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Deutschland, Frankreich, Italien: AstraZeneca-Impfung ausgesetzt

Thomas Pany

Corona: Spahn spricht von einer Entscheidung aufgrund der Empfehlung des Paul-Ehrlich-Instituts wegen FĂ€llen von Thrombosen der Hirnvenen.

Die Corona-Impfkampagne in Deutschland hat einen neuen RĂŒckschlag. Etwa 1,4 Millionen Dosen des Impfstoffes AstraZeneca [1] bleiben erstmal im KĂŒhlschrank: Die Bundesregierung hat heute die Impfungen, sowohl Erst- wie Folgeimpfungen, mit dem Vektorimpfstoff des britisch-schwedischen Pharmakonzerns aufgrund einer Empfehlung des Paul-Ehrlich-Instituts "vorsorglich" ausgesetzt.

"Wir setzen aus, um zu ĂŒberprĂŒfen. Das Ergebnis der ÜberprĂŒfung ist offen", erklĂ€rte Gesundheitsminister Jens Spahn heute Nachmittag die "Vorsichtsmaßnahme" [2]:

"Hintergrund sind neu gemeldete FĂ€lle von Thrombosen der Hirnvenen, die im zeitlichen Zusammenhang mit einer AstraZeneca-Impfung stehen."

Bei der anschließenden Beantwortung der Fragen von Journalisten prĂ€zisierte Spahn, dass es um sieben berichtete FĂ€lle gehe, "die im Zusammenhang mit einer solchen Hirnvenenthrombose stehen können oder auch stehen". Das sind nicht viele angesichts von mittlerweile 1,6 Millionen verabreichten Impfungen mit dem AstraZeneca-Impfstopf, aber die Nachricht der sieben FĂ€lle hat ganz offensichtlich einen Alarm ausgelöst.

Denn die entscheidenden Beratungen der Vertreter des Paul-Ehrlich-Instituts fanden heute Mittag statt, so Spahn in der Pressekonferenz. Die Entscheidung fiel dann fĂŒr politische MaßstĂ€be sehr schnell. Auch wenn Spahn versuchte, mögliche Irritationen abzufangen, indem er auf die Seltenheit der FĂ€lle verwies, so machte er auch klar, dass das Risiko als groß genug eingeschĂ€tzt wurde, um die Impfungen mit AstraZeneca auszusetzen.

"Es geht um ein sehr geringes Risiko, aber falls es tatsĂ€chlich im Zusammenhang mit der Impfung stehen sollte, um ein ĂŒberdurchschnittliches Risiko. Das ist die AbwĂ€gung, um die es geht."

Das sei keine politische Entscheidung, sondern eine fachliche, betonte Spahn. Er folge den Empfehlungen des Paul-Ehrlich Instituts. Er sei davon ĂŒberzeugt, dass fĂŒr das Vertrauen in die Impfstoffe Transparenz das Wichtigste sei. Man mĂŒsse nun die Frage klĂ€ren, ob die Nutzung der Impfung grĂ¶ĂŸer ist als mögliche Risiken. "Denn eines ist klar, auch Nicht-Impfen hat schwerwiegende gesundheitliche Folgen."

Das Paul-Ehrlich-Institut habe vor dem genannten Hintergrund die Lage neu bewertet und eine Aussetzung der Impfung sowie weitere Untersuchungen empfohlen. Jetzt kommt es auf die Entscheidung der EuropÀischen Arzneimittelagentur (EMA) an, um zu erfahren, ob und wie sich die neuen Erkenntnisse auf die Zulassung des Impfstoffes auswirken.

"Idealerweise" komme sie noch im Laufe dieser Woche zu ihrer Empfehlung, so Spahn.

