Die Impffrage und der neue Kulturkampf gegen die Philosophie
Seite 2: Die Pandemie als verhaltenspsychologisches Problem
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Das Argument der Komplexität menschlicher Verhältnisse ist gerade kein zureichendes Argument, um die Impfsituation in Deutschland zu erklären. Es ist ein vorgeschobenes Argument, eine Nebelkerze, um einige eindeutige, konkrete, Dinge zu verschleiern.
Das zeigte Dirk Brockmann, besagter "Komplexitätsforscher" in der Sendung. Er fragte, warum sich Menschen in Dänemark oder Portugal so viel mehr impfen lassen wollen als in Deutschland? Natürlich gebe es da in gewissem Sinn "sehr sehr viele verschiedene" Gründe dafür.
Für Brockmann ist die Pandemie "ein verhaltenspsychologisches Problem". Er glaubt, dass in Deutschland vor allem zu kompliziert argumentiert werde: "Man impft sich oder man wird infiziert durch die Delta- oder Omikron-Variante. Da gibt es keinen dritten Weg. Da gibt es keine Nuancen."
Man kann alles sehr kompliziert erklären. Man kann auch ein Auto sehr kompliziert erklären oder einen Computer oder ein Mobiltelefon. Und so kann man das Virus auch erklären und so kann man den mRNA- Impfstoff auch erklären.
Auf Solidarität sollte man besser nicht hoffen
"In manchen Ländern lässt man sich auch impfen, um Verwandte zu schützen, und ältere Menschen, weil dort klar vermittelt wird, dass man durch diese Impfung nicht nur sich selbst schützt, sondern auch andere. Das ist sehr verstrickt, aber man kann es auch in der Komplexität etwas reduzieren, anstatt zu diskutieren, ob das jetzt doof ist oder nicht, oder ob die Leute doof sind, die das nicht machen wollen. Sondern man kann klar vermitteln, was der Unterschied ist zwischen einer natürlichen Virusinfektion und einer Impfung."
Auf Solidarität, da waren sich alle bereits am 2. November einig, solle man besser nicht hoffen: "Portugal und Dänemark arbeiten mit einem 'Wir alle gemeinsam füreinander'. Dies ist bei uns inzwischen sehr sehr schwierig. Wir müssen in diese Diskussion hinein, der dann geht es um eine unterschiedliche Risikowahrnehmung", sagt Alena Buyx,
"Ich arbeite schon lange zur Solidarität. Und ich bin monatelang mit dem Narrativ Solidarität hausieren gegangen – aber man muss konstatieren: Bestimmte Gruppen lassen sich mit diesem Argument nicht erreichen."
Es gibt einfach Leute, die Solidarität nicht interessiert. Es gibt einfach Leute, die unsolidarisch sind. "Wir müssen akzeptieren: Manche kriegen wir gar nicht mehr. Bei manchen wirkt vielleicht die Bratwurst. Bei manchen wirkt das rationale Kalkül, das Herr Brockmann vorgeschlagen hat, manche kriegt man noch über Solidarität."
Es geht im Kern um zwei Freiheitsbegriffe
Es geht im Kern um zwei Freiheitsbegriffe. Der eine, am besten vertreten durch Alena Buyx, weiß, dass eine Pandemie keine Privatsache ist: "Wir können, wenn wir uns bestimmte gesellschaftliche Strukturen erhalten wollen und wenn wir möglichst viele Menschen vor Leid und Krankheit bewahren wollen, nicht einfach sagen: macht doch, was ihr wollt!"
Der zweite Freiheitsbegriff, vertreten durch Svenja Flaßpöhler weiß, dass eine Pandemie keine ausschließliche gesellschaftliche Angelegenheit ist. "Es ist eben auch eine Privatsache. Es ist eben auch eine Frage, wie wir als Einzelne zu diesem Risiko der Covid-Erkrankung stehen."
Beides müsse man vermitteln. "Man kann nicht einfach nur sagen: jetzt muss die Politik dann Druck erhöhen. Denn ich glaube, dass dieser Druck eher Trotz auslöst bei den Leuten. Man fühlt sich bevormundet, man fühlt sich manipuliert in eine Richtung."
Steht die Impfpflicht auf der Seite der Freiheit? Einerseits ja, denn die Alternative zu ihr ist Lockdown. Aber eine liberale Gesellschaft muss ein Restrisiko tragen.
Denn nicht nur die Humanität, auch das Virus ist per Definition sozial. Jede Übertragung hat etwas mit Gesellschaft, mit dem Miteinander und Zusammensein von zwei Menschen zu tun.