Die Hälfte der Amerikaner erwartet Gewalt nach der Präsidentschaftswahl
Nur die Hälfte geht nach einer aktuellen Umfrage auch davon aus, dass die Wahl "fair und ehrlich" sein wird, was Trump instrumentalisiert, um seine Anhänger auf eine mögliche Wahlniederlage vorzubereiten
US-Präsident Donald Trump hat die Bühne schon für eine mögliche Wahlniederlage bereitet und immer wieder betont, dass dies nur geschehen könnte, wenn die Wahl manipuliert wurde. Auf die Frage, ob bei er willens sei, bei einer Niederlage eine friedliche Übergabe der Macht an seinen Nachfolger zu gewährleisten, antwortete er vielsagend nicht. Vielleicht will er nur den Suspense hochtreiben, um die Wahl interessanter zu machen, aber man traut dem rüpelhaften Narzissten, von dem es heißt, er könne es nicht ertragen zu verlieren, alles Mögliche zu (Wir werden sehen": Trump hält Akzeptanz des Wahlergebnisses bei Niederlage offen). Mit dem Näherkommen der Wahl wird überlegt, welche Möglichkeiten Trump hätte, die Wahl anzufechten, die Übergabe hinauszuzögern oder weiter als Präsident aufzutreten (Bei Wahlniederlage: Wird das US-Militär eingreifen?, Trotz Niederlage könnte Trump im Amt bleiben). Offenbar setzt Trump dabei auch auf die Straße.
Seine polarisierende Innenpolitik, die er mit Law-and-Order-Rufen gegen die Kriminellen und Antifas, einem drohenden Chaos, lügenden Medien und unpatriotischen Demokraten, die Schusswaffen, Kirchen, Polizei etc. abschaffen wollen und die USA abwirtschaften, schürt Angst und legitimiert Gewalt bei Bedarf. Von rechten Milizen distanziert er sich nicht wirklich. Typisch ist seine Äußerung zu den Proud Boys: "Stand back and stand by." Trump ruft zudem Anhänger zum Wahlkampf und zum Wahltag auf, sich der "Armee für Trump" anzuschließen, was Gewalt assoziiert. Als Leistung von Trump wird hier beschrieben, er habe die letzten vier Jahre "die radikalen Demokraten und die Fake News-Medien bekämpft".
Die Organisation Braver Angels, in der Republikaner und Demokraten zusammenarbeiten, um Amerika zu depolarisieren, hat Umfragen in Auftrag gegeben, um zu sehen, ob die Amerikaner an eine faire Wahl glauben und wie hoch das Gewaltpotential ist. Viele Amerikaner, fast 56 Prozent, erwarten als Folge der Wahl ein Ansteigen der Gewalt. Bei den Republikanern sagen dies sogar fast 60 Prozent, bei den Unabhängigen sind es auch noch 57 Prozent, bei den Demokraten "nur" 53 Prozent. Wer sich nicht zu den drei großen politischen Gruppen zählt oder noch nicht weiß, wie er wählen wird, sieht das etwas gelassener. Aber mehr als die Hälfte der Amerikaner erwartet Gewalt, vor allem Aufstände, Unruhen und Plünderungen.
Die Unsicherheit speist sich daraus, dass nur die Hälfte der Amerikaner davon ausgeht, dass die Amerikaner übereinstimmen werden, wer der rechtmäßig gewählt Präsident sein wird. Das Misstrauen ist bei den Republikanern größer als bei den Demokraten, aber nicht viel. Lediglich 53 Prozent gehen davon aus, dass die Wahl "fair und ehrlich" sein wird. Am ehesten glauben dies Republikaner und Demokraten (wahrscheinlich jeweils für ihren Kandidaten). Bei denjenigen, die noch unentschieden sind, sagen hingegen nur 42 Prozent, dass sie eine rechtmäßige Wahl erwarten. Wenn 47 Prozent der Meinung sind oder befürchten, dass die Wahl nicht "fair und ehrlich" ist, dann ist das Vertrauen in den demokratischen Rechtsstaat bereits tief gestört.
Braver Angels haben einen "Brief an Amerika" veröffentlicht, mit dem sie Bürger, Gruppen und Organisationen dazu aufrufen, sich dazu zu bekennen, Gewalt von jeder Seite zu verurteilen und diejenigen anzuerkennen, die anders gewählt haben. Wenn keine Übereinstimmung gefunden werden kann, wer rechtmäßig gewählter Präsident ist, soll versprochen werden, zusammenzuarbeiten, um Lösungen zu finden, die verfassungsgemäß sind und "von unseren demokratischen und nicht-gewalttätigen Traditionen sowie unserer Wahrnehmung eines gemeinsamen Schicksals" geleitet werden.
Das bringt deutlich die bei vielen herrschende Sorge zum Ausdruck, wobei die Gefahr am größten sein wird, wenn das Wahlergebnis knapp ausfällt. Erschwerend kommt hinzu, dass nach dem amerikanischen Wahlsystem nicht der Kandidat die Wahl gewinnt, für den landesweit am meisten gestimmt haben, sondern für den die meisten Wahlleute stimmen. So hatte Trump 2016 drei Millionen Stimmen weniger als Clinton, aber trotzdem durch die knappen Ergebnisse in einigen Swing States die Wahl gewonnen. Schon nach der Wahl 2016 hatte Trump als Sieger (!) dennoch behauptet, er hätte auch die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erzielt, wenn man die Stimmen der Millionen abziehen würde, die "illegal" gewählt haben. Ähnlich wie jetzt hatte er schon vor der Wahl 2016 immer wieder das Vertrauen in den Wahlprozess untergraben und die Möglichkeit der Täuschung und Manipulation hervorgehoben.