Deutschland spart, Frankreich gibt aus: Spaltet die Staatsverschuldung die EU?

Euro-Banknoten und -Münzen und Flagge Frankreichs

(Bild: Bartolomiej Pietrzyk / Shutterstock.com )

Frankreichs Schulden steigen, Deutschlands sinken. Die EU-Partner driften finanziell auseinander. Was bedeutet das für die Zukunft der Gemeinschaft?

Während Deutschland seine Staatsschulden von 82,0 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) im Jahre 2010 auf 63,6 Prozent im Jahre 2023 mit durchgängig fallender Tendenz reduzieren konnte, sind sie in Frankreich im gleichen Zeitraum von 85,3 auf 109,5 Prozent gestiegen, mit weiter steigender Tendenz.

Frankreich lebt über seine Verhältnisse

Wie brisant die Entwicklung der französischen Staatsschulden ist, konnte man im vergangenen Frühjahr erfahren. Das scheint jedoch in unserem südwestlichen Nachbarland niemanden so wirklich zu erschrecken. Zu sehr scheint das seit einem halben Jahrhundert zur Tradition geworden zu sein.

Die bisher letzte französische Regierung, die noch einen ausgeglichenen Haushalt verabschiedet hatte, war 1974 im Amt. Dieses Mal ist der Fehlbetrag jedoch noch viel höher ausgefallen, als es die Regierung ohnehin schon einkalkuliert hatte. Un dérapage, eine Entgleisung, nennen es praktisch alle französischen Medien.

Nach Aussagen des französischen Nationalen Instituts für Statistik und Wirtschaftsstudien (Insee), hat Frankreich im vergangenen Jahr etwa 154 Milliarden Euro mehr ausgegeben, als es eingenommen hat. Das aktuelle französische Defizit beträgt damit 5,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Im Haushalt vorgesehen waren ursprünglich 4,9 Prozent.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron beteuert daraufhin bei jeder Gelegenheit, man wolle den Fehlbetrag bis 2027 unter die Drei-Prozent-Schwelle drücken, wie sie in Maastricht formuliert wurde. Damit will man die Märkte und die internationalen Ratingagenturen beruhigen.

Dass sich die Ratingagenturen, die sich inzwischen durchgängig in der Hand von US-Investoren befinden, wirklich beruhigen lassen, kann bezweifelt werden. Nach Aussage der Ratingagentur Moody’s bedroht die ungewisse politische Situation die Kreditwürdigkeit der hauptsächlich im deutschsprachigen Raum als Grande Nation bezeichneten V. Republik.

Mit den vorgezogenen Neuwahlen scheinen sich nach Einschätzung der Bonitätswächter die Risiken für die Haushaltskonsolidierung erhöht zu haben. Dies hat negative Auswirkungen für das Rating. Die anderen großen Ratingagenturen Fitch und S&P Global liegen bei ihrer Einschätzung noch eine Note unter der Note von Moody’s mit Aa2.

Um seine bestehenden finanziellen Verpflichtungen erfüllen zu können, muss Frankreich schon in diesem Jahr zusätzliche Mittel in der Höhe von zehn Milliarden Euro auftreiben. Wer will in Frankreich investieren, solange das Land keine stabile Regierung hat und im Hintergrund die Ankündigung des Rassemblement National (RN) droht, den Handel in der EU zu reduzieren?

Deutschland hat an der Energiewende zu knabbern

Während Frankreich seine wachsenden Schulden beispielsweise in den Beibehalt seiner Kernkraftwerke steckt und selbst dann, wenn sie ordnungsgemäß gewartet werden können, diese zunehmenden Probleme mit der Verfügbarkeit von Kühlwasser sowie eine nicht lösbare Abhängigkeit von russischen Brennstoffen haben, versucht Deutschland von den fossilen Brennstoffen wegzukommen, zu welchen auch Uran zählt.

Zu den Hauptvorteilen der fossilen Brennstoffe zählt die Tatsache, dass sie Brennstoff kontinuierlich nachgekauft werden müssen und somit marktgerechter sind als die Erneuerbaren, welche zwar mit zu Beginn mit höheren Infrastrukturkosten verbunden sind, jedoch schon mittelfristig deutlich geringere Betriebskosten aufweisen werden.

Die Aussage, dass Wind und Sonne keine Rechnung schicken, wird nicht dadurch falsch, dass so mancher glaubt, man kann beim Ausbau der Erneuerbaren auf Netzausbau und -unterhalt verzichten und die ganze Infrastruktur kostenfrei im Boden vergraben.

Vor den Kosten für den Erhalt der Infrastruktur hat man in Deutschland nicht nur im Rahmen der Energiewende konsequent die Augen verschlossen und hat nicht nur die Bahnnetze lange Zeit auf Verschleiß gefahren oder sogar abgebaut, sondern hat auch auf Wunsch der Tiefbaulobby lieber neue Straßen gebaut, welche große Flächen versiegeln, als dass man die bestehenden Straßen erhalten hat.

Die bisher verdrängten Infrastrukturkosten fallen nun zu einem Zeitpunkt an, zu dem auch der globalisierte Wettbewerb seinen Teil dazu beiträgt und die deutsche Leistungsfähigkeit deutlich zu überfordern droht.

Frankreich will wohl den Vorbildern der USA und Japans folgen

Japan ist mit seiner Steigerung der Staatsverschuldung von 205,9 Prozent im Jahre 2010 auf 250,8 im Jahr 2023 insofern ein Sonderfall, als sich das Land hauptsächlich bei seinen eigenen Bürgern verschuldet hat.

Der größte Besitzer japanischer Staatsanleihen ist die Bank of Japan (BoJ). Als diese aktuell weniger Bonds am Markt gekauft hat als üblich, war dies der Auslöser für den Anstieg des Zinssatzes für zehnjährige Staatsanleihen auf ein Prozent. Dies erfolgte zum ersten Mal seit elf Jahren. Solange hatte man den Zinssatz bei null Prozent belassen können.

Trotz seiner überbordenden Schulden ist Japan bislang nicht bankrott. Doch die Rechnung dafür hat man trickreich auf die nächsten Generationen verlagert. Mittlerweile übersteigen Japans Staatsschulden das 2,5-Fache der eigenen Wirtschaftsleistung, mit steigender Tendenz.

Jahrzehnte der wirtschaftlichen Stagnation lassen Japan im Ranking der größten Volkswirtschaften zurückfallen. Das Land entwickelt sich im Gegensatz zum großen Nachbar China vom Wirtschaftswunder zum Schwellenland. Und an den Schwellenländern will man sich in Japan jetzt offensichtlich bei den Preisen im Tourismus orientieren. Während ausländische Touristen wegen des schwachen Yens das Land schier überfluten, werden Hotelübernachtungen für Einheimische vielfach zu teuer. Daher gibt es inzwischen Überlegungen, unterschiedliche Preise für Auswärtige und Einheimische einzuführen, so wie dies oft in Schwellenländern gebräuchlich ist.

Japan hat jedoch nicht nur die eigenen Schulden zu tragen, sondern ist gleichzeitig auch der größte Gläubiger der USA, wo man inzwischen China abgelöst hat. Im aktuellen Wahljahr wird sich an der steigenden US-Verschuldung nichts ändern. Weder Steuererhöhungen noch Kürzungen bei Sozialleistungen scheinen derzeit durchsetzbar.