zurück zum Artikel

Die Huthi-Miliz: Aufstieg und Einfluss in der arabischen Welt

Die Huthi-Miliz prägt seit Jahren den Konflikt im Jemen. Ihr Einfluss reicht weit über das Land hinaus. Erfahren Sie mehr über ihren Aufstieg und die geopolitischen Auswirkungen.

Haben Sie schon mal was von den Huthi-Milizen gehört? Nein? Dann geht es Ihnen so, wie den allermeisten Menschen in der westlichen Welt. Ja, im Jemen, da sind die Huthi zu Hause, herrscht seit Jahren Krieg.

Jemens unsichtbare Krise: Ein Krieg ohne Zeugen

Hunderttausende sind mittlerweile an Hunger, Krankheiten und bei Kriegshandlungen gestorben. Hunderte wurden auf einen Schlag getötet, wenn die saudisch-arabische Luftwaffe zuschlug. Es ist ein extrem zerstörerischer Krieg, der das Land am Rande der arabischen Halbinsel im Würgekrieg hat.

Doch die Medien, die Diplomatie, die Politik im Westen interessierten sich kaum dafür, so wenig, dass sich bei den Vereinten Nationen gerade einmal fünf Leute mit dem Thema beschäftigten.

Der Wendepunkt: 7. Oktober 2023

Bis der 7. Oktober 2023 kam, der Krieg Israels gegen die Hamas ausbrach, und plötzlich wie aus einem anderen Film die Huthi auf der Bildfläche auftauchten, Raketen auf das gut 2.000 Kilometer entfernte Israel abschossen, Drohnen mit auf den Weg schickten, und, was primär Europa aufschreckte, Schiffe im Roten Meer angriffen.

Denn die Huthi kontrollieren den größten Teil des Nordjemen, also die Hälfte, die in Richtung Afrika liegt, und der liegt strategisch günstig am Bab al-Mandab, durch das alle Schiffe auf Weg zwischen Asien und Europa durchmüssen. Die Alternative ist der viel längere Weg an Südafrika vorbei. Und das kostet.

Die Rolle des Westens: Vernachlässigung und Eingriffe

"Die sind halt mit dem Iran verbündet", heißt es nun vielfach, gefolgt von Forderungen nach Militäreinsätzen, die auch prompt folgten: Acht mal innerhalb von zehn Tagen haben die USA und Großbritannien nun Ziele der Huthi angegriffen [1], und weil sich nahezu keine Journalisten im Land aufhalten, gibt es keine belastbaren Hinweise auf Opferzahlen.

Aber nicht vor allem deshalb schlägt man einige hundert Kilometer weiter die Hände über dem Kopf zusammen. In mühevoller Kleinarbeit hat das winzige UNO-Team etwas geschafft, woran auf einen Platz im Geschichtsbuch schielende Staatsmänner normalerweise scheitern.

Sie haben eine reale Chance geschaffen, dass am Ende des brutalen Kriegs aus erbitterten Feinden Partner eines umfassenden Friedensvertrags werden könnten.

Jetzt droht all‘ das zu scheitern. Und in Gesprächen mit europäischen und US-amerikanischen Diplomaten zeigt sich, wie extrem wenig man über den Jemen, über die Huthi weiß. Wie ratlos die internationale Gemeinschaft ist, wie anfällig für einfache Antworten auf komplizierte Fragen.

Weil die iranischen Revolutionsgarden die Huthi-Milizen unterstützten, sei der einzige Weg, sie zu bombardieren, zu isolieren.

Die Wurzeln des Konflikts: Huthis historischer Aufstieg

Die Huthi [2] entstanden in den Neunzigerjahren als aus dem Teil der jemenitischen Bevölkerung heraus, der der zaiditischen Glaubensrichtung im Islam angehört.

Die Bewegung forderte Beteiligung an den Entscheidungsprozessen im Land, kämpfte gegen den saudisch-arabischen Einfluss auf Politik und Gesellschaft im Jemen, ein Kampf, der dann ab 2015 zum Krieg mit der Zentralregierung wurde. Schnell brachten die Huthi den Norden einschließlich der Hauptstadt Sana’a unter ihre Kontrolle, während die international anerkannte Regierung auch im Süden unter Druck geriet.

Dort begann ab 2017 eine Organisation namens Südlicher Übergangsrat, der mit Unterstützung der Vereinigten Arabischen Emirate für die Zweiteilung des Landes kämpfte. Am Ende hatten die Truppen der Regierung trotz militärischer Unterstützung aus Saudi-Arabien nur noch einen Bruchteil des Landes unter Kontrolle und das ist bis heute so geblieben.

