Deutschland, deine Milliardäre: Mehr Erben als Gründer

Benjamin Roth
Eine Motoryacht auf offener See von oben betrachtet

Die Zahl der Milliardäre wächst, auch in Deutschland.

(Bild: Aerial-motion/Shutterstock.com)

Oxfam-Studie zeigt hohe Vermögenskonzentration. Erbschaften in Deutschland besonders relevant. Betroffene fordern höhere Besteuerung.

Die Oxfam-Studie zur Entwicklung sozialer Ungleichheit (Telepolis berichtete) zeigt nicht nur die Vermögenskonzentration bei Milliardären an, sondern auch deutsche Besonderheiten. Während die Forderung einer Milliardärssteuer in Wissenschaft und Politik umstritten ist, fordern auch einige Reichtumbetroffene zu Besteuerungsmaßnahmen auf.

Takers, not makers

Keine Macher, sondern Nehmer: So betitelt Oxfam seinen jährlichen Bericht über soziale Ungleichheit, der im Januar anlässlich des Weltwirtschaftsforums in Davos erschien.

Der Bericht zeigt, "wie der Einfluss von Superreichen und ihren Konzernen nicht nur die soziale Ungleichheit immer weiter verschärft, sondern auch demokratische Prinzipien in ihren Grundfesten erschüttert."

Der Studie zufolge sind die Gesamtvermögen von Milliardären weltweit im Jahr 2024 um zwei Billionen US-Dollar gestiegen – dreimal schneller als im Jahre 2023. Jede Woche kamen vier neue Milliardäre hinzu. Gleichzeitig leben 3,6 Milliarden Menschen unter der Armutsgrenze.

Oxfam kritisiert vorwiegend, dass die Anhäufung großer Vermögen in den Händen weniger auch mit politischer Macht sowie einem Vertrauensverlust der Bevölkerung in die Demokratie einhergehe. Steuersenkungen, Ausnahmeregelungen für Superreiche einerseits, Steuererhöhungen für mittlere und geringe Einkommen andererseits brächten Parteien und Regierungen zunehmend um ihren Rückhalt.

Die untere Einkommenshälfte der Gesellschaft zeige folglich geringere politische Teilhabe, weniger Zuversicht in das politische System, mehr Misstrauen und Unzufriedenheit.

Deutschlands neue Milliardäre

In Deutschland wuchsen die Gesamtvermögen der Milliardäre um 26,8 Milliarden US-Dollar. 130 Milliardäre sind in Deutschland wohnhaft, 13 neue Milliardäre im Jahre 2024 hinzugekommen. Deutschland ist weltweit das Land mit den viertmeisten Milliardären – nach den USA, China und Indien, welche eine vier- bis siebzehnmal größere Gesamtbevölkerung haben.

Besonders hoch ist der Anteil der Erbschaften unter den deutschen Milliardären. Bezogen weltweit etwa 36 Prozent der Milliardäre ihr Vermögen vorwiegend aus Erbschaften, waren es in Deutschland 71 Prozent.

Unter den neuen deutschen Milliardären finden sich sechs Erben gegenüber sieben Gründern oder Investoren, vor allem aus der Datenverarbeitungsbranche, wie Daniel Hüfner vom Capital-Magazin herausstellt.

Um die Größenordnungen solcher Vermögen zu veranschaulichen: Bei einem Nettodurchschnittsgehalt von 28.729 Euro im Jahr 2023 würde es über 34.808 Jahre dauern, um ein Vermögen in Höhe von einer Milliarde Euro anzuhäufen – ohne Ausgaben und Steuern.

Milliardärssteuer: ein Mittel gegen soziale Ungleichheit?

Oxfam fordert von der neuen Bundesregierung eine gerechtere Besteuerung von Superreichen, die Einführung einer Milliardärssteuer, die Schließung von Gerechtigkeitslücken im Steuersystem sowie konkrete Maßnahmen des Bundeskartellamts gegen Marktkonzentration und Ausnutzung von Marktmacht.

Auch deren genauere Analyse wird gefordert. Mehr Investitionen in soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz sollen ferner helfen, die Vermögensungleichheit auch von unten zu verringern.

Ob eine Milliardärssteuer gegen soziale Ungleichheit wirkt, ist allerdings umstritten. Maximilian Stockhausen vom Institut für Wirtschaftsforschung (IW) kritisiert die Oxfam-Studie und sieht eine solche Steuer als sehr aufwendig mit nur minimalem Effekt an.

Seit 1956 können alle Mitgliedsverbände des Bundesverbands der Deutschen Industrie und der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände eine Mitgliedschaft im IW erwerben.

Das IW gehört der IW Medien Gruppe an, zu der auch die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) gehört.

Astrid Zimmermann vom Jacobin-Magazin konstatiert, dass die Absenkung von Unternehmenssteuern bei gleichzeitiger wirtschaftlicher Stagnation in Deutschland darauf hindeute, dass große Vermögen keinen Wohlstand schaffen, sondern ihn abschaffen würden. Eine Steuerreform genüge nicht, da das Problem global angegangen werden müsse.

Dass große Vermögen eine Gefahr für die Demokratie sein können, erklären mittlerweile auch einige ihrer Besitzer. 370 Superreiche warnen in der Aktion "We must draw the line" davor. Ihre Umfrage unter Millionären aus G20-Staaten zeigt, dass zumindest 55 Prozent der Reichtumsbetroffenen das ähnlich sehen.

Die Wiedereinführung der seit 1997 ausgesetzten Vermögenssteuer – ab einem Vermögen von 2 Millionen Euro, wie die Friedrich-Ebert-Stiftung fordert – neben der Abmilderung von Vermögensungleichheit und der Vergrößerung von Investitionsspielräumen für sozial-ökologische Investitionen einen weiteren Effekt: Die Bemühung um die Erfassung großer Vermögen durch den Staat und ihre Markierung als ökonomische Messgröße, die es zu diskutieren, zu analysieren und gegebenenfalls zu regulieren gilt.

Zur ausführlichen Oxfam-Gesamtstudie in englischer Sprache.