Deutscher Stromhandel verärgert norwegische Verbraucher

Europakarte mit den Unterssestromkabeln von Deutschland nach Schweden und Norwegen

Deutsche Dunkelflauten treiben die Strompreise in Norwegen auf Rekordhöhe. Fast alle Haushalte dort nutzen flexible Tarife. Was die Norweger besonders wütend macht.

Die meisten Privathaushalte in Deutschland haben mit ihrem Stromanbieter einen Stromliefervertrag, der entweder auf zwölf oder 24 Monate die Preise festschreibt oder als Grundversorgung der jeweiligen Strompreisentwicklung angepasst werden kann.

Seit diesem Jahr müssen die Stromhändler auch flexible Tarife anbieten, die an den Börsenpreis gekoppelt sind. Damit geht das Preisrisiko vordergründig auf den Endverbraucher über. Da der Kunde jedoch seinen Stromverbrauch aktiv an die Preisentwicklung anpassen kann, geht das Risiko letztlich auf den jeweiligen Netzbetreiber über, der seine Strombeschaffung regional an die jeweilige Nachfrage anpassen muss.

In Norwegen haben die deutschen Dunkelflauten für Irritationen gesorgt

Als zwei Dunkelflauten Ende 2024 über Deutschland hereinbrachen, explodierten die Preise an den Strombörsen. Das machte norwegische Verbraucher wütend, denn sie erleben die höchsten Strompreise seit Jahren.

Das hat zwei Ursachen: In Norwegen sind beispielsweise bereits neun von zehn Haushalten mit Smart Metern ausgestattet, die Strom zum aktuellen Börsenpreis berechnen. Somit treffen die explodierenden Börsenstrompreise fast alle Norweger.

Als die Dunkelflauten über Deutschland hereinbrachen, wurde zeitweise kaum Strom aus Windkraft erzeugt. Um den Bedarf zu decken, fuhren Energieversorger Kohle- und Gaskraftwerke hoch und kauften über die Seeleitungen den norwegischen und schwedischen Strom an. In Deutschland stiegen die Börsenstrompreise dadurch auf bis zu 936 Euro je Megawattstunde, also 93 Cent je Kilowattstunde. Das traf hierzulande in der Hauptsache die industriellen Sondervertragskunden, die schon flexible Preise nutzten.

Im Normalfall profitieren die Kunden in Norwegen jedoch auch vom billigen Strom aus Erneuerbaren in Norddeutschland, wenn der dortige Windkraftstrom aufgrund fehlender Leitungen nach Süddeutschland nicht innerhalb Deutschlands verbraucht werden kann und als Überschussstrom preiswert ins Ausland verkauft wird.

Da ist normalerweise der Vorteil der Stromkunden in Norwegen und Schweden, denn beide Länder haben Stromleitungen nach Deutschland. Das Seekabel, das Deutschland mit Norwegen verbindet, heißt Nord-Link. Baltic Cable heißt die Verbindung zwischen Deutschland und Schweden.

Diese Stromleitungen koppeln die unterschiedlichen Stromnetze miteinander und erlauben den Stromhandel über die Staatsgrenzen hinweg. Bläst beispielsweise an der schwedischen Küste so viel Wind, dass die schwedischen Windräder überschüssigen Strom erzeugen, kann sich Deutschland günstig bedienen und umgekehrt kann Überschussstrom aus deutschen Windkraftanlagen nach Norden geliefert werden.

Die skandinavischen Länder sind bei der Energiewende weiter

Nicht nur beim Einsatz von Smart Metern, welche den privaten Endkunden eine aktive Teilnahme am Markt ermöglichen, sondern auch bei der regionalen Strukturierung in mehrere Preiszonen, wobei Regionen mit viel erneuerbarer Energie mit besonders günstigen Strompreisen belohnt werden und Regionen mit weniger Erneuerbaren höhere Preise für den Leitungstransport bezahlen müssen.

In Deutschland wehrt sich in der Hauptsache die bayerische Staatsregierung unter Markus Söder gegen eine Aufteilung des deutschen Marktes, weil sie dann ihren Wählern erklären müsste, warum der Strom in Bayern für sie teurer wird als für die Einwohner im Norden und Nordosten Deutschlands, die bislang auch die Anbindung der lokalen Windkraftanlagen an das Stromnetz bezahlen mussten.

Die Entscheidung über die Aufteilung Deutschlands in mindestens zwei Strompreiszonen wird wohl nicht in Berlin, sondern in Brüssel gefällt werden, weil die Energiewende hin zur CO2-reduzierten Stromerzeugung ein besonderes Anliegen der zu einer Kreislaufwirtschaft strebenden EU-Verwaltung ist.

Der Klimawandel kann auch die norwegische Wasserkraft beeinträchtigen

In Norwegen sind die flexiblen Stromtarife jedoch nur bedingt an den Börsenpreis gekoppelt. Die norwegische Regierung hat die Preise nämlich bei sieben Cent je Kilowattstunde gedeckelt. Alles, was darüber liegt, wird zu 90 Prozent bezuschusst. Auf die Endkunden schlagen die Börsenstrompreise dadurch nicht direkt zu, sondern nur auf den Steuerzahler.

In Schweden drohte man damit, den Bau einer zweiten Seeleitung durch die Ostsee zu stoppen, wenn Deutschland sich nicht ans nordische Modell anpasst und für Norddeutschland eine eigene Preiszone einführt, um die Preise im Zaum zu halten.

Eine Abkopplung der skandinavischen Strommärkte von Mitteleuropa würde den Verkauf des dortigen Überschussstroms verhindern. So erzeugt Norwegen das ganze Jahr über mehr erneuerbaren Strom, als im Land verbraucht wird. Es wäre verschenktes Geld, diesen überschüssigen Strom nicht nach Deutschland oder Großbritannien zu verkaufen und mit den Einnahmen die heimischen Strompreise zu subventionieren.

Die Strommengen, die international gehandelt werden können, sind im Falle der Seeleitung von Norwegen nach Deutschland, die eine Kapazität von nur 1,4 Gigawatt hat, durchaus begrenzt.

Faktisch sind es etwa fünf Prozent der Leistung, die Norwegen täglich aus Wasserkraft und Wind erzeugt. Diese Leistung fließt maximal nach Deutschland, egal ob Dunkelflaute oder nicht. Im Saldo hat Deutschland 2024 5,8 TWh oder drei Prozent der norwegischen Erzeugung importiert.

Im Falle der norwegischen Proteste gegen den Stromhandel mit Deutschland könnte eine Trennung der Strommärkte nicht nur den Export des Überschussstroms verhindern, sondern auch den Stromimport aus Deutschland, der für Norwegen notwendig werden könnte, wenn die Wasserstände der norwegischen Stauseen im Sommer aufgrund des Klimawandels sinken und die Wasserkraftwerke dann möglicherweise nicht mehr in der Lage sind, 99 Prozent des norwegischen Stroms zu erzeugen.