Deutschland: Land mit posttraumatischer Belastungsstörung

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Auch ein Blick auf die Studenten in Deutschland ist alarmierend, wie ein Report der Techniker Krankenkasse offenbart: Der allgemeine Gesundheitszustand hat sich gegenüber 2015 massiv verschlechtert.

Aber auch die psychische Gesundheit ist deutlich nach unten gegangen. Mehr als zwei Drittel der Studenten erleben aktuell Erschöpfung durch Stress.

Zum Vergleich: Im Jahr 2015 waren es nur 44 Prozent. Stresssymptome wie Konzentrationsstörungen oder Schlafprobleme haben sich in diesem Zeitraum fast verdoppelt. Etwa die Hälfte der Befragten klagt, dass sie "oft" oder "fast immer" müde seien. Ein Drittel der Studenten ist Burnout-gefährdet und jeder Siebte hat regelmäßig das Gefühl "Ich kann nicht mehr".

Wenig hilfreich für das psychische Gleichgewicht der Studenten ist dabei die zunehmende Digitalisierung des universitären Lebens. 71 Prozent gaben an weniger Sozialkontakte zu haben. 44 Prozent sind sicher, dies sei der Grund, dass sie sich einsamer fühlen. (Ungewollte Einsamkeit ist so gesundheitsschädigend wie 15 Zigaretten am Tag oder wie Alkoholmissbrauch und einer der häufigsten, vielleicht sogar die häufigste Todesursache.)

Depressiv

Depressionen sind über alle Altersstufen hinweg ein gravierendes Problem: Detlef Dietrich, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, konstatiert für die Corona-Jahre: "Wir verzeichnen eine 25-prozentige Zunahme an Depressionen und Angststörungen."

Dabei seien gerade 14- bis 18-Jährige deutlicher von Depression betroffen. Desweiteren: Nach Angaben der Kaufmännischen Krankenkasse sind die Diagnosen von wiederkehrenden Depressionen erschreckend stark angestiegen. Zwischen den Jahren 2011 bis 2021 um bundesweit rund 71 Prozent.

Laut Daten der TK wurden bei Studenten zwischen 2019 und 2022 37 Prozent mehr ADHS-Diagnosen erstellt. Bei Depressionen ist eine Erhöhung um gut 15 Prozent zu verzeichnen. Im selben Zeitraum wurden auch rund 30 Prozent mehr Antidepressiva verschrieben. Im Schnitt nehmen Studenten übrigens öfter Antidepressiva als Gleichaltrige in Erwerbsarbeit.

Insbesondere die Lage der Jugendlichen ist besorgniserregend. Der Kindergesundheitsbericht 2023 der Stiftung Kindergesundheit offenbart ein bedenkliches Bild.

Laut einer Auswertung der Krankenhausabrechnungen in den Kliniken kam es im Vergleich zu 2019 zu einem Anstieg von 21 Prozent bei Essstörungen und 2 Prozent bei selbstverletzendem Verhalten. Bei Depressionen sogar 43 Prozent.

Eine Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung belegt, dass Schulschließungen mit dem Anstieg von Depressionssymptomen bei Kindern und Jugendlichen im Zusammenhang stehen.

In einem europaweiten Vergleich wurden 22 Studien untersucht. Kinder und Jugendliche wiesen während der Schulschließungen zu 75 Prozent häufiger generelle Depressionssymptome als vor der Pandemie. (Im Vergleich erhöhte sich die Häufigkeit für solche Depressionssymptome im Zeitraum ohne Schulschließungen nur um 27 Prozent.)

Die Welt berichtet über diesen Zustand:

Ulrike Ravens-Sieberer, Psychologin vom Hamburger Universitätsklinikum, schließt aus diesen Zahlen, dass in der Coronazeit "eine Welle entstanden sei, die wir derzeit vor uns herschieben". Denn wohlgemerkt: Erfasst sind in diesen Studien immer nur die Kinder, die bereits ärztliche oder psychologische Hilfe erhalten haben. Überhaupt so weit zu kommen – das ist in Deutschland ein Problem für sich. Die von ihr genannte "Welle" bilden Kinder und Jugendliche, die noch auf einen Therapieplatz warten. Solche Plätze gibt es für die meisten, die es dringend brauchen würden, erstmal nicht. "Die Wartezeit liegt schon im ambulanten System bei sechs Monaten", sagt die Kinderpsychiaterin Katharina Bühren."

Die Welt

Scheinbares Desinteresse

Starker Anstieg an Erschöpfung, Burn-out, Depression und Angststörungen. Markante Zeichen für eine deutliche Verschlechterung der psychischen Gesundheit über alle Altersstufen hinweg und besonders bei Kindern sowie Jugendlichen sollten eigentlich alle Alarmsirenen bei der Regierung und dem Bundesgesundheitsministerium läuten lassen.

Die berichteten Erkrankungen können nicht einfach achselzuckend mit dem Stichwort "Corona" abgehakt werden, sondern erfordern Hilfe. Konkrete Hilfe. An dieser Stelle sei auch daran erinnert, dass psychische Erkrankungen Konsequenzen auf die Lebenserwartung haben. Diese ist beispielsweise bei depressiven Menschen erschreckenderweise um rund zehn Jahre verkürzt, wie Ulrich Hegerl von der Stiftung Deutsche Depressionshilfe betont.

Neben konkreter Hilfe ist es auch dringend geboten, Maßnahmen einzuleiten, um den Ausbruch der Erkrankungen zu verhindern. Beispielsweise auch politisch endlich zu begreifen, dass der Mensch ein hoch soziales Wesen ist und Gemeinschaft sowie Verbundenheit zum Leben braucht, während ungewollte Einsamkeit – nachweisbar - tötet. (Social Distancing ist eben keine nebenwirkungsfreie Maßnahme).

Von konkreter Hilfe seitens der Politik gegen psychische Erkrankungen beziehungsweise extremen Belastungen und Maßnahmen zu deren Verhinderung ist leider weit und breit nicht wirklich viel zu sehen und das Thema fristet weiter ein Schattendasein.