Deutschland als Opfer von NS-Verfolgten

Seite 3: Bundesregierung: In zwei Fällen flossen 618.000 Euro

In der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage, die von der Obfrau der Linksfraktion im Auswärtigen Ausschuss, Sevim Dagdelen, initiiert wurde, wollte sie keine Angaben dazu machen, welches NS-Unrecht die Kläger erlitten haben, sie ließ sich lediglich entlocken, dass die beiden Zwangsvollstreckungsverfahren auf zwei ehemalige "Militärinternierte" zurückgehen, denen insgesamt 618.000 Euro zuzüglich Zinsen zugesprochen worden waren.

Auf Nachfrage von Dagdelen bestätigte die Bundesregierung ausdrücklich, dass sie den italienischen Klägern "in der Vergangenheit keine individuelle Entschädigung für erlittenes Unrecht zukommen lassen" hat, dass sie dies auch in Zukunft nicht vorhat und dass sie auch nicht bereit ist, sich am italienischen Entschädigungsfonds zu beteiligen. Sie versäumt aber nicht, zu versichern, dass sie die Einhaltung des humanitären Völkerrechts "auch weiterhin in Fällen von Völkerrechtsverstößen durch andere Staaten einfordern wird."

Es läuft also darauf hinaus, dass Italiener, denen Deutschland Unrecht antat, nun von Italien entschädigt werden, voraussichtlich in nur geringem Umfang. Die Tageszeitung La Repubblica sprach deshalb von einem Spott-Dekret (decreta beffa).

Die Ansprüche der Distomo-Opfer drohen vollständig unterzugehen, weil das Dekret auch die Vollstreckung ausländischer Gerichtsurteile ausschließt. Dagdelen kommentiert dies gegenüber Telepolis mit den Worten, da könne "die Bundesregierung den Überlebenden und Hinterbliebenen gleich ins Gesicht schlagen. Wer die Verbrechen begangen hat, sollte zahlen, und das ist nun mal Deutschland." Deswegen sei es das Mindeste, dass die Bundesregierung den Entschädigungsfonds in vollem Umfang finanziere.

Dagdelen will die Entwicklung im Blick behalten und herausfinden, wie viele NS-Opfer sich infolge des Dekrets noch gemeldet haben. Auch vom AK-Distomo, der sich seit Jahren insbesondere für die Entschädigung der griechischen Oper einsetzt, kommt scharfe Kritik: Deutschland beweise mit der Klage in Den Haag "einmal mehr, dass all die warmen Worte an Gedenktagen für die Opfer der NS-Verbrechen nur Heuchelei und schöner Schein sind.

Wenn es darauf ankommt, verhält Deutschland sich wie ein Schurkenstaat und tritt die Rechte der NS-Opfer mit Füßen", so Rechtsanwalt Martin Klingner. Er rechnet im Übrigen damit, dass auch das neue Gesetzesdekret vor dem italienischen Verfassungsgericht landen wird.

Süffisant bei alldem: Der Internationale Gerichtshof hatte in seinem Urteil 2012 zwar der Bundesregierung recht gegeben, aber zugleich angemerkt, wie überraschend und bedauerlich es sei, "dass Deutschland entschieden hat, jegliche Entschädigung" für bestimmte Opfergruppen zu verweigern. Seiner Anregung, durch weitere Verhandlungen die bestehenden Entschädigungslücken zu schließen, ist die Bundesregierung bis heute nicht nachgekommen.

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