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Die Euro-Schuldenkrise und die Politik hilflosen Gehampels

Eine Demokratie haben wir schon lange nicht mehr - Teil 19

Die überstürzte und völlig verkorkste Einführung des Euro ist ein Paradebeispiel dafür, wie demokratisch gewählte Politiker einander im emotionalen Überschwang in wirtschaftspolitischem Irrsinn bestärken und eine gigantische Fehlentscheidung treffen, für die einige Generationen der Völker Europas den Preis zahlen. Heute hat man sich damit abgefunden, dass damals eine Fehlentscheidung getroffen wurde. Aber jetzt haben wir nun einmal den Schlamassel und man muss versuchen, das Beste daraus zu machen, heißt es immer.

Teil 18: Der demokratische Staat ist ein macht- und geldgieriges Monstrum

Es bleibt einem auch gar nichts anderes übrig. Aber wer sagt denn, dass ähnliche Formen von Groupthink-Irrsinn nicht immer wieder vorkommen? Immerhin haben ja damals an der paneuropäischen Irrsinnstat einige tausend Politiker mitgewirkt und alle Bedenken sehr zum Schaden der Völker in den Wind geschlagen. Mag sein, dass Schwarmintelligenz mal vorkommt, aber Groupthink-Wahnsinn ist nun einmal das Charakteristikum demokratischer Gremienentscheidungen. Die Völker in den entwickelten Demokratien sehen also herrlichen Zeiten entgegen…

Daran besteht überhaupt kein vernünftiger Zweifel: Den Ausbruch der "Euro-Schuldenkrise" verantworten einzig und allein die Politiker in den Demokratien Europas - wenigstens diejenigen in den Ländern, die dem Euro am Ende beitraten.

Die Einführung des Euro zeigt die grenzenlose Verantwortungslosigkeit der demokratischen Politiker und ihren erschreckenden Mangel an Sachverstand. Er charakterisiert auch hochrangige Politikvertreter bei wirtschaftspolitischen Problemstellungen und ist oft gepaart mit der Neigung, die Öffentlichkeit über die wahren Probleme hinwegzutäuschen, und überhaupt den Hang, Einsicht in ökonomische Zusammenhänge durch einfältiges, aber hoch emotionales Gefasel zu ersetzen.

Als die Politiker den Euro einführten, wollten sie das gemeinsame Europa per Schnellschuss vorantreiben. Dabei schlugen sie alle wohl begründeten und längst bekannten währungspolitischen Einwände ignorant in den Wind.

Zunächst einmal sollte klar werden, was überhaupt gemeint ist, wenn so leichthin die Rede von der "Euro-Krise" ist. Als er eingeführt wurde, war der Euro weniger als einen US-Dollar wert. Im Oktober 2000 bekam man dafür gerade mal 82 US-Cents. Seitdem ist er fast kontinuierlich gestiegen, bis hin zu einer Spitze von 1,5379 Dollar 2009. Von diesem Höchstwert sank er wieder bis auf 1,35 US-Dollar im April 2010 und liegt heute (im Frühjahr 2014) bei 1,37 Dollar. Von einer Euro-Krise kann also überhaupt keine Rede sein. Dem Euro geht und ging es immer gut. Es gibt keine Euro-Krise, auch wenn er einmal etwas tiefer abdriften sollte.

Wir haben allerdings eine Schuldenkrise der Staaten der Eurozone. Es geht nicht um die Währung. Es geht um die Verschuldung nahezu aller Demokratien in Europa. Deren Schuldenkrise freilich wurde durch die kopflose Einführung des Euro noch um ein Vielfaches verschärft, obwohl die Verschuldung der meisten Staaten auch vorher schon ein Höchstmaß erreicht hatte.

Der Euro wurde am 1. Januar 1999 eingeführt und ist heute die Gemeinschaftswährung von knapp 335 Millionen Menschen. In den ersten drei Jahren wurde er nur für Kontoführungszwecke, zum Beispiel für elektronische Zahlungen, eingesetzt. Das Euro-Bargeld kam erst am 1. Januar 2002, und zwar in Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, Portugal und Spanien. 2007 kam Slowenien hinzu und 2008 traten Malta und Zypern bei, 2009 folgte die Slowakei, 2010 Estland, 2014 Lettland.

Heute (2014) ist der Euro gesetzliches Zahlungsmittel in 18 der 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU). Die Idee einer einheitlichen europäischen Währung, die den Handel zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft erleichtern sollte, beherrschte schon früh die Debatten über die europäische Integration.

1979 wurde das Europäische Währungssystem (EWS) eingerichtet, das allzu starke Schwankungen der nationalen Währungen verhindern sollte. 1988 erarbeitete ein Ausschuss unter Leitung des EG-Kommissionspräsidenten Jacques Delors den "Delors-Bericht", der in drei Schritten zur Schaffung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion führte.

Im Zuge der deutschen Wiedervereinigung forderte der französische Staatspräsident François Mitterrand mit besonderem Nachdruck eine Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion. Für seine Zustimmung zur deutschen Wiedervereinigung verlangte Mitterand eine beschleunigte Einführung der Europäischen Währungsunion.