Die Entscheidung zur Aussetzung ist keine wirkliche Überraschung - angesichts dessen, dass sich andere LĂ€nder, zuerst DĂ€nemark, dann Norwegen, Island, Bulgarien, Irland, die Niederlande und - auf bestimmte Chargen begrenzt - auch Österreich, Estland, Lettland, Litauen, Luxemburg, Italien und RumĂ€nien zu einem solchen Schritt entschlossen [3] hatten und dazu auch FĂ€lle von schweren Blutgerinnseln zur BegrĂŒndung angegeben wurden.

Zugleich kam die Nachricht vom Stopp aber doch ĂŒberraschend, da AstraZeneca ganz aktuell auf die dem Impfstoff zur Last gelegten Vorkommnisse eingegangen ist und dabei "kein erhöhtes Risiko" feststellte [4].

In der gesamten EU und in Großbritannien wurden laut dem Pharmakonzern bis zum 8. MĂ€rz 15 FĂ€lle von tiefer Venenthrombose (DVT) und 22 FĂ€lle von Lungenembolie bei Personen, die den Impfstoff erhalten haben, gemeldet. Die bisher gemeldeten FĂ€lle seien nach EinschĂ€tzung "viel niedriger" als das, was in einer allgemeinen Bevölkerung dieser GrĂ¶ĂŸenordnung natĂŒrlicherweise zu erwarten wĂ€re - und selbstverstĂ€ndlich stellt man auch heraus, dass die GrĂ¶ĂŸenordnung "Ă€hnlich ist wie bei anderen zugelassenen Covid-19-Impfstoffen".

Eine sorgfĂ€ltige ÜberprĂŒfung aller verfĂŒgbaren Daten der mehr als 17 Millionen Menschen, die in der EU und Großbritannien mit dem Impfstoff geimpft wurden, habe "keinen Hinweis auf ein erhöhtes Risiko fĂŒr Lungenembolie, TVT oder Thrombozytopenie in einer bestimmten Altersgruppe, einem bestimmten Geschlecht, einer bestimmten Charge oder in einem bestimmten Land" ergeben.

Zuletzt wurde herausgestrichen, dass die AstraZeneca-Impfung tatsÀchlich wirksamer sei, als man dies nach den Testergebnissen eingeschÀtzt hatte.

Schaut man in den bislang letzten Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts zu VerdachtsfÀllen von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen nach Impfung zum Schutz vor Covid-19 [5] vom 4. MÀrz, so werden da zwar bis zum 26. Februar aus 363.645 Impfungen mit dem AstraZeneca-Impfstoff 2.765 "VerdachtsfÀlle" etwaiger Nebenwirkungen gemeldet, aber Thrombosen werden in diesem Zusammenhang nicht erwÀhnt.

Der EuropĂ€ische Arzneimittelagentur (Ema) wurden bei bislang knapp fĂŒnf Millionen Geimpften rund 30 FĂ€lle von Gerinnungsstörungen nach einer AstraZeneca-Impfung gemeldet. "Die Zahl der thrombembolischen VorfĂ€lle bei geimpften Menschen ist nicht höher als die Zahl in der Gesamtbevölkerung", so die EinschĂ€tzung der Ema [6].

Auch Frankreich und Italien setzen die AstraZeneca-Impfungen vorerst aus.


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https://www.heise.de/-5988441

Links in diesem Artikel:
[1] https://twitter.com/OlafGersemann/status/1371470481237368834
[2] https://twitter.com/phoenix_de/status/1371476638685294602
[3] https://www.tagesschau.de/inland/corona-impfungen-astrazeneca-deutschland-101.html
[4] http://www.pharmatimes.com/news/azs_vaccine_safety_review_shows_no_evidence_of_an_increased_risk_of_blood_clots_1365240
[5] https://www.pei.de/SharedDocs/Downloads/DE/newsroom/dossiers/sicherheitsberichte/sicherheitsbericht-27-12-bis-26-02-21.pdf?__blob=publicationFile&v=9
[6] https://www.ema.europa.eu/en/news/covid-19-vaccine-astrazeneca-prac-investigating-cases-thromboembolic-events-vaccines-benefits