Deutschländer sind keine polacos!

Bild: Joshua Woroniecki auf Pixabay

Über dieses sonderbare Völkchen gibt es einiges zu erzählen.

Ein Freund von mir gab mir den Tipp, Telepolis meine artikel anzubieten. Telepolis? Is das ein TV-kanal für polizisten, in dem es zum Beispiel eine Morgensendung gibt mit dem Titel "Wie füll ich einen Strafzettel aus?". Spass beiseite, ich kontaktierte sie und sie boten mir an, artikel über meine Begegnungen mit Deutschland und den Deutschen zu schreiben. Ja, dachte ich mir, warum nich? Über dieses sonderbare Völkchen gibt es ja einiges zu erzählen.

Katarinisch

Ich werde mit meinen ersten Erfahrungen mit Deutschen anfangen, das war lange her und sehr weit von hier. Und zwar dort wo die affen toben und die Tapire tanzen, in Brasilien. Deshalb wird auch die Sprache immer etwas katarinischer.

Katarinisch is wie die bösen Zungen in Brasilien das Deutsche in Brasilien nennen, es heisst so weil der Bundesstat Santa Catarina proportional die meisten Deutschstämmigen hat, ungefähr die Hälfte der Population.

Katarinisch is ein simplifiziertes Deutsch, stark mit portugiesischen Wörtern gespickt, und oft is die Mischung mit Dialekten, vor allem Schwäbisch, Mosel-, Rheinfränkisch vom Südwesten und Pommernplatt vom Nordosten. Für Hunsrückisch gibt es sogar eine brasilianische Orthografie, das wollen wir aba keinem Leser in Deutschland zumuten. Trotzdem, ein bisschen Dialekt bringen wir schon, natürlich im progressiven Modus, damit sich der Leser langsam dran gewöhnen kann.

Wenn er in Litauen geblieben wär

Er kam, kam und ging. Lange Zeit blieb sie an der Türschwelle stehen, die augen dorthin gerichtet, wo die Straße a Kurva macht und ins litauische Hinterland verschwindet. 9 Monate später erkannte sie, dass er etwas bei ihr gelassen hatte. Der Junge wurde zum Mann und zeugte unter anderem meinen Uropa.

Der wurde bekehrt, vorher war er Katholik, danach gläubiger baptist. Das hat mein Leben ziemlich verändert - mein Uropa wäre sonst nie auf den Gedanken gekommen, in em Städtchen mit quadratischen Gärten und gothischer Kirche im Süden Brasiliens a Stelle als Pastor anzunehmen. Wenn er in Litauen geblieben wär, wär ich ein Litauer und würde auf die Russen schimpfen. In Brasilien kann man das auch tun, aber es nützt nicht viel.

Der Uropa erzeugte unter anderem mein Opa, der auch gröszer wurde und heiratete. Meine Oma war wie mein Opa a bisschen langsam, was vielleicht daran lag, dass ich die beiden erst kennenlernte, als sie shon 80 waren. Die Oma hatte a brasilianishe Identitatscarta, war aba Enkelin von Deutshen - us Lodz, wohlbemerkt. Sie konnte bestenfalls dankeshön uf brasilianish sagen. Ihr Mädchenname war Schmidtke, a sehr popularer Indianername. Da meine Groszeltern streng religiös waren, wurde uf dem buernhof weder gesoffen noch geraucht. Angebaut wurde hauptsachlich Tabak.

Von Deutschland nach Polen

Die Familie zieht von Deutshland naach Polen, die sprechen äber weider deutsh un nennen sich deutshe, dann ziehen sie naach Brasilien un behaupten immer noch dass sie deutshe sin, un shwätzen entsprechend. Ja, un dieses Volk beshwert sich jetz, dass sich andere Völker in Deutshland nicht integrieren können.