Das geht aus dem bislang geheim gehaltenen Protokoll eines Gesprächs [1] hervor, das Mitterrand mit dem damaligen Außenminister Hans-Dietrich Genscher führte. "Deutschland kann nur dann auf die Wiedervereinigung hoffen, wenn es in einer starken Gemeinschaft steht", soll Mitterand gesagt haben. Zugleich beklagte er, dass die Bundesrepublik "auf dem Weg zur Wirtschafts- und Währungsunion zurzeit bremst".

Darauf stellte Genscher laut Protokoll deutsche Zugeständnisse in Aussicht:

Es ist notwendig, in Straßburg eine Entscheidung über die Regierungskonferenz zur Vorbereitung der Wirtschafts- und Währungsunion zu treffen.

Auf dem Straßburger Gipfel einigten sich die europäischen Regierungschefs Ende 1989, die nächsten Schritte für eine Währungsunion in die Wege zu leiten. Vieles spricht dafür, dass der Euro der Preis ist, den Deutschland für die Wiedervereinigung zahlen musste: ein viele Milliarden Euro teurer Preis.

Die erste Stufe der Währungsunion wurde am 1. Juli 1990 mit der Herstellung des freien Kapitalverkehrs zwischen den EG-Staaten eingeleitet. Nachdem im Vertrag von Maastricht 1992 die rechtlichen Grundlagen für die weitere Umsetzung gelegt worden waren, begann am 1. Januar 1994 die zweite Stufe mit der Gründung des Europäischen Währungsinstituts (EWI) und der Überprüfung der Haushaltslage der Mitgliedstaaten. Die letzte Stufe war schließlich am 1. Januar 1999 die Gründung der Europäischen Zentralbank (EZB) und die endgültige Festlegung der Euro-Wechselkurse der nationalen Währungen.

Im Vertrag von Maastricht einigten sich die EU-Mitgliedstaaten 1992 auf "Konvergenzkriterien", die Staaten erfüllen mussten, um den Euro als Währung einzuführen. Sie umfassen im Einzelnen die Stabilität des Preisniveaus, der öffentlichen Haushalte, der Wechselkurse zu den übrigen EU-Ländern und des langfristigen Nominalzinssatzes.

Die EU-Konvergenzkriterien ("Maastricht-Kriterien") finden sich in Artikel 140 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEU-Vertrag). Im Einzelnen handelt es sich dabei um folgende Kriterien:

Der Stabilitätspakt ist völlig wirkungslos, da er als Sanktionen lediglich Geldbußen vorsieht. Und die würden die Haushaltslage der betroffenen Staaten noch weiter verschlechtern. Es wäre ausgesprochen blöd, das zu tun. Und deshalb hat auch der Rat Verstöße gegen den Pakt wiederholt nicht geahndet. Das spricht zwar für den Rat, ändert aber nichts daran, dass der Pakt ein blinder Papiertiger ist.

Man fragt sich manchmal, wie viele Gedanken Politiker auf Maßnahmen verschwenden, die sie beschließen: Da verletzt ein Staat Stabilitätsvereinbarungen, weil er sich in einer finanziellen Notsituation befindet. Ihm fehlt es an Geld. Und die Politiker sehen für diesen Fall Geldstrafen für den Staat vor, die nur dazu führen können, dass sich die Notsituation noch verschärft. Sind die denn völlig verblödet? Die Antwort lautet: ja.

Die innereuropäische Solidarität wird begrenzt durch die No-Bailout- oder Nichtbeistands-Klausel. Sie schließt es ausdrücklich aus, dass die EU als Ganze oder auch nur einzelne Mitgliedstaaten für die Schulden anderer Mitgliedstaaten haften (Artikel 125 AEU-Vertrag [2]).

Dadurch sollte verhindert werden, dass Mitgliedstaaten ihre Haushaltsautonomie nutzen, um sich auf Kosten anderer Mitgliedstaaten zu verschulden und dafür dann auch noch mit zusätzlichen Geldern belohnt werden. Der Grundsatz lautet: Jeder Staat trägt die alleinige Verantwortung für sein Defizit.

Auch dies blieb Theorie; denn kaum hatten die Staaten das beschlossen, taten sie das Gegenteil und spannten "Rettungsschirme" auf. Seit 2010 Kredite an Griechenland beschlossen worden, die Euro-Staaten Bürgschaften füreinander übernommen und weitere Kredite an Irland (2010), an Portugal (2011) und an Griechenland (2011) gezahlt worden waren, ist die Nichtbeistands-Klausel ausgehöhlt.

Ein Grundgedanke war die Unabhängigkeit aller nationalen Zentralbanken, um zu verhindern, dass die Regierungen der Mitgliedstaaten ihre Wirtschaftspolitik durch die Vermehrung der Geldmenge und damit durch Inflation finanzieren. Die Artikel 123 und 124 AEU-Vertrag verbieten daher jede Art von Kreditgewährung der Europäischen Zentralbank oder der nationalen Zentralbanken an die Mitgliedstaaten und jeden bevorrechtigten Zugriff öffentlich-rechtlicher Institutionen auf die Banken. Selbst der unmittelbare Erwerb von Staatsanleihen durch die Zentralbanken war ursprünglich verboten. Darüber hat sich die EZB indes längst hinweggesetzt.

