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Die Facebook-Falle

Interview mit Sascha Adamek über gravierende Risiken und Nebenwirkungen des Internet-Giganten - Teil 1

In der öffentlichen Wahrnehmung ist Facebook [1] vor allem ein riesiges soziales Netzwerk, das den Kontakt von Menschen quer über den Globus erleichtert. Doch der Kommunikationskonzern ist keineswegs eine neutrale Kontaktbörse und Mitteilungs-Plattform, sondern ein kommerziell ausgerichtetes Unternehmen. Facebook erzielt Milliardengewinne mit der Entprivatisierung seiner Nutzer, indem es deren Daten erfasst und zu präzisen Werbezwecken an Dritte weitergibt. Dass dabei nicht nur die Privatsphäre der User, sondern auch Datenschutz und Urheberrecht nach deutscher Rechtsprechung auf der Strecke bleiben, scheint das Unternehmen, das bei genauerer Recherche immer dubioser wird, nicht zu stören. Sascha Adamek [2] war dem zweifelhaften Internet-Giganten auf der Spur und fördert in seinem Buch "Die Facebook-Falle" [3] Brisantes zutage.

Herr Adamek, Sie schreiben in ihrem Facebook-Buch: "Das soziale Netzwerk ist eine Ideologie, die unser aller Leben nachhaltig verändern wird." - Was meinen Sie damit?
Sascha Adamek: Wenn wir Facebook beitreten, tun wir das in der Regel freiwillig. Also könnte man bei einer so offenen Bewegung annehmen, dass sie nicht viel mit Ideologie zu tun hat, weil die Ideologen dahinter fehlen - die charismatischen Leitwölfe. Tatsächlich würde ich aber von einer Ideologie der hemmungslosen Technikbegeisterung sprechen, die die Macher von Facebook umtreibt. Dem Unternehmen gelingt es ja tatsächlich, uns durch immer neue äußerst bedienungsfreundliche Werkzeuge zu einer weitgehenden Öffnung unserer Persönlichkeiten im Netz zu verleiten.
Immer mehr Interessen, Bedürfnisse und Meinungen aus unserem analogen Leben spiegeln wir freimütig in unserem digitalen Ich auf Facebook. In diesem Sinne folgen wir gegenwärtig der Vision von Mark Zuckerberg, dass wir nur eine Identität haben, die wir eins zu eins im analogen wie digitalen Leben offenlegen. Dass wir damit die Welt auch besser machen, wie Zuckerberg behauptet, wage ich zu bezweifeln. Zu allererst schaden wir uns selbst, wenn wir meinen, überall das Gleiche von uns preisgeben zu müssen. Ich finde, Geheimnisse und auch die einfache Tatsache, dass wir unserem Lebenspartner, unseren Eltern, Freunden und dem Chef nicht das Gleiche von uns mitteilen, gehören zu unserer Kultur. "Hoher sozialer Druck"
Zwar ist es Facebook gelungen, unsere Vorstellung von Privatsphäre zu verrücken, aber immer mehr Menschen leiden damit Schiffbruch und denken vielleicht erstmals über Privatsphäre im Netz nach. Wer sich die Facebook-Ideologie der einen Identität klarmacht, ist vielleicht am besten geschützt, ihr vollkommen zu erliegen.
Ist Facebook als eine Art Gehirnwäsche zu verstehen, die der Einzelne als Teil der Masse selbst produziert und die dann als verselbständigtes Ganzes gegen ihn zurückschlägt? Woher erwachsen die Konformitätszwänge bei Facebook? Was nötigt die Menschen in der virtuellen Welt, eine Existenz als Trend-Scout und Klatschreporter-ihrer-selbst zu fristen?
Sascha Adamek: Facebook hat seine eigenen Rituale, sogar seine eigene Kommunikationskultur. Dass dies in siebzig Sprachen und in den unterschiedlichsten Kulturkreisen gelingt, spricht zunächst dafür, dass diese Idee eine Sehnsucht der Menschheit anspricht: die eigene Einsamkeit zu überwinden und sich als Teil eines Ganzen zu fühlen. Das ist an sich nichts Schlechtes. Problematisch wird es erst, wenn wir als Individuen abhängig von der Technologie werden.