Von der Mudderseid waren die Vorfahren Russen, kaum einer von ihnen hat einen natürlichen dod gehat. Ausserdeem waren vile in der Familie meiner Mutter Russland-deutshe. So is meine Verwantshaft nicht wirklich deutsh, hat aba vil mid der deutshen Kultur ze dun gehat. Und in Südbrasilien war alles noch vil deutsher - keiner hat uf der strasz Russish odder Litauish geredet, es hat einfach nicht genug davon gegeben.

Aber deutshe gab es je-de men-ge. In der Stadd von meinem Vater war alles sehr deutsh, in der Stadd von meiner Mudder hat es vor allem Polen un Italiener gegeben, aber im Vorort, wo sie gewohnt hat, war die Mehrheit deutshstemmig. Italiener gab es noch vil mehr - die määsten Italienishstemmigen ausser Italien leben in Brasilien. Sie haben ihr Italienish immer mehr aportugisirt, bis nur noch ein par italienishe Werter übrig bliben, die sich dann teilweise auch in der portugisishen Sprache etablirt haben.

So kannte ich als Kind nich nur brasilianishe Merchen und Musik, sondern auch Max und Moritz, Peter Alexander und deutshe Weihnachtslider. Die deutshstemmigen brasilianer sehn 'brasilianer' als Substantiv, und 'deutshe' als adjektiv: das is eine Sorte brasilianer. Die deutshen brasilianer. Oder einfach die deutshen. Werend die deutshen aus Deutshland die deutshländer sind.

Deutsche in Brasilien

Vile Leud glauben, deutshe en Brasilien send gflüchtete Nazis. Natürlich hat es die auch gegeben, aber deutshe waren schon Jahrhunderte vor den Nazis in Brasilien, der erste kam schon mit den ersten portugisishen caravelas.

Nach den USA war Brasilien das wichtigste einwanderungsland für die deutshen. Naach em 2. Weltkrig is shon wider a grosze Well deutshe kommen, meist Wirtschaftsflüchtlinge. Dass vile Nazis dabei waren, liegt auf der Hand - vile deutshe waren Nazis, wenigstens so lang Deutshland noch nich verloren hatte.

So het een (man) ein spaldenes bild von den deutshen in Brasilien: auf der einen Seite dei deutshstammigen in Brasilien, sie werden alemães batata nannt, Kartoffeldeutshe. "Polacos" get auch. In iren Städten sit es sauberer aus, der Wolstand is greszer und ansonsten sind sie ganz normale, feuchtfreliche Nachbarn. Sie feiern dauernd ire Kirmessen, und das zweitgreszte Oktoberfest der Welt is in Blumenau, Brasilien.

Uf der andren Sid hebben dei brasilianer vele americanishe Krigsfilme seen, un wenn sie an deutshe in der Weld denken, dann sind sie blond, dick, blauäugig, kald un grusam. Ir Liblingswort is VERBOTEN!, und sie schrein gern EINS, ZWEI, DREI, ACHTUNG! Dabei schrein dei brasilianer vil lauter und efter als dei deutshen, in Deutshland würde man sofort dei Polizei wegen Ruhesterung rufen. In Brasilien kann man auch dei Polizei rufen, aber bis die kommt, is der Schreier schon schlafen gegangen. Ich heb shon immer dei bilder von den filmen misstrut, aber nich ganz - wo so vil Rauch is, muss auch irgendwo feuer sein...

De americaner han inzwishen andre fäinde fir ire filme gefunden, wi Russen un araber, un so shwecheln de clischees iber de deetshen. Aber nich alle: sie sind vileicht nich mer so grausam, aber immer noch kalt und perfeccionista.

Ja, das sind sie: meine Telefonleitung ging nich mer, ich wollte die Telekom anrufen aber da war schon ein Schreiben im briefkasten: "Wir müssen Ihren Anschluss sperren, weil wir keine Adresse von Ihnen haben".

Das shikt de Deetshe Telekom. An mein adress.