Die Politik verteidigt den Euro mit allen Mitteln und ohne Rücksicht auf wirtschaftliche Realitäten. Das kann auf Dauer nicht gut gehen. Der Euro ist so konstruiert, dass jedes Mitgliedsland unbegrenzt Schulden machen darf. Der Maastricht-Vertrag formuliert zwar das genaue Gegenteil, aber wenn sich die Politik nicht daran hält, ist das gleichgültig.

Der Grundsatz "Pacta sunt servanda" mag früher einmal gegolten haben. Heute gilt er offenbar nicht mehr. Auch dies ein Charakteristikum des Umgangs demokratischer Staaten miteinander. Wenn eine internationale Vereinbarung gerade nicht in den Kram passt, wird sie missachtet. Da kann ja nichts passieren. Niemand hat damit gerechnet, dass Luxemburg seine Truppen gen Osten in Bewegung setzen würde, als Deutschland den Stabilitätspakt verletzte.

Es zeigt sich ein für das Spätstadium der entwickelten Demokratien typisches Verhalten: Man verabschiedet die fabelhaftesten Gesetze, schließt die spektakulärsten Verträge und fasst die ausgefeiltesten Beschlüsse - aber wenn die erst einmal gefasst sind, hält sich keiner daran.

Der in den Medien breit dargestellte, spektakuläre Akt des Beschließens und vielleicht auch noch in diversen Talkshows ausgiebig bekakelte Akt des Verkündens ist Sinn der Veranstaltung, nicht die Einhaltung dessen, was da beschlossen wurde. Wenn die Beschlüsse dann ein paar Monate später nicht eingehalten werden, interessiert das kaum noch jemanden. Ansonsten geht die politische Kaste immer stärker davon aus, dass sie selbst über dem Gesetz und auch über der Verfassung steht.

Schon als der Euro eingeführt wurde, warnten Wirtschaftswissenschaftler eindringlich vor den Gefahren einer Einheitswährung für eine so große und vor allem so heterogene Wirtschaftszone. Eine gemeinsame Währung ohne gemeinsame Wirtschafts-, Finanz-, Arbeits- und Sozialpolitik sei zum Scheitern verurteilt. Bei asynchronen Konjunkturzyklen stehe die Gemeinschaftswährung vor einer Zerreißprobe.

155 Wirtschaftsprofessoren verlangten in einem Manifest vom Februar 1998, die Währungsunion wegen der unzureichenden Konsolidierung der öffentlichen Haushalte um einige Jahre zu verschieben, weil der Stabilitätspakt nicht das Papier wert war, auf das er geschrieben war.

Eine nicht wirklich unabhängige Europäische Zentralbank, eine unsolide Haushaltspolitik von hochverschuldeten Mitgliedsländern sowie der steigende Bedarf an Finanzhilfen ärmerer Länder wie Italien, Spanien, Portugal, Irland und Griechenland auf Kosten der reicheren Länder wie Deutschland und Frankreich, müssten in der Zukunft zwangsläufig zu einer Geldmengenausweitung und einem schwachen Euro führen. Um die Maastrichter Stabilitätskriterien einzuhalten, hatten einige Länder ohnehin haushaltspolitisch getrickst.

Auch die großen Unterschiede zwischen den Volkswirtschaften in Europa sprachen gegen die rasche Einführung des Euros. Die Produktivitätsniveaus waren und sind noch immer sehr unterschiedlich und auch die Arbeitsmärkte, Steuer- und Sozialsysteme unterscheiden sich stark. Mit dem Wegfall des Wechselkursmechanismus als Pufferinstrument mussten diese Unterschiede im Konkurrenzkampf um Investitionen an Bedeutung gewinnen und zu europaweitem Sozialabbau und zu Steuerdumping führen.

Die Göttinger Professorin für Wirtschaftspolitik, Renate Ohr, betonte [3]:

Für die Vervollkommnung des einheitlichen Europäischen Binnenmarktes ist der vollständige Abbau nationaler Regulierungen und Diskriminierungen nicht-nationaler Anbieter sowie die Harmonisierung von Mehrwertsteuern, Verbrauchsteuern und Kfz-Steuern sehr viel wichtiger als die Einführung einer einheitlichen Währung.

Gefühlstriefende Bekenntnisse zum Euro

Kritisiert wurde auch die "Wirtschaftslastigkeit" des Jahrhundertprojekts. Die Geschichte hat gezeigt, dass nur Währungsunionen, die auf eine politische Union hinausliefen, auf Dauer überleben können. Die Währungsunion ist primär ein politisches, kein ökonomisches Projekt - das betonte auch der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker.

Statt über all diese - wie sich inzwischen herausgestellt - völlig berechtigten Argumente wenigstens nachzudenken, beeilte sich die Bundesregierung und übrigens auch die Opposition, sich gefühlstriefend zum Euro zu "bekennen".

Solche "Bekenntnisse" sind ja stets bei politischen Repräsentanten höchst beliebt, haben sie doch den Charakter nibelungenhafter Treueschwüre und schwülstiger Verbundenheit mit dem Objekt des Bekennens. Man fühlt sich heute an das terrierhafte Geifern von Markus Lanz gemahnt, als er in seiner Talkshow Sahra Wagenknecht auf Biegen und Brechen ein "Bekenntnis" zu Europa abzwingen wollte.

Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) erklärte, der Euro werde wie vorgesehen kommen. Deutschland werde selbstredend alle in der EU getroffenen Abmachungen, insbesondere die Stabilitätskriterien, klar einhalten. Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) sagte, es werde keinerlei "Tricks" bei den Teilnahmekriterien geben. Ein Aufschub hätte aber "verheerende Wirkung" auf die Finanzmärkte. Bundesaußenminister Klaus Kinkel (FDP) betonte gar, der Euro komme nicht zu früh. Er werde dringend gebraucht und werde kommen, "so sicher wie das Amen in der Kirche".

1998 stimmte eine überwältigende Mehrheit des Bundestags für die Einführung des Euro, nur 35 Abgeordnete stimmten in namentlicher Abstimmung dagegen. Ein stabiler Euro sei nützlich für die Stabilisierung deutscher Arbeitsplätze, sprach der SPD-Fraktionsvorsitzender Rudolf Scharping.

Das alles war nichts als dummes Geschwätz und eine Ansammlung einfältiger Platituden, wie man heute weiß und schon damals hätte erkennen können. Man kann der Politik den Vorwurf nicht ersparen, dass sie sehenden Auges und im geschwollenen Brustton der Überzeugung in die europäische Schuldenkrise gesteuert ist, ohne sich Gegenargumente überhaupt nur durch den Kopf gehen zu lassen. Ein klassischer Fall von besonders penetrantem Groupthink, wie er in demokratischen Gebilden immer wieder vorkommt.

Es ist ein Beispiel einer ganzen Kette besonders dumpfer Fehlentscheidungen, das ganz deutlich zeigt: Die Repräsentanten der demokratischen Politik sind zu verantwortungsbewusstem Handeln nur selten in der Lage, vor allem dann nicht, wenn sie von der Vernünftigkeit ihres eigenen Handelns so felsenfest überzeugt sind, dass sie aus ihren überdimensional aufgeblähten Brustkörben schier herauszuplatzen drohen.

Immer wieder wurde auch die Forderung nach einer europäischen Wirtschaftsregierung laut. Sie allein könnte eine gemeinsame Fiskal- und eine aktive Konjunkturpolitik in der EU möglich machen. Die Begründung leuchtet ein: Wenn die Euro-Staaten alle eine gemeinsame Wirtschafts-, Sozial und Finanzpolitik verfolgen, besteht für Europa und den Euro keine Gefahr. Tun sie es aber nicht, driften die Länder weit auseinander, und der Euro als Gemeinschaftswährung gerät in Gefahr.

Allerdings sind auch die Vorstellungen über eine gemeinsame Wirtschaftsregierung weltfremd und ziemlich naiv. Die EU kann selbst keine Steuern erheben und verfügt auch nicht über genügend Eigenmittel für eine aktive Konjunkturpolitik. Konjunkturpolitik ist Sache der einzelnen Staaten, und die können sich nur freiwillig miteinander koordinieren. Das gilt auch für die Lohnpolitik, da Tarifregelungen national begrenzt sind, und erst recht für die Arbeits- und Sozialpolitik. Bis auch nur eine lockere Koordination der Politiken von 18 heterogenen Staaten gelingt, vergehen Jahre, wenn nicht Jahrzehnte.

Die vorgesehenen Sanktionen gegen Euroländer mit überhöhtem Defizit wurden noch kein einziges Mal angewandt. 2011 verabschiedete das Europaparlament strengere Vorgaben zur Haushaltsdisziplin in den EU-Staaten, einschließlich halb-automatischer Strafen in Milliardenhöhe für notorische Defizitsünder und Volkswirtschaften mit starken Ungleichgewichten ihrer Leistungsbilanz. Doch wenn schon die schwächeren Sanktionen nicht angewandt wurden, fragt sich, weshalb sich das ausgerechnet bei den stärkeren zum Besseren wenden sollte?

Verstößt ein Land gegen die mittelfristigen Budgetziele für eine gesunde Fiskalpolitik, kann es von einer qualifizierten Mehrheit der Euroländer aufgefordert werden, seinen Haushaltsplan binnen fünf Monaten (bei schwerwiegenden Fällen binnen drei Monaten) zu ändern. Kommt es zu keiner Nachbesserung, so hat die Europäische Kommission in letzter Instanz die Möglichkeit, Sanktionen von 0,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts des Defizitsünders (0,1 Prozent bei Nichtumsetzung der EU-Empfehlungen zur Verbesserung makroökonomischer Ungleichgewichte) zu verhängen, sofern eine Mehrheit der Eurozone dagegen kein Veto einlegt.

Nun können Sanktionen bereits beschlossen werden, wenn sich ein Haushaltsdefizit der Obergrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts nähert. Zudem soll es eine schärfere Kontrolle der Staatsverschuldung geben. So werden Ländern mit einer Schuldenquote von über 60 Prozent aufgefordert, drei Jahre hindurch die über der Grenze liegende Verschuldung jährlich um ein Zwanzigstel zu reduzieren.

Vor und nach der Euro-Einführung kam es immer wieder zu Verstößen der Mitgliedstaaten gegen diese Regelungen. Die Angaben über die Vertragsverletzungen schwanken. Manche sprechen davon, die Regelungen seien gut hundert Mal gebrochen worden, andere sprechen von 68 Mal.

