"Die Afrikaner dürfen stolz sein"
Der älteste Schmuck der Welt
Vor ungefähr 75.000 Jahren bohrten Menschen in Südafrika ein Loch in die Muschel "Nassarius kraussianus" und verbanden die 7-8 mm kleinen Schalen, um sie als Schmuck zu tragen. Das sind die Ergebnisse einer Studie von Christopher Henshilwood und Mitarbeitern in der jüngsten Ausgabe von Science.
Man nimmt an, dass die Löcher von Menschenhand gebohrt wurden, da sie nur in 8,6 Prozent der Schalen natürlich vorkommen. Die Art der Lochbildung macht das Wirken der menschlichen Hand wahrscheinlich. Zudem findet sich auf der Rückseite der Abrieb von Kleidungsstücken und auf der Vorderseite sind Hinweise für die rote Färbung der zuvor nicht-bemalten Muscheln zu finden. Und schließlich liegen die Stücke in Gruppen zusammen, so als ob sie Stück für Stück weggeworfen oder platziert worden wären.
Die erbsengroßen Muscheln stammen aus derselben Schicht wie die Stücke aus poliertem Ocker, die von der Arbeitsgruppe im Januar 2002 in Science vorgestellt wurden. Zwei Stücke waren es, die damals von den Autoren aus der Gruppe der 8.000 Fundstücke erläutert wurden. Christopher Henshilwoods Deutung: Erst nachdem die Ockerstücke sorgfältig geglättet waren, begann der Erfinder, das ornamentale Muster zu ritzen. Mikroskopische Untersuchungen ergaben nämlich, dass dabei bestimmten Arbeitsschritten gefolgt wurde. "Es war keine Krakelei aus reiner Langeweile", versichert Christopher Henshilwood, "das Muster besaß eine Bedeutung für den Graveur und seine Leute." Ein weiteres Ockerstück zeigt ähnliche geometrische Muster. "In Südafrika waren schon vor 77.000 Jahren geistig moderne Menschen am Werk", folgert Christopher Henshilwood. "Die Wiege der Zivilisation stand hier, und die Afrikaner dürfen stolz sein."
Die Blombos-Höhle öffnet sich an der Südspitze Kaplands über einer Klippe zum Indischen Ozean. Die Fundschicht stammt aus der letzten Eiszeit, als sich der Ozean zurückzog. Über den menschlichen Lagerplätzen bildete sich eine Schicht aus Dünensand, die ein Absinken jüngerer Reste verhindert. Die Datierung wird dank Thermoluminiszenz auf ein Alter von mehr als 70.000 Jahren festgelegt und ist damit um Jahrtausende älter als vergleichbare Einzelfunde aus Afrika (Kenia um 40.000), der Türkei (um 41.000) und Bulgarien (um 43.000).
Für Kathlyn Stewart und John Yellen sind die Funde in der Blombos-Höhle eine Bestätigung ihrer Forschungen. Die Wissenschaftlerin vom Canadian Museum of Nature in Ottawa und ihr US-Kollege haben bereits 1995 bei Katanda, im westlichen Rift Valley von Zaire, eine bemerkenswerte Entdeckung gemacht. Prunkstück war ein Arsenal knöcherner Projektile, von denen viele mit Widerhaken versehen waren. Das Alter: 80.000 bis 90.000 Jahre. Die auffallende Jagdtechnik mit Widerhaken verblüfft die Fachwelt, weil solche Tricks als Errungenschaften weit späterer Generationen gelten.
Dasselbe in der Blombos-Höhle. Bisher wurden 28 Werkzeuge aus Knochenmaterial gefunden. Darunter sorgfältig geglättete Ahlen zum Nähen von Netzen sowie zweischneidige Pfeil- und Speerspitzen. Die Verarbeitung von Tier- und Fischknochen und die hohe Kunstfertigkeit lassen auf eine hoch entwickelte Technik schließen.
Dazu wird die Existenz einer Sprache vermutet, die es den Leuten ermöglicht, sich über die symbolischen oder schmuckstückhaften Elemente und mehr zu verständigen. Denn ohne eine Kommunikation werden auch diese Menschen nicht ausgekommen sein.
Somit stellt sich die Frage: Ist das "moderne" Denken ein Zeichen unserer Zeit, oder das Ergebnis einer lange zurück liegenden Erfahrung? Während in unseren Breiten, vor 70.000 Tausend Jahren, die Neandertaler das Leben bestimmen, lebt offenbar an der Südspitze von Afrika eine Gruppe von Menschen, die den Anforderungen der Zeit mit viel ausgeklügelteren Methoden entgegentritt. Woher sind sie gekommen, und wie haben sie sich verbreitet? Das sind die Fragen, auf die wir noch keine Antworten kennen. So wertvoll die Blombos-Höhle ist, so intensiv müssen wir nach weiteren Bestätigungen suchen. Alles spricht dafür, dass wir es mit einer mächtigen Kultur zu tun haben.