Wer intensiv auf Facebook unterwegs ist, weiß, dass es schwer ist, dieses innere Rad zurückzudrehen. Bei dem Versuch Facebookless [4] in der Schweiz blieben fünfzig Mitglieder 30 Tage abstinent. Teilnehmer äußerten: "Wie wenn ich mein Tagebuch aus der Hand geben würde" oder: "Facebook ist wie ein Fenster zur Welt, und ich bin jetzt nicht am Fenster." Sie spürten alle hohen sozialen Druck der zurückgebliebenen Facebook-Freunde. "Vier Milliarden Dollar Gewinn"
Andererseits sprachen alle am Schluss davon, ruhiger und ausgeglichener gelebt zu haben. Klatsch lieben die Menschen im Übrigen auch im analogen Leben, zu Reportern werden wir aber erst durch die technische Verbreitung via Facebook. Ähnlich ist es mit der Produktwerbung. Nichts gegen freundschaftliche Empfehlungen. Aber nur Facebook gelingt es, uns selbst zu Werbeträgern, samt eigenem Bild zu machen. Das nervt aber zunehmend auch Menschen, die gern und häufig auf Facebook kommunizieren.
Welche Einnahmen hat Facebook letztes Jahr erwirtschaftet?
Sascha Adamek: Da Facebook noch nicht börsennotiert ist, sind sämtliche Daten mit einiger Vorsicht zu genießen, denn der Konzern ist noch nicht veröffentlichungspflichtig. 2009 waren es laut Facebook sechshundertfünfzig Millionen Dollar Gewinn, 2010 lagen die Einnahmen laut dem Branchendienst eMarketer bei 1,86 Milliarden Dollar, für dieses Jahr werden sie auf 4 Milliarden prognostiziert. Welche Investitionen dem gegenüberstehen, werden wir ab dem Börsengang 2012 sehen können.
Mit was genau macht die Internet-Plattform ihr Geld?
Sascha Adamek: Facebook bietet der werbetreibenden Industrie die Möglichkeit, zielgenau auf unsere Person Werbung zu schalten. Sie fordert Unternehmen direkt auf, eine Zielgruppe zu wählen, deren "Lebensstil" zu ihren Produkten passt. Auch partizipiert Facebook über Gebühren an Online-Spielen wie Farmville, die via Facebook gespielt werden können.
Worin liegt die besondere Attraktivität von Facebook für Konsummittel-Konzerne?
Sascha Adamek: Schon bevor eine Entwicklungsabteilung ein neues Produkt auf den Markt wirft, kann das Unternehmen in die fünfhundert Millionen Nutzer starke Community "hineinhören". Sie mindern das Risiko, eine Bauchlandung zu erleben, indem sie schon vorher Änderungen unserer Bedürfnisse und Interessen messen. Dafür stehen ihnen bereits heute Mittel des opinion minings [5] zur Verfügung, also einer Art Meinungsumfrage, von der aber wir Nutzer gar nichts mitbekommen. Und ist ein Produkt auf dem Markt, können die Unterhaltungen auf Facebook auf Stichworte getrackt werden, die das Produkt betreffen. Die hier verwendeten Programme sind bereits so ausgefeilt, dass sie "am Tonfall" eines Satzes erkennen, ob wir ein Produkt gut oder problematisch finden. Hinzu kommen die offensichtlichen Instrumentarien wie der "Gefällt-mir"-Button und Fanseiten.
Sogenannte "Community-Manager" aus der Werbebranche können zugleich dafür sorgen, Beschwerden über Produkte schon digital abzufangen und kurzfristig zu bearbeiten. Der Vorteil für die Kunden: Sie müssen sich nicht mehr in Warteschleifen quälen. Der Vorteil für das Management: Sie brauchen keine unkontrollierte Welle der Empörung über ein Produkt mehr zu fürchten.

