Deutscher Pass nach fünf Jahren – "entwertet" das die Staatsangehörigkeit?

Was einen Deutschen ausmacht, ist im Bundestag umstritten. Symbolbild: kalhh / Pixabay Licence

Bundestag berät über Modernisierung. Unionsparteien und AfD stemmen sich dagegen. Die Linke begrüßt den Entwurf – mit einer entscheidenden Einschränkung.

Deutscher werden nach fünf Jahren Aufenthalt, statt wie bisher nach acht Jahren – und bei "besonderen Integrationsleistungen" sogar nach drei Jahren? – Mit diesem Vorhaben der Ampel-Koalition können sich nicht alle Parteien im Bundestag anfreunden.

Das Parlament hat am Donnerstag erstmals über den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts beraten. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) warb dafür zu Beginn der Debatte mit den Worten: "Wir brauchen das Gesetz, weil es unserem Land nutzt."

Es mache Deutschland stärker, moderner und international wettbewerbsfähiger. Nach dem schon beschlossenen Fachkräfteeinwanderungsgesetz werde nun der nächste nötige Schritt hin zu einer modernen Einwanderungspolitik gegangen.

Gerade bei Hochqualifizierten könnten mit einer unkomplizierten Einbürgerung Punkte gemacht werden. So täten es auch Einwanderungsländer wie Kanada und die USA. "Den Wohlstand von morgen schaffen wir nicht mit den Regeln von gestern", sagte Faeser.

Für die Einbürgerung werde jedoch ein Bekenntnis zur demokratischen Grundordnung "ohne Wenn und Aber" gefordert. "Wer sich antisemitisch betätigt, darf kein Deutscher werden", betonte Faeser. Dieses Stoppschild sei schon lange vor dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober im Gesetzentwurf verankert worden. Es gelte auch für alle, die Israel das Existenzrecht absprechen.

Unionsparteien sehen Staatsangehörigkeit "entwertet"

Die Unionsparteien ließen allerdings kein gutes Haar an dem Gesetzentwurf und kritisierten vor allem die verkürzten Fristen für die Einbürgerung.

Von einem "Staatsangehörigkeitsentwertungsgesetz" sprach Alexander Throm (CDU/CSU). "Daran ist auch nichts modern", fügte er hinzu. Es sei denn, man bezeichne den Verzicht auf eigene innerstaatliche Interessen als modern. "Solche Gesetzentwürfe spalten unser Land", sagte Throm.

Auch sei die Einbürgerung nicht das Thema Nummer eins bei den hochqualifizierten Zuwanderern. Bei einer OEDC-Studie tauche das Thema im Ranking noch nicht einmal auf.

Bei den bisherigen Fristen handle sich nicht um Warte-, sondern um Prüffristen, ob die Integration tatsächlich nachhaltig gelungen sei. Eine Einbürgerung innerhalb von fünf oder unter bestimmten Voraussetzungen sogar nur drei Jahren sei dafür zu kurz bemessen.

Auf Ablehnung stößt bei der Union auch die geplante Akzeptanz einer Mehrstaatlichkeit bei der Einbürgerung. Das sei generell falsch, befand Throm. Wenn Faeser nun aber ausgerechnet Frankreich und Holland als Beispiele anführe, müsse deutlich gesagt werden, "dass diese Länder ganz gewiss keine Beispiele für gelungene Integration sind".

Grüne: Deutschland ist ein Einwanderungsland

Die Grünen-Abgeordnete Filiz Polat sprach dagegen von Versäumnissen bei der Anerkennung der Lebensleistung von Migrantinnen und Migranten, wenn diese teils erst nach mehr als 20 Jahren eingebürgert würden. "Das wollen wir besser machen", kündigte sie an.

Mehr als elf Millionen Menschen lebten momentan in ohne die deutsche Staatsangehörigkeit in Deutschland – davon 1,7 Millionen, "obwohl sie hier geboren sind". Dieses starke Ungleichgewicht zwischen der Bevölkerung, die hier lebt und derjenigen, die hier wählen darf, erzeuge Gefühle der Ausgrenzung und sei demokratietheoretisch bedenklich.

Deutschland sei ein Einwanderungsland, dessen offene Gesellschaft "seine Einheit nur in Vielfalt gestalten kann", so Polat. Dennoch liege die Einbürgerungsquote im EU-Vergleich weit hinten.