Welche Zahl genau stimmt, ist auch ziemlich egal. Entscheidend ist: Die europäischen Politiker haben ein fabelhaftes Werk von Stabilitätsregeln ausgedacht und eingeführt und diese Regeln bei der ersten besten Gelegenheit entweder missachtet oder gebrochen und dann immer wieder und immer wieder gebrochen, und zwar viele Male.

Das Volk ist Geldquelle und Stimmviech - sonst nichts

Griechenland konnte den Euro überhaupt nur mit Hilfe von schamlos gefälschten Statistiken einführen, und zahlreiche Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland und Frankreich, verstießen mehrfach gegen den Stabilitäts- und Wachstumspakt. Belgien bekam den Euro überhaupt nur, weil die EU-Kommission ihren Sitz in Brüssel hat und es ganz schlecht ausgesehen hätte, wenn ausgerechnet dort der Euro nicht eingeführt worden wäre. Kosmetik ist in den Mediendemokratien stets wichtiger als verantwortungsvolle Politik.

Heute ist mehr darüber bekannt, mit welchen schäbigen Tricks viele Politiker bei der Einführung des Euro gearbeitet haben. Aus politischen Gründen bekamen einige Länder den Euro, die dafür überhaupt nicht reif waren - und das kostet die Bevölkerungen heute Milliardenbeträge. Aus einst geheimen Dokumenten geht hervor, dass Italien niemals hätte in die Währungsunion aufgenommen werden dürfen. Aber Helmut Kohl wollte unbedingt beweisen, dass auch das geeinte Deutschland europäisch ausgerichtet sei und wischte alle Bedenken seiner Fachleute mit einer Handbewegung weg.

Die Bundesregierung war genauestens über die prekäre Haushaltslage Italiens im Bilde.1 [4] Sie kann sich nicht damit herausreden, dass sie keine Kenntnis hatte und aufs Kreuz gelegt wurde. Sie wollte die Fakten nicht zur Kenntnis nehmen.

Es war ihr völlig egal, dass dies die Bevölkerung gigantische Geldsummen kosten würde. Und dies wiederum ist eine Konstante demokratischer Politik: Ob ihr Handeln der Bevölkerung nützt oder schadet, ist den Politikern gleichgültig. Es macht ihnen überhaupt nichts aus, der Bevölkerung Schaden zuzufügen.

Helmut Kohl spürte die "Wucht der Geschichte". Und was schert ihn das doofe Volk, wenn ein Mann im Begriff steht, Weltgeschichte zu schreiben? In der Politik demokratisch gewählter Repräsentanten kommt das Volk nur als Geldquelle und als Stimmviech vor, aber ganz gewiss nicht als Souverän.

Man muss sich das emotionslos vor Augen führen. In einer Vielzahl von großangelegten Sitzungen, internationalen Konferenzen und zahllosen Gipfeltreffen entwickeln tausende Politiker vieler europäischer Nationen mit gigantischem Aufwand ein Regelwerk, mit dem sie die neugeschaffene Gemeinschaftswährung für fast 335 Millionen Menschen in Europa vor Verfall und Zerstörung schützen wollen. Und kaum haben sie das getan und sich auch gehörig vor lauter Stolz auf diese großartige Leistung vor die Brust geklopft, da kommen dieselben Politiker daher und missachten diese Regeln oder brechen sie sogar: zwischen 68 und 100 Mal.

Fragt man, warum sie das tun, so wird deutlich: Sie reizen immer wieder aufs Neue ihren Spielraum aus, um noch mehr Kredite aufzunehmen und den Staat weiter zu verschulden, weil sie nur noch so ihre politische Macht erhalten können.

Die Staatsverschuldung ist für die demokratischen Politiker nun einmal das bewährteste Instrument des Machterhalts. Der Handlungsspielraum wird für die Politiker mit wachsender Verschuldung zwar immer kleiner, aber noch ist er nicht gänzlich ausgeschöpft. So lange er das noch nicht ist, wird weitergewurstelt wie bisher. Und in dieser Konstellation kann nur noch gewurstelt werden. Die Möglichkeiten großer Entwürfe sind längst verspielt. Was bleibt, ist kleinkariertes Herumdoktern an kosmetischen Details.

Wenn Ökonomie und Politik aneinander vorbeireden

Man kann daran sehen, dass die Finanzen der europäischen Bürger bei diesen Politikern in den allerschlechtesten Händen sind. Und man kann auch sehen, dass der Druck zu ständig steigender Staatsverschuldung so stark ist, dass die Politiker ihm auch dann nicht widerstehen können, wenn sie es wirklich wollen und selbst Regeln geschaffen haben, die das verhindern sollen.

Sie schaffen es noch nicht einmal, ihre selbst entwickelten Regeln einzuhalten. Und da gibt es wirklich noch Leute, die glauben, die immense Verschuldung aller demokratischen Staaten sei tatsächlich zurückzuschrauben. Aber doch nicht mit diesem Politpersonal!