"Aggressive und rechtswidrige Art der Mitgliederwerbung"

Wie kommt Facebook an vertrauliche Informationen aus Adress- und Kontaktdateien?
Sascha Adamek: Facebook hat eine Freunde-Such-Funktion, die zu benützen wir permanent aufgefordert werden. Dazu kann der User auf einer speziellen Maske bei Facebook einmalig das Passwort seines E-Mail-Accounts auch bei einem anderen Provider eingeben. Sämtliche Daten - neben Namen, Adressen, Geburtsdaten auch persönliche Notizen - werden so in den Facebook-Server geladen. Häufig sind das Daten von Menschen, die noch gar nicht bei Facebook sind. Diese Daten verwendet Facebook dann für die Einladung neuer Mitglieder - in unserem Namen.
Das wäre so, als wenn die Telekom oder Web.de einfach an die Leute Werbungen verschickte, die ich in meinem Adressbuch bei diesen Unternehmen hochlade. Facebook zeigt uns sogar die "Freunde" an, die diese Funktion selbst schon bedient haben. Merkwürdigerweise kenne ich Fälle, wo diese absolut sicher sind, das nie getan zu haben. Stimmen die Aussagen dieser User, würde die Frage, woher Facebook an die Daten kommt, noch mysteriöser. Leider hat Facebook diese aggressive und rechtswidrige Art der Mitgliederwerbung bis heute nicht eingestellt.
Was passiert, sobald man sein E-Mail-Passwort bei Facebook eingegeben hat?
Sascha Adamek: Ein brisanter Test mit dem Institut für Internetsicherheit Gelsenkirchen [6] hat ergeben, was aus den Adressbüchern zu Facebook gelangt: Alles. Im Test gaben wir dem Max-Mustermann noch ein paar Notizen bei, er sei geschwätzig und auf Arbeitssuche. Auch fügten wir eine Mobilnummer mit dem Stichwort "sexy Schnitte" hinzu. Alles landete bei Facebook - und am Schlimmsten: ohne die von Facebook versprochene SSL-Verschlüsselung. Jahrelang haben Menschen so womöglich ihr allerheiligstes Passwort unverschlüsselt an Facebook übertragen und jeder, der wollte, konnte die Email-Passwörter abgreifen. Seit Mai 2010 verschlüsselt Facebook allerdings diese Funktion.
Warum geben Menschen überhaupt ihr Passwort so bereitwillig an Facebook weiter?
Sascha Adamek: Facebook ist atemberaubend einfach in der Bedienung und das verführt User auch zu Dingen, die sie im analogen Leben nie täten. So lädt uns Facebook freundlich ein: "Durchsuchen deines E-Mail-Kontos ist der schnellste Weg, um deine Freunde auf Facebook zu finden". Hinzu kommt, dass Facebook immer mit "Freunden", nicht mit dem zutreffenderen Wort "Kontakte" operiert. Dieser Marketingtrick macht uns unvorsichtig, denn wir meinen, doch "nur Freunde zu suchen." Ich selber gebe meinen Briefkastenschlüssel meiner Nachbarin, wenn ich in den Urlaub fahre. Aber würde ich den Schlüssel auch einem Unternehmen irgendwo in Kalifornien überlassen, das mir dazu noch verspricht, ihn nicht zu kopieren und schon gar nicht meine Briefe zu lesen? Niemals!
Wie kommt Facebook an Daten von Menschen, die sich gar nicht angemeldet haben?
Sascha Adamek: Das erreicht Facebook vor allem mit der gerade beschriebenen "Freunde-Such"-Funktion. Aber auch durch den "Gefällt-mir"-Button ist Facebook auf den Rechnern von Nicht-Mitgliedern präsent. Dieser ist mittlerweile auf 350 000 Webseiten integriert, darunter auch die beliebteste deutsche Online-Seite Bild.de. Nehmen wir an, ich bin kein Facebook-Mitglied und gehe einfach nur auf die Seite von Bild.de. Den "Gefällt-mir"-Button kann ich als Nicht-Mitglied gar nicht bedienen. Aber schon in dem Augenblick, in dem ich einfach einen Artikel lese, setzt Facebook zwei persistente Cookies auf meinen Rechner. Über zwei Jahre kann Facebook so sehen, welche Artikel ich lese. Und wenn ich dann eines Tages doch noch dem Netzwerk beitrete, weiß Facebook unter Umständen schon mehr über mich, als ich selbst erinnere. Sie haben ein Persönlichkeitsprofil meiner Interessen. Deshalb habe ich den "Gefällt-mir"-Button auch als "Facebook-Trojaner" bezeichnet.
Welches Potential birgt diese Taste für die Werbewirtschaft?
Sascha Adamek: Der "Gefällt mir"-Button dient Facebook dazu, unsere Konsuminteressen und Bedürfnisse genau zu rastern. Und je enger die Plattform dieses Raster unserer Person strickt, desto besser kann sie für die werbetreibende Industrie Anzeigen setzen, die auf uns ganz persönlich zugeschnitten sind. Hinzu kommt der Aspekt des Empfehlungs-Marketings. Denn seien wir ehrlich: den Empfehlungen durch unsere "Freunde" folgen wir allemal lieber als wildfremden Anzeigen. Darin liegt der psychologische Trick. Allerdings gibt es längst Firmen, die die Zustimmung via "Gefällt mir" künstlich generieren. Facebook geht zwar gegen solche Firmen vor. Aber je häufiger sich dieser Verdacht ergibt, desto schwieriger wird es für Facebook, die Werbewirtschaft von der Aussagekraft des "likens" zu überzeugen. Jüngstes Beispiel: die merkwürdige, Tag und Nacht gleichermaßen anschwellende Zahl von "Gefällt mir"-Stimmen für den Ex-Minister Guttenberg. Während dort auf Facebook angeblich Hunderttausende für Guttenberg stimmten, fanden sich bei den anschließenden Straßendemonstrationen nur ein paar versprengte "echte" Demonstranten.

