Deutschland: Wenn Medikamente fehlen
Seite 2: Vor- und Nachteile der Rabattverträge
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Könnten Hersteller zu einer für sie unrentablen Produktion verpflichtet werden?
Martin J. Hug: Die Antwort ist einfach: nein. Es gelten hier klare Prinzipien der Marktwirtschaft. Sie können ja auch einen Hersteller von Luxusautos nicht dazu verpflichten, seine Fahrzeuge zum halben Preis abzugeben.
Allerdings können die Krankenkassen bei der Ausschreibung von Rabattverträgen Konventionalstrafen verhängen, wenn ein Unternehmen die vereinbarten Mengen nicht liefern kann.
Lassen sich Medikamente, die in Deutschland nicht verfügbar sind, auf deutsche Rezepte auch im EU-Ausland beschaffen oder muss man auf Re-Importe warten?
Martin J. Hug: Wenn das BfArM einen Versorgungsmangel nach § 79 Absatz 5 AMG festgestellt hat, dann ist ein Import aus dem Ausland zulässig und eine Erstattungsfähigkeit durch die gesetzlichen Krankenkassen gegeben. Um einen entsprechenden Versorgungsmangel festzustellen, bedarf es aber Zeit und große Not.
Die meisten Lieferengpässe, mit denen wir uns herumärgern müssen, schlagen gar nicht beim BfArM auf. Wir Krankenhäuser können hier eher zum Werkzeug des Imports greifen, weil die Arzneimittelkosten in der Regel nicht über ein Rezept, sondern über die Fallpauschale abgerechnet werden. In der öffentlichen Apotheke ist jedoch bei Importarzneimitteln kein Erstattungsanspruch durch die GKV gegeben.
Welche Vorteile und Risiken haben Rabattverträge, deren Konditionen geheim sind?
Martin J. Hug: Die Vorteile liegen bei den Kostenträgern – hier ist nicht unerhebliches Einsparpotential. Die Risiken liegen auf der Hand: durch die Rabattverträge werden die Margen für die Arzneimittelhersteller geringer. Dadurch wird bei Präparaten, die ohnehin nur eine geringe Marge besitzen, schnell die Luft dünn.
Jetzt können Sie fragen: Warum macht die Industrie das mit, warum schließen die überhaupt derartige Verträge ab? Hier kann man sagen, dass es für manche Firmen opportun sein kann, ein defizitäres Produkt über Rabattverträge temporär in den Markt zu drücken. Denn bei global agierenden Unternehmen ist Marktanteil ein wesentliches Merkmal des "Shareholder value".
So kann man den Wert eines Unternehmens fiktiv für kurze Zeit anheben, bis die nächste Kapitalgesellschaft zugreift. Derartige Mechanismen sind in der Arzneimittelbranche nicht anders als in jedem anderen Geschäft.
Hauptnachteil der Rabattverträge ist aber die von beiden Seiten (Kassen und Pharmaunternehmen) gewünschte Intransparenz. Dadurch werden die wahren Preise verschleiert und der Öffentlichkeit ein falsches Bild von den Arzneimittelpreisen vermittelt.
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