Man kann darüber schimpfen, wie vertrags- und wortbrüchig Politiker sind, und darüber, dass man ihren Versprechungen nicht glauben und ihnen ganz allgemein nicht über den Weg trauen darf. Das ist im Fall des Euro auch durchaus gerechtfertigt. Aber der europaweite Bruch aller gerade erst getroffenen Regelungen zeigt auch, wie stark die destruktiven Kräfte wirken, die Politiker in repräsentativen Demokratien veranlassen, die Finanzen ihres Staates immer wieder und gegen jede Vernunft zu ruinieren.

Die wirtschaftlichen Bedenken der Ökonomen gegen die überstürzte Einführung des Euro wischten die Politiker rasch beiseite. Wer sich die öffentlichen Reden von damals genauer anschaut, erkennt, dass Politiker und Ökonomen in der Sache eklatant aneinander vorbeiredeten.

Die Ökonomen kritisierten die Währungsunion ohne eine gemeinsame oder wenigstens eine koordinierte Wirtschafts-, Finanz-, Arbeits- und Sozialpolitik. Die Politiker schwärmten mit bombastischer Pathetik von einem großen Schritt in Richtung auf ein gemeinsames Europa in Frieden und Freiheit.

Das Problem war allerdings: Die Einführung des Euro ist ein Akt der Währungspolitik, also der Wirtschaftspolitik. Doch die Politiker jubilierten, dass es in Europa keine Schlagbäume mehr gibt, der 2. Weltkrieg vorbei ist und sich daran eine lange Ära des Friedens angeschlossen hat. Sie tunkten den währungspolitischen Vorgang in einen Bottich mit larmoyant-emotionaler Soße. Und damit schätzten sie völlig falsch ein, was da geschah.

Währungssysteme sind technische Einrichtungen, die helfen sollen, die wirtschaftliche Entwicklung und den gegenseitigen Austausch zu erleichtern. Nicht mehr und nicht weniger. Sie sind kein Instrument der Friedensstiftung, und an ihnen entscheidet sich weder das Schicksal der Menschheit noch das Europas. Der Frieden in Europa hängt objektiv nicht von seiner Währungsordnung ab.

Man kann das auch so sehen: Die Politiker schwelgten und schwelgen noch heute in einer ziemlich einfältigen Schwärmerei von einem friedfertig-freiheitlichen Europa ohne Waffen und ohne Schlagbäume, während sie eine Währungsunion begründeten. Sie wussten offensichtlich nicht, was sie taten. Genauer: Sie wollten es nicht wissen. Sie sahen sich selbst als historische Protagonisten eines in Frieden und Freiheit vereinten Europas, während sie sich anschickten, seine Währung und seine Finanzen zu ruinieren und große Teile seiner Jugend in die Arbeitslosigkeit zu schicken…

So betonte Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) in der Bundestagsdebatte, es handele sich "nicht nur um eine währungspolitische Entscheidung", sondern um eine, die in die "historische Dimension der europäischen Einigung" gehöre. Und Helmut Kohl wird noch heute nicht müde zu wiederholen:

Die europäische Einigung ist eine Frage von Krieg und Frieden und die Einführung des Euros ein Stück Friedensgarantie.

Zu ähnlich blumiger Europaromantik verstieg sich Kohl in der Bundestagsdebatte vom April 1998:

"Die Verwirklichung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion ist in ihren Konsequenzen die bedeutendste Entscheidung seit der deutschen Wiedervereinigung. Sie ist die tief greifendste [er meinte: "tiefst greifende" - so viel Grammatik muss sein] Veränderung auf unserem europäischen Kontinent seit dem Zusammenbruch des kommunistischen Imperiums."

Angela Merkel erklärte gar, bei der Rettung des Euro gehe es "um etwa Großes", um die "Friedensidee Europas". Das werde leicht vergessen, "wenn nur von Krisenmechanismus, Stimmrechten, Verträgen, Stabilitätskultur, Rettungsschirmen, IWF, Währung, EZB und vielem mehr die Rede ist". Und auch EU-Kommissar Günther Oettinger betonte:

Die Währung ist auch ein Garant für Frieden. Es geht nicht nur um Haftung, es geht auch um die Friedensordnung. Die Europäische Union insgesamt und ihre Währung sind zwei Garanten für dauerhaften Frieden, für Partnerschaft und Freundschaft.

Doch die Völker Europas scheinen der Friedensrhetorik nicht auf den Leim gehen zu wollen. Denn seit der Einführung des Euro breitet sich Unfrieden in Europa aus - und zwar wegen des Euro.

In Griechenland herrschen bürgerkriegsähnliche Zustände. Die Medien in Italien, in Spanien, den Niederlanden und Großbritannien verbreiten Hass gegen Deutschland und die Deutschen. Die italienische Zeitung "Il Giornale" zitierte Silvio Berlusconi, der die Bundeskanzlerin als "unfickbaren Fettarsch" (culona inchiavabile) bezeichnete. Angela Merkel wird in Zeitungen als Nazi-Schlampe bezeichnet oder mit Hitler-Schnurrbart abgebildet.

Hemmungslos schlagen sich die europäischen Völker wieder alte Zerrbilder um die Ohren, die man lange nicht gehört hat. Die Deutschen sind wieder die Nazis, während Südländer faule Säcke und Betrüger genannt werden. In der Presse der EU-Staaten fehlt kein Klischee, im Internet erst recht nicht und im Fernsehen auch nicht. Manche Sätze, die da in jüngster Zeit zu lesen waren, erinnern an die Jahre vor und zwischen den Weltkriegen.