AfD: Verschleuderung der Staatsangehörigkeit

Der AfD-Abgeordnete Gottfried Curio warnte dagegen vor einer "Verschleuderung" der Staatsangehörigkeit. Die Regierung wolle durch deutlich abgeschwächte Bedingungen mehr Ausländer einbürgern. Das Gesetz gebe das klare Signal: "Niemand muss sich mehr integrieren." Das illegale Eindringen nach Deutschland über ungesicherte Grenzen werde mit einer "hinterhergeworfenen Staatsbürgerschaft" noch attraktiver, so Curio.

FDP: Abschied von jahrelangen Illusionen

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sieht in dem Gesetzentwurf eine Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts "im Lichte unserer Interessen". Mit ihm trenne man sich von jahrelangen Illusionen. Eine davon sei der Glaube, ohne Einwanderungen in den Arbeitsmarkt auskommen zu können.

Fakt sei aber, dass Menschen gebraucht würden, "die nach Deutschland kommen, um hier von ihrer eigenen Arbeit zu leben und Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen".

Eine weitere Illusion sei, dass jeder Mensch, der nach Deutschland kommt, "willens und in der Lage ist, den Unterhalt für sich und seine Familie durch eigene Arbeit zu bestreiten". Zu viele lebten derzeit von Transfereinkommen, sagte Buschmann.

Linke für langfristige Perspektiven

Die Oppositionspolitikerin Gökay Akbulut (Die Linke) begrüßte den Gesetzentwurf mit einer Einschränkung. Derzeit lebten fast zwölf Millionen Menschen in Deutschland, die nicht Staatsbürger seien und von politischer Teilhabe ausgeschlossen seien. Daher sei das Gesetz richtig. Erst die Staatsbürgerschaft eröffne den Menschen eine langfristige Perspektive für ihr Leben in Deutschland, sagte Akbulut.

Nicht einverstanden sei sie jedoch mit der geplanten Verschärfung bei der Sicherung des Lebensunterhalts. Einkommensverhältnisse dürften kein Kriterium dafür sein, wer den deutschen Pass bekommt.

SPD: Lebensrealitäten anerkennen

Der SPD-Politiker Dirk Wiese betonte, das Gesetz ermögliche Menschen, die schon lange in Deutschland lebten, das "finale Heimischwerden", ohne ihre Wurzeln abbrechen zu müssen. Damit würden Lebensrealitäten anerkannt.

Es werde anerkannt, wenn sich die Menschen hier besonders einbringen, sie besondere berufliche Leistungen erbringen und sich ehrenamtlich engagieren. "Das setzen wir für eine schnellere Einbürgerung voraus", sagte Wiese. Im Fall von Täuschungen sei die Einbürgerung rückwirkend zehn Jahre widerrufbar.

"Ordnung und Kontrolle"

Die FDP betonte noch einen anderen Aspekt: Das Gesetz sei ein Beitrag zu Ordnung und Kontrolle bei der Migration, sagte Buschmanns Parteifreund Konstantin Kuhle. Mit Blick auf antisemitische Demonstrationen in Deutschland betonte er, dass solche Äußerungen und Handlungen künftig einer Einbürgerung entgegenstünden. In der Vergangenheit sei mit dem geltenden Recht nicht genau genug hingeschaut worden. "Das wollen wird ändern", sagte Kuhle.

Weitere Hinderungsgründe Ausgeschlossen sein soll eine Einbürgerung auch im Fall einer Mehrehe oder wenn jemand durch sein Verhalten zeigt, dass er die im Grundgesetz festgelegte Gleichberechtigung von Mann und Frau missachtet. Bei der Sicherheitsabfrage ist eine Erweiterung des Kreises der zu beteiligenden Sicherheitsbehörden vorgesehen.

Stellungnahme des Bundesrates

Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf eine Reihe von Änderungsvorschlägen unterbreitet: Er plädiert unter anderem für eine ausdrückliche Klarstellung, dass auch "geschlechtsspezifische oder gegen die sexuelle Orientierung gerichtete" Handlungen mit der Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes unvereinbar sind.

Dem stimmte die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung zu und empfiehlt, diese Unvereinbarkeit für "antisemitisch, rassistisch, gegen das Geschlecht oder die sexuelle Orientierung gerichtete oder sonstige menschenverachtend motivierte Handlungen" festzuschreiben.

Nach der Aussprache im Bundestag wurde die Vorlage zunächst zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Inneres und Heimat überwiesen.