Zwischen Macht und Unterdrückung: Herrschaft der Huthis

Im Norden haben die Huthi einen eigenen Regierungsapparat geschaffen, und man braucht die Dinge nicht schönzureden: Entstanden ist ein streng nach den zaiditischen Glaubensregeln organisiertes Staatswesen, in dem Unterdrückung von Andersdenkenden und Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind. Aber das Gleiche gilt für die von den westlichen Staaten unterstützte Regierung genauso.

Die Sackgasse der Bomben-Strategie

Das Problem mit der Bomben-Strategie ist nun vor allem, dass sie bereits ebenso intensiv wie erfolglos ausprobiert worden ist. Jahrelang griff eine von den USA unterstützte Militärallianz unter Führung Saudi-Arabiens immer wieder den Nordjemen an und immer wieder betonte man in der saudischen Hauptstadt Riad, dass man bald, sehr bald die militärische Infrastruktur der Huthi soweit geschwächt haben werde, dass der Weg für die Regierung zurück an die Macht frei sei.

Doch stattdessen hielten die Huthi ihre Gebiete. Sie wurden dank der Hilfe aus dem Iran sogar stärker. Und deshalb deutet alles darauf hin, dass dies auch mit den neuen Bombardements nicht anders verlaufen wird. Dass man stattdessen auf die diplomatische Karte setzen sollte.

Huthi und Iran: Eine komplizierte Beziehung

Denn zunächst einmal ist die Gleichung "Huthi liebt Revolutionsgarden" viel zu einfach. Ideologisch stehen die Huthi dem System der islamischen Republik nahe. Aber sie sind eine jemenitische, keine iranische oder palästinensische nationalistische Bewegung.

In Gesprächen mit Funktionären der Organisation wird schnell klar, dass für sie primär ihre eigenen Ziele im Vordergrund stehen: Möglichst großen Einfluss auf die Politik im Jemen, als Machtfaktor begriffen und eingebunden zu werden.

Verhandlungen und Forderungen: Ein diplomatischer Tanz

Die Verhandler im Oman erzählen, dass die Vertreter der Huthi nahezu unmittelbar mit dem Kriegsbeginn in Gaza mit neuen Forderungen an den Verhandlungstisch kamen: Man will zu Treffen der arabischen Liga eingeladen werden, man will natürlich Geld und man will, dass die Vereinten Nationen wieder genug Hilfsgüter herbeischaffen.

Denn auch das ist ein Teil der Geschichte: In den vergangenen Jahren schaffte es die UNO nicht, genug Geld aufzutreiben, um die Not leidende Bevölkerung zu versorgen. Zeitweise mussten die Vereinten Nationen ihre Arbeit im Jemen sogar ganz einstellen.

Die wirtschaftliche Zwickmühle: Jemens finanzielle Krise

Allerdings ergeben die Forderungen der Huthi auch ein schiefes Bild: Seit Beginn der Friedensverhandlungen sind Importe, bei denen es sich nicht um Hilfslieferungen handelt, stark gestiegen, und damit auch die Einnahmen der Huthi-Regierung, denn die Zölle wurden stark erhöht. Aber es reicht bei Weitem nicht aus, um auch nur das Notwendigste zu bezahlen, und damit geht es der international anerkannten Regierung ähnlich: Auch sie ist pleite.

Im Iran frohlockt derweil die Regierung von Präsident Ebrahim Raisi, der noch zur ersten Generation der Islamischen Revolution gehört: Die "Achse des Widerstands" beginne nun zu wirken, heißt es aus Teheran.

Doch tatsächlich sind die Huthi die bislang einzige der mehreren Hundert Gruppen, die die Revolutionsgarden in der arabischen Welt und in Nordafrika unterstützen, die der Hamas und dem islamischen Dschihad größere, wenn auch weitgehend wirkungslose Unterstützung leistet.

Dass sie das tun, dürfte allerdings vor allem aus eigenen Interessen geschehen: Die Huthi nutzen den Gazakrieg, um ihre Verhandlungsposition zu stärken, auch gegenüber den Revolutionsgarden, deren Unterstützung sie weiterhin benötigen.

Denn die Waffenlieferungen ins Ausland scheinen in der iranischen Politik nicht unumstritten: Sie kosten Geld, und die iranische Staatskasse ist notorisch klamm.

Die internationale Perspektive: Neue Strategien gefragt

Deutlicher konnten die Huthi der Weltöffentlichkeit nicht mitteilen, dass sie existieren und sie sehr wehtun können. Die Frage, die sich die westliche Politik deshalb stellen muss, ist, ob man weiterhin lieber einfache Antworten auf komplizierte Fragen sucht. Oder ob man nicht lieber anfängt, sich auch mal mit dem Jemen zu beschäftigen.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-9606625

Links in diesem Artikel:
[1] https://edition.cnn.com/2024/01/22/politics/us-uk-strikes-yemen-iraq/index.html
[2] https://www.wilsoncenter.org/article/who-are-yemens-Huthis