Der raue Ton ist eine Niederlage für den europäischen Friedensprozess. Die europäische Einigung scheitert auf genau dem Feld, das immer ihr Hauptanliegen war: der Aussöhnung von Völkern, die einander in einer sehr langen gemeinsamen Geschichte mit Argwohn und Feindseligkeit begegneten.

Bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit spricht man in Griechenland vom drohenden Einmarsch der Wehrmacht. Die Spitzenverbände von Ärzten, Rechtsanwälten und Bauingenieuren einigten sich Anfang 2012 in Athen auf einen gemeinsamen Boykott von Waren aus Deutschland.

Die Mehrheit der Griechen sieht die EU inzwischen als das "Vierte Deutsche Reich" an. Der Lack der Völkerfreundschaft ist hauchdünn und schon zerkratzt. Und schnell bricht der alte Hass hervor. Vor der Einführung des Euro ging es in Europa deutlich friedvoller zu.

In der europäischen Politik hat sich eine unwirkliche Form des orwellschen Newspeak als offizielle Sprachregelung etabliert. Während die politische Klasse gebetsmühlenartig davon schwärmt, Frieden und Freiheit in Europa hänge vom Wohlergehen des Euro ab, herrscht zwischen den Staaten und den Völkern so viel Unfrieden und mitunter gar Hass wie kaum je zuvor.

Man kann die Augen nicht davor verschließen, dass mehr als zehn Jahre nach Einführung des Euro zwischen den Ländern der Eurozone sich eine eher unfriedliche, friedlose, ja feindselige Atmosphäre festzusetzen droht. Längst begrabene nationale Vorurteile und Klischees werden wieder lebendig - und je primitiver sie daherkommen, desto beliebter sind sie.

Noch ist nicht sicher, ob sich diese mitunter gar hasserfüllte Atmosphäre auf Dauer festsetzen wird. Aber es ist sicher, dass sie den Turbulenzen der Staatsschulden- und Eurokrise zu verdanken ist. Mit der Eskalation der Schuldenkrise haben auch die Konflikte zwischen den Mitgliedsländern und Institutionen der Eurozone wie auch innerhalb einzelner Eurostaaten an Intensität und Irrationalität gewonnen. Diese eskalierenden politischen Auseinandersetzungen, deren Frontverläufe quer durch politische Gruppierungen wie internationale Allianzen verlaufen, resultieren gerade aus dem Unvermögen der Politik, die Systemkrise zu überwinden.

Und je feindseliger die Stimmung zwischen den Nationen und inzwischen auch den Völkern wird, desto verbockter beharren die politischen Repräsentanten auf der Behauptung, der Euro sei der Garant des Friedens und der Freiheit in Europa.

Wer das hört, fragt sich verwundert, ob die Politiker und die Völker auf ein- und demselben Kontinent leben oder ob die einen gar von einem ganz fernen Planeten entlaufen sind. Auf jeden Fall ist ihre Wahrnehmung nachhaltig gestört. Die wirkliche Wirklichkeit ähnelt in keiner Weise dem, was die Politiker als politische Wahrheit proklamieren.

Auf dem Höhepunkt der Eurokrise ist die allgemeine Stimmung der Bevölkerung in eine tiefe Europaskepsis umgeschlagen, die es vorher nicht gab. In allen EU-Staaten hat die Euroskepsis in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Tatsächlich bewerten viele Menschen den Einigungsprozess grundsätzlich neu. Die Zeiten der andauernden Europaeuphorie sind vorüber.

Vor wenigen Jahren noch verstanden sich viele Menschen zuerst als Europäer und dann als Angehörige ihrer Nation. Heute tun das nur noch wenige. Die Menschen stehen Europa im günstigsten Fall noch gleichgültig gegenüber, wenn nicht inzwischen gar feindselig. Das ist eine unmittelbare Folge des Euro und der Eurokrise. Europas Wähler entgleiten der Politik. Der Anteil der Deutschen, die dem Euro vertrauen, lag 2013 bei nur noch 38 Prozent. Für eine Währung, deren wichtigstes Kapital Vertrauen ist, ein katastrophales Ergebnis.

Die Bürger sollten endlich begreifen, dass die Politik dieses Landes in den Händen einer Bande schwülstig daher schwadronierender Politgockel liegt, die primitivste Zusammenhänge nicht begreifen und ihre Ignoranz unter einem gewaltigen Schwall leerer, aber tönender Redensarten kaschieren.

Besonders wenn es darauf ankäme, Zusammenhänge wirklich zu begreifen, reden sie meist nur dumm daher. Es ist aber auf Dauer unmöglich, ganze Länder mit blödem Gesülze zu regieren oder gar durch Krisen zu führen.

Das Urteil des französischen Historikers und Sozialwissenschaftlers Emmanuel Todd2 [5] ist eindeutig: "Der Euro geht in die Geschichte ein als der Meister-Irrtum der herrschenden Eliten in Europa. Sie wussten nicht, was sie schufen - einen Zombie -, und können sich deshalb auch nicht davon lösen."

