Deutschland in der Pandemie-Krise: Wie überwinden wir die geistigen Blockaden?
Seite 2: Mit ideologischen Scheuklappen durch die Pandemie
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- Mit ideologischen Scheuklappen durch die Pandemie
- Eine Epidemie der Irrationalität
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Extreme Unvernunft kann nicht nur aus mangelndem Wissen entstehen, sondern insbesondere auch durch ideologische Verblendung. Solche führt leicht dazu, dass gar nicht erst nach bestmöglichem Wissen gesucht wird, sondern nur nach Möglichkeiten der Bestätigung längst gefasster Meinungen und Glaubenssätze wie auch der Widerlegung "feindlicher" Meinungen.
Je stärker die psychische Notwendigkeit des Erreichens solcher Ziele ist, desto geringer werden die Anforderungen an die Evidenz und an die Stringenz von Überlegungen. In diversen Zirkeln wurde und wird die Fähigkeit, dabei störende Einflüsse (etwa nicht ins Bild passende Fakten) so effektiv wie möglich auszublenden, immer wieder trainiert, auch mit Anleitung durch die Führer entsprechender Gruppen.
Das konsequente Operieren mit "alternativen Fakten" wurde keineswegs erst von Donald Trump und seiner Entourage erfunden, sondern ist schon seit langer Zeit eine vielerorts übliche Methode, etwa in esoterischen Zirkeln, bei Anthroposophen und natürlich in religiösen Gruppen.
Teils werden sogar erhebliche Spannungen mit offenkundigen Tatsachen oder mit Grundsätzen der Logik hingenommen, etwa wenn der soziale Preis für die Ablehnung unhaltbarer Positionen zu hoch wäre.
Ein solcher Preis kann entstehen durch den Gruppendruck, aber auch dadurch, dass man sich mit eigenen Meinungen schon so weit aus dem Fenster gelehnt hat, dass man sie nicht mehr ohne ein Eingeständnis massiver eigener Fehler revidieren könnte. Eine große Hilfe bei der Stabilisierung seltsamer Ansichten sind natürlich die Filterblasen des Internets.
Mangelndes kritisches Denken
Zu den Grundsätzen der Wissenschaft gehört ein kritisches Denken, welches aber gerade die Gegner der Wissenschaft immer wieder fest für sich reklamieren. Sie verstehen darunter oft die Freiheit, noch so klar präsentierte Evidenz beiseite wischen zu können und ihrem eigenen Bauchgefühl den unbedingten Vorrang zu geben.
Sie fallen damit geistig weit hinter den Stand zurück, der schon von Denkern der Antike längst erreicht war. In Wirklichkeit praktizieren sie genau das Gegenteil von kritischem Denken: Sie legen ein extremes Maß an Voreingenommenheit an den Tag, greifen begierig alle ihre vorgefasste Meinung scheinbar bestätigenden Berichte und Einschätzungen auf und wehren alles, was die eigene Meinung infrage stellen könnte, ungeprüft ab.
Wenn aber kritisches Denken nur zur Suche nach Fehlern bei anderen dient und die eigene Position davon ausgenommen ist, ist es schlicht pervertiert. Bezeichnungen wie "Kritiker" oder "Skeptiker" sollten Personen, die so operieren, verwehrt bleiben. Stress macht unvernünftig
In Zeiten mit schwierigen Herausforderungen für die Gesellschaft wäre es natürlich besonders wichtig, die Vernunft erfolgreich gegen ideologische Einflüsse zu verteidigen. Leider scheint aber die Neigung vieler, sich gegen als bedrohlich empfundene Einsichten zu wehren, gerade in solchen Zeiten sogar erheblich zuzunehmen.
Dies ist natürlich beunruhigend, gerade auch mit Blick auf voraussehbare Herausforderung etwa im Zusammenhang mit Auswirkungen des Klimawandels (Naturkatastrophen, wirtschaftliche Schäden, Flüchtlingsströme etc.) und mit internationalen Spannungen.
Häufig zu beobachten ist, dass eine als bedrohlich empfundene Komplexität von Sachverhalten einfach dadurch reduziert wird, dass eigentlich wichtige Teile davon komplett ignoriert werden. Funktionierende Lösungen zu finden, wird so freilich nicht leichter.
Konflikte werden geschürt
Falsche Vorstellungen entstehen nicht nur durch Ignoranz und Dummheit. Konflikte werden gezielt geschürt von manipulierenden Akteuren, die sich davon Vorteile versprechen. So haben sich einige Politiker nach dem Vorbild von Donald Trump darauf verlegt, Teile der Bevölkerung gegen die Corona-Maßnahmen aufzuhetzen, um damit eine treue Gefolgschaft zu bilden.
Diese übt dabei geflissentlich die geistige Abschottung ein, die für die Verteidigung ihrer Positionen gegen Fakten und Vernunft nötig ist, und wird damit für weitere Manipulationen bestens vorbereitet. Letztendlich ermöglicht dies dann die Unterstützung einer Politik, die den eigenen vitalen Interessen vielfach massiv zuwiderläuft.
Auch eine wirtschaftliche Schädigung der Irregeleitenden dürfte eher sogar vorteilhaft sein für die Anführer, da die Manipulation umso besser funktioniert, je mehr sich die Menschen bedroht fühlen.
Zudem gibt es klare Anzeichen, dass z. B. von der russischen Regierung gesteuerte Gruppen gezielt in den sozialen Medien Desinformationskampagnen zu verschiedenen Themenbereichen durchführen, die unsere Gesellschaften destabilisieren.
Leider sind solche Aktivitäten schwer zu bekämpfen bei gleichzeitiger Verteidigung essenzieller Werte unserer demokratischen Gesellschaft. Mit viel kreativer Denkarbeit sollte trotzdem einiges möglich sein.