Datenschutzrechtlich gegen die deutschen Partnerfirmen von Facebook vorgehen

Wie sieht es mit den Datenschutz-Bestimmungen bei Facebook aus?
Sascha Adamek: Die New York Times schrieb einmal, diese Bestimmungen seien länger als der Wortlaut der amerikanischen Verfassung. Man könnte also annehmen, es bei Facebook mit einem besonders Datenschutz-sensiblen Unternehmen zu tun zu haben. Das Gegenteil ist der Fall: man liest hier, was Facebook alles darf und könnte, aber nicht genau, wie sie unsere Daten verarbeiten. Kaum ein Nutzer liest das, weil die schiere Textmenge einen erschlägt. Und wer es genau wissen will, kommt trotzdem nicht weiter. Jüngstes Beispiel: die umgehende Personalisierung (Firmen, bei denen ich Fan werde oder "gefällt mir" klicke, können direkt auf mein Profil zugreifen). Facebook schaltet diese Technik in Deutschland frei, behauptet aber, es hier nicht zu nutzen. Selbst staatliche Datenschützer können nicht nachprüfen, ob Facebook nun seinen Partner-Unternehmen den direkten Zugriff auf unsere Persönlichkeitsdaten ermöglicht.
Welche Instanzen überwachen Facebook bei der Einhaltung des Datenschutzes?
Sascha Adamek: In Deutschland gar keine, weil Facebook den Behörden Auskunft und Zugriff auf ihre Datenverarbeitungsmethoden weitestgehend verweigert. Trotzdem beruft man sich auf eine unabhängige Firma namens TRUSTe, die den Datenschutz überwache. Ich habe nur gestaunt, dass 2008 einer der wichtigsten Facebook-Investoren, Accel-Partners mit 10 Millionen Dollar bei TRUSTe eingestiegen ist. Soviel zur unabhängigen Kontrolle.
Gibt es Möglichkeiten, von politischer Seite diesbezüglich gegen Facebook vorzugehen? Ilse Aigner hat ja seinerzeit das Unternehmen aufgefordert, die Datenschutzrichtlinien zu ändern und bei deren Beibehaltung mit der Beendigung ihrer Facebook-Mitgliedschaft gedroht. Ernsthafte politische Konsequenzen sehen wohl anders aus...
Sascha Adamek: Ilse Aigner hat zwar ihr Facebook-Profil gelöscht, weil das Unternehmen seine illegalen Praktiken nicht einstellte. Ich glaube aber nicht, dass ihr öffentlichkeitswirksames Auftreten auch nur ein Gespräch am Kaffeeautomaten in der Facebook-Zentrale wert war. Facebook hat einfach kein wirkliches Interesse an der Einhaltung europäischer Datenschutz-Standards und ich glaube nach meinen Recherchen, sie verstehen die Mentalität hinter unserer Kritik auch nicht wirklich.
Der Datenschützer Thilo Weichert sagte mir mal scherzhaft, wenn Mark Zuckerberg mal wieder zum Weltwirtschaftsforum nach Davos komme, könne man ja die Radkappen seiner Limousine beschlagnahmen, um Bußgelder durchzusetzen. Weichert ist Realist. Aber er fügte auch hinzu, dass der nächste Schritt gegen die deutschen Partnerfirmen von Facebook gehen müsse. Die unterliegen deutschem Recht und sind auch für Bußgeldbescheide zu erreichen. Setzt sich Weicherts Linie durch, müssen also alle Webseiten, die Facebook über den "Gefällt-mir"-Button behilflich sind, Cookies bei Nicht-Mitgliedern zu setzen, auf datenschutzrechtliche Verfahren einstellen.
Ist die Art der Kommunikation bei Facebook überhaupt vereinbar mit dem Urheberrecht?
Sascha Adamek: Facebook sagt zwar in seinen Nutzungsbedingungen: "Du gibst uns eine nicht-exklusive, übertragbare, unterlizenzierbare, unentgeltliche, weltweite Lizenz für die Nutzung jeglicher IP-Inhalte, die du auf oder im Zusammenhang mit Facebook postest." Ich habe einen Urheberrechts-Experten deshalb gefragt, ob das statthaft ist. Seine Antwort: Facebook kann das zwar schreiben, aber mit deutschen Urheberrecht verträgt sich das keineswegs. Jeder kann also gegen solche Verstöße auch auf Facebook rechtlich vorgehen.
Falls man bei Facebook nicht mehr mitmachen möchte, welche Möglichkeiten gibt es, seine Einträge zu löschen?