Und weiter:

Tatsache ist, dass die Währungsunion Spannungen und Gegensätze in Europa auf das Äußerste verschärft hat. Der Euro bringt die Europäer gegeneinander auf. Die nationalen Währungen waren ein Instrument der Regulierung im gemeinsamen Markt, um Unterschiede in der Wettbewerbsfähigkeit auszugleichen. Um das zu erkennen, braucht man keinen Nobelpreis für Ökonomie.

In einer Situation, in der es entscheidend auf eine fach- und sachgerechte Analyse von Vorteilen und Nachteilen einer folgenschweren währungspolitischen Entscheidung angekommen wäre und nicht auf eine romantische Heraufbeschwörung blühender Landschaften, verstiegen sich die Politiker zu ebenso emotionaler wie banaler Europa-Euphorie, beschworen Schreckensvisionen vom 2. Weltkrieg und zelebrierten feierlich und in gestelzten Reden die allgemeine Hoffnung auf Friede, Freude und auch besonders viel Eierkuchen.

Originalton Bundeskanzler Helmut Kohl im Bundestag [6]3 [7]:

Der Euro stärkt die Europäische Union als Garanten für Frieden und Freiheit. Von der heutigen Entscheidung - ich meine das nicht pathetisch - hängt es wesentlich ab, ob künftige Generationen in Deutschland und in Europa in Frieden und Freiheit, in sozialer Stabilität und auch in Wohlstand leben können.

Übrigens betonte Kohl in derselben Debatte auch:

Meine Damen und Herren, nach der vertraglichen Regelung gibt es keine Haftung der Gemeinschaft für Verbindlichkeiten der Mitgliedstaaten und keine zusätzlichen Finanztransfers.

Es war von Anfang an klar, dass auf derartige Versprechungen nicht viel zu geben ist. Und so hampelt die Eurozone seither von einer Krise in die nächste und von einem Rettungsschirm für den Euro zum nächsten.

Auch dies ein Charakteristikum der auf Medien- und Publikumswirkung um jeden Preis zielenden demokratischen Politik: Öffentliche Angelegenheiten und Beziehungen zwischen Staaten begreifen sie vorwiegend in privaten Kategorien. In der Euro-Staatsschuldenkrise sehen sie sich stets in der Pose des edlen "Retters", der den "in Not" geratenen europäischen "Freunden" in entschlossener "Solidarität" zur Hilfe eilt. "Freunde" lässt man nun einmal nicht "im Stich".

Viele Befürworter des Euro setzen nun einmal die Befürwortung des Euro mit der Begeisterung für die europäische Einigung gleich und verstehen ihre eigene Rolle als die einer Avantgarde. Doch sie sind keine Avantgarde einer europäischen Friedensordnung. Sie sind eher ihre Totengräber. Und die Politik, die sie betreiben, ist klar gegen die Interessen breiter Bevölkerungsschichten gerichtet.

Viele Menschen in vielen Ländern Europas müssen einschneidende Einbußen an Einkommen hinnehmen. Einige Länder leiden unter Massenarbeitslosigkeit. Parlamentarier, Abgeordnete, Parteifunktionäre, Regierungsbeamte und Regierungsmitglieder zählen allerdings nicht zu diesen Menschen.

Die Behauptung, der Euro sei eine "Friedenswährung" oder gar der "Garant für den Frieden in Europa" ist nichts weiter als hanebüchener Unsinn. Sachlich ist an der Euro-Friedens-Euphorie noch nicht einmal ein Körnchen Wahrheit. Zwischen den westlichen Staaten herrscht seit 1945 Frieden - auch ohne eine gemeinsame Währung.

Auch in den Jahrzehnten vor Einführung des Euro beherrschte die deutsch-französische Freundschaft die europäische Szene. Die Briten kämpften nicht gegen Deutsche und auch nicht gegen Franzosen, obwohl die Briten noch immer nicht den Euro haben. Die USA haben keine militärischen Konflikte mit Kanada, und Japan hat keine mit den USA, auch Südkorea nicht mit Japan. Nach 1945 zog Frieden ein in der westlichen Welt und zwar völlig unabhängig von der Währungsordnung. Der Friede in Europa und in der westlichen Welt steht auf einer sehr viel solideren Basis als der europäischen Gemeinschaftswährung.

kosch.htm


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Links in diesem Artikel:
[1] http://www.spiegel.de/politik/ausland/historischer-deal-mitterrand-forderte-euro-als-gegenleistung-fuer-die-einheit-a-719608.html
[2] http://dejure.org/gesetze/AEUV/125.html
[3] http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/an-argumenten-gegen-den-euro-mangelt-es-nicht/35212.html
[4] https://www.heise.de/tp/features/Die-Euro-Schuldenkrise-und-die-Politik-hilflosen-Gehampels-3364705.html?view=fussnoten#f_1
[5] https://www.heise.de/tp/features/Die-Euro-Schuldenkrise-und-die-Politik-hilflosen-Gehampels-3364705.html?view=fussnoten#f_2
[6] http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/13/13230.pdf
[7] https://www.heise.de/tp/features/Die-Euro-Schuldenkrise-und-die-Politik-hilflosen-Gehampels-3364705.html?view=fussnoten#f_3