"Die Gefahr war noch nie so hoch wie heute"
Ein Gespräch über rechte Staatsnetzwerke und die verlorenen Waffen der Bundeswehr mit Mitgliedern des Künstlerkollektivs "Zentrum für politische Schönheit" (ZPS)
Das Zentrum für politische Schönheit hat mit "Unsere Waffen" eine neue Aktion gestartet. Sie wollen die verlorenen Waffen der Bundeswehr aufsammeln. Was hat es mit dieser Aktion auf sich, können sie Ihr Vorgehen unseren Lesern erläutern?
ZPS: Aufgrund der fehlenden Meldebereitschaft in Truppe und Zivilgesellschaft und den miserablen Aufklärungsergebnissen des Militärgeheimdienstes MAD (Militärischer Abschirmdienst), der im letzten Jahr nur 14 Extremisten in der Truppe entdeckte und bisher nicht ein Gramm von über 60kg verschwundenem Plastiksprengstoff wiederfand, haben wir diesen Laden jetzt übernommen und suchen gemeinsam mit und als MAD sowohl nach Extremisten als auch nach verlorenen Waffen, Munition und Sprengstoff.
Alle Soldatinnen und Soldaten und die gesamte Zivilgesellschaft können uns unbürokratisch über die Kampagnenseite unsere-waffen.de Hinweise übermitteln. Außerdem bieten wir, gemeinsam mit der Verteidigungsministerin, eine Waffen-Rückgabestation vor dem Bundeskanzleramt an, wo bisher im Garten versteckte Waffen anonym und straffrei eingeworfen werden können.
Was hat die Bundeswehr so alles "verloren" in den vergangenen Monaten und Jahren? Können Sie uns einen Überblick über all die Waffen geben, die sie suchen?
ZPS: Interessant ist, dass es von Bundeswehr und Regierung gegenüber der Öffentlichkeit regelmäßig heißt, man wisse gar nicht genau, was insgesamt alles fehlt, weil es dazu keine zentrale Datei gäbe. Uns liegen aber interne, als Verschlusssache klassifizierte Dokumente vor, die zeigen, dass es sehr wohl eine Übersicht gibt und nur ein Bruchteil der tatsächlich verlorenen Waffen öffentlich bekannt ist. Einen Überblick über die Zahlen aus diesem Dokument bieten wir jetzt für alle Bürgerinnen und Bürger unter unsere-waffen.de.
"Es werden immer wieder Waffen aus Bundeswehrbeständen bei Reichsbürgern, rechten Preppern und Extremisten gefunden"
Der Hintergrund Ihrer Aktion ist leider bitterernst, wie es scheint. Die rechtsextremen Fälle im Staatsapparat, bei Bundeswehr und Polizei häufen sich ja in letzter Zeit. Gibt es Erkenntnisse, wie viele dieser Waffen in dem wachsenden braunen Sumpf verschwanden? Ist davon schon etwas wieder aufgetaucht - etwa bei Razzien?
ZPS: Die Verteidigungsministerin hat den Fortbestand des KSK, das bei den rechtsextremen Skandalen in der Truppe eine zentrale Rolle spielt, von der Rückgabe von mindestens dem entwendeten Sprengstoff abhängig gemacht. Deadline der Ministerin ist der kommende Samstag. Bisher ist leider nichts aufgetaucht. Es werden immer wieder Waffen aus Bundeswehrbeständen bei Reichsbürgern, rechten Preppern und Extremisten gefunden. Auch die Hinweise, die aktuell bei uns eingehen, bringen die Verluste fast ausschließlich mit Rechtsextremisten in Verbindung.
Können Sie die rechte Gefahr abschätzen? Wie stark sind diese faschistischen Netzwerke in der Bundeswehr? Betrifft das nur untere Dienstgrade oder wird dies auch von "oben" toleriert und gefördert? Soldaten, die rechtsextreme Umtriebe beim MAD melden, werden ja gerne aus der Truppe entfernt.
ZPS: Wir glauben, dass es in der Truppe eine Richtungswendung um 180 Grad geben muss. Ein Klima des Hinschauens muss etabliert werden. Der Korpsgeist muss durchbrochen werden, anstatt jene zu mobben und zu schikanieren, die sich verfassungstreu verhalten und Diebstähle melden. Stattdessen müssen Rechtsextremisten konsequent an den Rand gedrängt und aus der Gruppe ausgeschlossen werden.
"Die Todesgefahr, die von rechten Netzwerken für liberale Politiker und gesellschaftlich engagierte Menschen ausgeht, war noch nie so hoch wie heute"
Gibt es ernsthafte staatliche Versuche, der rechten Gefahr im Staat zu begegnen? Horst Seehofer hat ja eine Studie über die Polizei angekündigt, bei der auch das Thema Rassismus behandelt werden soll. Oder handelt es sich hier um eine Nebelkerze?
ZPS: Bisher können wir keine ernsthaften staatlichen Anstrengungen beobachten. Ein Problem ist mindestens solange nicht lösbar, wie es nicht in seiner ganzen Dimension eingestanden und schonungslos analysiert wird. Wir brauchen jetzt ein transparentes Verfahren, bei dem nicht, wie üblich, alle wichtigen Informationen sofort als Verschlusssache klassifiziert und versteckt werden.
Noch vor wenigen Jahren schien die Vorstellung eines "Putsches" in der Bundesrepublik geradezu absurd. Halten Sie die Gefahr eines rechtsextremistischen Umsturzversuchs für gegeben, oder sind das nur Spinnereien der Neuen Rechten? Mit anderen Worten, droht eine Verwilderung der Bundesrepublik zu einer - braun anlaufenden - Bananenrepublik?
ZPS: Obgleich der Erfolg eines solchen Versuches mehr als fraglich wäre, gibt es zumindest Pläne, Vorbereitungen und eine entsprechende Radikalisierung in den rechten Kreisen. Davon abgesehen war die Todesgefahr, die von rechten Netzwerken für liberale Politiker und gesellschaftlich engagierte Menschen ausgeht, in der Bundesrepublik noch nie so hoch wie heute.