Grundwasserstoffbedarf von 95 bis 130 TWh im Jahr 2030 ausgegangen. Und danach wird der Bedarf an Wasserstoff und Wasserstoffderivaten weiter steil ansteigen, so die Prognose aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK).
Dafür verdoppelt die Bundesregierung das Ziel für grüne Elektrolysekapazitäten von derzeit fünf Gigawatt (GW) auf mindestens zehn GW im Jahr 2030. Wird dieses Ziel durch den gleichzeitigen Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung erreicht, so könnte Deutschland damit immer noch nur einen Bruchteil seines Bedarfs decken. Die Bundesregierung geht davon aus, dass 50 bis 70 Prozent des benötigten Wasserstoffs bzw. der Wasserstoffderivate importiert werden müssen.
Neben dem Fokus auf die heimische Produktion von Wasserstoff wird die NWS daher um eine Importstrategie für Wasserstoff und Wasserstoffderivate (im Folgenden: Importstrategie) und damit um eine wichtige außenpolitische, -wirtschaftliche und entwicklungspolitische Dimension ergänzt, welche einen Beitrag zur globalen Energiewende leistet,
… heißt es in dem letzte Woche veröffentlichten Papier.
Ziel der Importstrategie solle es sein, "breit diversifizierte Importkanäle zu erschließen und neue Abhängigkeiten zu vermeiden". Über Pipelines und auch per Schiff könnte Wasserstoff aus EU-Ländern wie auch im Rahmen bilateraler Partnerschaften aus außereuropäischen Ländern eingeführt werden.
Die Schiffsimporte könnten über die neu zu errichtenden LNG-Terminals erfolgen, die für Wasserstoff und -derivate umrüstbar sein sollten. Allerdings ist auch von neuen Wasserstoffimportterminals die Rede, und hier lässt ein Satz aufhorchen:
Ein Wasserstoffbeschleunigungsgesetz wird erarbeitet. Dafür werden u. a. Maßnahmen zur Beschleunigung des Ausbaus von Wasserstoffimportterminals geprüft.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) könnte also beabsichtigen, ähnlich wie bei der Gasinfrastruktur, Umweltverträglichkeitsprüfungen und Beteiligungsprozesse einzuschränken. Zur Infrastruktur gehört auch der Aufbau eines Wasserstoffleitungsnetzes bzw. die Umrüstung bestehender Leitung. Bis 2027/28 sind hier in Deutschland 1.800 km und europaweit 4.500 km angepeilt.
Wasserstoff-Importe: Nachhaltigkeit und Fairness auf der Kippe
Bei Importen aus außereuropäischen Ländern sollen Nachhaltigkeitskriterien im Sinne der Nachhaltigen Entwicklungsziele der Agenda 2030 Beachtung finden. Zur Einhaltung von Umweltstandards gehöre es etwa, Wasserknappheit und Verschmutzung zu vermeiden.
Gerade der Wasserverbrauch für die Herstellung des Brennstoffs könnte in sonnenreichen Ländern einen kritischen Punkt darstellen. Wie auf Telepolis berichtet, wurde beispielsweise im März eine Wasserstoffpilotanlage auf der spanischen Insel Mallorca errichtet, die 300 Tonnen grünen Wasserstoff pro Jahr erzeugen soll, womit unter anderem Busse auf der Insel betrieben werden.
Allerdings leidet die Insel ohnehin schon unter Wasserknappheit und für jedes Kilogramm Wasserstoff werden 20 Liter Wasser benötigt. Das schafft neue Konkurrenz um das knappe Gut.
Verwendet man entsalztes Meerwasser, verschlechtert sich die Energiebilanz des Wasserstoffs weiter. Problematisch ist es auch, wenn die Salzlauge aus Entsalzungsanlagen zurück ins Meer geleitet wird.
Die Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien ist bislang jedoch nichts als eine unverbindliche Absichtserklärung. Dazu heißt es:
Die Bundesregierung wird sich (…) aktiv bei der Entwicklung von Zertifizierungssystemen und Herkunftsnachweisen unter Beachtung hoher Umwelt- und Nachhaltigkeitskriterien wie der Vermeidung von Wassermangel und Nutzungskonkurrenzen, Verschmutzung und Flächenkonkurrenz sowie dem Schutz von Menschenrechten in Lieferketten einbringen.
Nur, Einbringen muss am Ende nicht Durchsetzen heißen.
Bereits in der Vergangenheit wurde etwa von Corporate Europe Observatory (CEO) kritisiert, dass Wasserstoffprojekte im Globalen Süden kolonialen Mustern folgen würden und die Interessen lokaler Gemeinschaften nicht berücksichtigt würden, es sogar im Zusammenhang der Wasserstoffproduktion für den Export schon zu schweren Menschenrechtsverletzungen kam.
Die Bundesregierung vermisst bislang außerdem international gültige Vorgaben für blauen Wasserstoff. Dieser blaue Wasserstoff wird aus fossilen Brennstoffen gewonnen, nur das bei der Produktion entstehende Kohlendioxid soll abgeschieden und eingelagert werden. Hier fehle ein Schwellenwert für Treibhausgasemissionen – denn komplett klimaneutral ist blauer Wasserstoff nicht zu haben – und Kriterien für den Umgang mit dem abgeschiedenen CO2.
Dass überhaupt blauer Wasserstoff Eingang in die Wasserstoffstrategie gefunden hat, kritisieren Umweltorganisationen wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) oder der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).
Mit der Neufassung hätte die Bundesregierung deutliche Richtlinien vorgeben müssen, allein auf grünen Wasserstoff als saubere, grüne Technologieoption umzustellen. Stattdessen werden nun Investitionen und sogar Fördergelder in blauen Wasserstoff aus fossilen Quellen gelenkt, die für die Investition in grünen Wasserstoff fehlen!
... erklärte DUH-Geschäftsführer Sascha Müller-Kraenner.