Sascha Adamek: Relativ einfach ist die Funktion "Konto deaktivieren" zu finden. Wer jedoch denkt, damit sein Profil zu löschen, irrt. Die Daten bleiben dann trotzdem bis zum Sanktnimmerleins-Tag bei Facebook. Facebook lässt uns nicht gerne gehen, also braucht es etwas Mühe, auszusteigen. Auf der Hilfeseite von Facebook kann man den Suchbegriff "Konto löschen" eingeben. Das funktioniert dann. Das heißt jedoch nicht, dass ich damit meine digitalen Facebook-Spuren im Netz gelöscht habe, denn einiges könnte längst bei Google gespeichert sein. Denn seit 2009 sind Facebook-Profile über Suchmaschinen auffindbar. Um auch das zu löschen, empfehle ich, ein Schreiben an Google u.a., mit der dringenden Bitte um Löschung. Wenn die Einträge ernsthafterer Natur sind, sollte man einen sogenannten Reputationsmanager einschalten. Die kosten zwar Geld, sorgen aber für die weitgehende Lösung unserer Spuren.
Sie haben während der Recherchen zu ihrem Buch versucht, den Sitz von Facebook in Europa und in Deutschland herauszufinden, sind aber nicht wirklich fündig geworden...
Sascha Adamek: Das war schon eine schräge Geschichte. Im Februar 2010 verkündete Facebook, eine Niederlassung in Hamburg zu eröffnen, um bessere Kontakte zur deutschen Werbewirtschaft zu bekommen. Im Telefonbuch fand ich eine Adresse, gleichlautend im Handelsregister unter Facebook Germany GmbH: Am Rathausmarkt 5. Es ist ein eindrucksvolles Bürogebäude direkt gegenüber dem Hamburger Rathaus. Auf den riesigen Tableaus mit Klingelschildern fand ich jede Menge Anwaltskanzleien, die Bank of China und eine Fondsgesellschaft, nur von Facebook keine Spur. Ebenso innen an den Briefkästen.
Ich bin dann die Treppe hochgegangen und habe beim Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung geklingelt. Dort öffnete mir ein junger Mitarbeiter. Er erinnerte sich, dass Facebook Ende 2009 für ein paar Wochen ein Klingelschild und sogar einen Briefkasten hatte. Aber mitbekommen habe man von den prominenten Nachbarn nichts. Die Stiftung habe sogar fragen wollen, ob Facebook an einer Veranstaltung zu sozialen Medien teilnehmen könne, aber jeglicher Versuch, die Firma im eigenen Bürohaus zu finden scheiterte genauso wie die Suche im Internet. Diese Episode steht leider für die gesamte Erreichbarkeit des Kommunikationsriesen. Selbst die Datenschutzbehörde Schleswig-Holstein, die Facebook mit einem Bußgeld drohte und vier Wochen Frist setzte, erhielt erst drei Monate später einen Brief, der allerdings auch nicht viel sagte.
Letztes Jahr wurde eine Initiative "Soziale Netzwerke gegen Nazis" gegründet, der zum Beispiel auch Stay Friends, My Space und Youtube beigetreten sind. Facebook hingegen nicht. Welche Begründung hat das Unternehmen hierfür abgegeben?
Sascha Adamek: Soweit ich weiß, hieß es, man unterstütze das Anliegen, sei aber noch nicht so weit, beizutreten. Das liegt nun wieder Monate zurück. Die beigetretenen Netzwerke achten aktiv darauf, rassistische und antisemitische Inhalte und Mitglieder zu löschen. Facebook verfolgt offenkundig eine andere Philosophie. Solange zum Beispiel die NPD nichts ins Netz stellt, was strafbar ist, will man sie auch nicht verbannen. Es läuft auf eine weitest gehende Duldung hinaus. Nach amerikanischem Recht ist übrigens nicht einmal die Leugnung des Holocaust strafbar.

Im zweiten Teil des Interviews geht es unter anderem über das Erkenntnispotential der Internet-Plattform für Geheimdienste und deren Rolle bei den Aufständen in Nordafrika


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[2] http://www.randomhouse.de/author/author.jsp?per=222651
[3] http://www.randomhouse.de/book/edition.jsp?edi=361574
[4] http://www.rod.ag/facebookless/index.php
[5] http://www.hdm-stuttgart.de/redaktionzukunft/beitrag.html?beitrag_ID=536
[6] http://www.internet-sicherheit.de/institut/buch-sicher-im-internet/workshops-und-themen/topthema/