Die Klimaungerechtigkeit nimmt zu
Energie und Klima – kompakt: Expertenbericht: Superreiche emittieren Vielfaches an Treibhausgasen als Arme. Von den Folgen sind sie weniger betroffen. Für mehr Klimagerechtigkeit bedürfe es neuer Steuerregime.
Wenn von Klimagerechtigkeit die Rede ist, muss nicht mehr nur über Ungleichheiten zwischen den Industrieländern und den armen Ländern des Globalen Südens gesprochen werden. Die Ungleichheiten finden sich zunehmend auch innerhalb der Grenzen eines Landes, wie der soeben erschienene Carbon Inequality Report [1] verrät.
Der Bericht wird herausgegeben vom World Inequality Lab, zu dessen Co-Direktoren der französische Wirtschaftswissenschaftler Thomas Piketty zählt.
Demnach sind die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung weltweit für knapp die Hälfte (48 Prozent) aller CO2-Emissionen verantwortlich, die mittleren 40 Prozent für 40,5 Prozent der Emissionen, und die ärmere Hälfte der Menschheit nur noch für 11,5 Prozent der Emissionen.
Schaut man auf die Emissionen pro Kopf, sticht das reichste Prozent ganz deutlich hervor: 101 Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr und Kopf gehen auf ihr Konto.
Zum Vergleich: Die durchschnittlichen CO2-Emissionen pro Kopf liegen in Deutschland bei 10,8 Tonnen. Das reichste Prozent der Weltbevölkerung ist auch für ein Viertel des Anstiegs der globalen Emissionen seit 1990 verantwortlich.
Die Ungleichheit manifestiert sich aber nicht nur am Anteil der Reichen an der Schädigung des Klimas, sondern auch darin, wer am stärksten von klimabedingten Schäden betroffen sind. Denn das sind überproportional die Ärmsten, selbst wenn Schadenssummen von Versicherungen vielleicht eine andere Sprache sprechen.
Der Klimawandel verschlechtere eine ohnehin niedrige landwirtschaftliche Produktivität in den ärmeren Ländern und führe dort zu größerer Wasserknappheit. Hitzewellen führten zu höherer Sterblichkeit vor allem in urbanen Zentren, Tropenstürme und Überschwemmungen zwinge Millionen, hauptsächlich in den armen Ländern, ihre Heimat zu verlassen.
"Während solche Ereignisse die Regionen als Ganzes betreffen, deuten Studien auf einen starken sozioökonomischen Zusammenhang zwischen Exposition (und insbesondere Vulnerabilität) und den aktuellen Lebensbedingungen, wobei die Ärmsten stärker betroffen sind als die anderen", heißt es.
Steuersysteme mĂĽssten reformiert werden
Oder in Zahlen: Die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung trägt mit 75 Prozent die größte Last der klimabedingten relativen Einkommensverluste, während die oberen zehn Prozent nur drei Prozent ihres Einkommens durch Klimaschäden einbüßen. Und der Klimawandel behindert Entwicklung:
Viele Länder des Globalen Südens sind heute deutlich ärmer, als sie es ohne den Klimawandel gewesen wären. Dieser Trend wird sich fortsetzen und zu Einkommensverlusten von mehr als 80 Prozent für viele tropische und subtropische Länder bis zum Ende des Jahrhunderts führen.
Neben den ernüchternden Befunden bietet die Studie aber auch einen Ansatzpunkt, wie der Klimawandel am wirksamsten bekämpft werden kann. So dürften die Emissionen der Hauptverschmutzer deutlich einfacher zu senken sein als die der ärmeren Bevölkerungshälfte, was ein starker Anreiz sein sollte, mit politischen Maßnahmen auf die Gruppe der Reichen zu zielen.
Gelänge es, die Emissionen der Reichen deutlich zu senken, gäbe es beim CO2-Budget wiederum mehr Spielraum, um die Armut zu lindern. Der CO2-Ausstoß, der damit verbunden wäre, dass alle Menschen mehr als 5,50 US-Dollar am Tag zur Verfügung hätten, entspricht etwa einem Drittel der Emissionen der oberen zehn Prozent der Weltbevölkerung.
Eine derartige Umverteilung sowohl des Reichtums als auch der Emissionen würde vor allem veränderte Steuerregime erfordern, von Übergewinnsteuern bis hin zum Abbau von Subventionen für fossile Energien.
Wenn man das Missverhältnis nicht bezogen auf individuelle Personen betrachten möchte, dann sprechen jüngst veröffentlichte Zahlen einiger Unternehmen Bände.
Der Energiekonzern Shell, der vor allem an Erdöl und Erdgas verdient, verzeichnete für das Jahr 2022 einen Überschuss von 39,8 Milliarden US-Dollar, nach Unternehmensangaben der höchste in seiner Geschichte und doppelt so viel wie im Vorjahr.
Der US-amerikanische Ă–lkonzern ExxonMobil erzielte im vergangenen Jahr einen Rekordgewinn von 55,7 Milliarden Dollar. Wie berichtet konnte auch der deutsche Kohlekonzern RWE seinen Gewinn verdoppeln und erzielte 3,2 Milliarden Euro Reingewinn [2].
Die Energiekonzerne haben damit stark von den hohen Preisen aufgrund des Ukraine-Krieges profitiert. FĂĽr das Klima ist das keine gute Nachricht, denn ein Teil der Gewinne dĂĽrften die Unternehmen in die weitere Ausbeutung fossiler Ressourcen investieren.
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Links in diesem Artikel:
[1] https://wid.world/news-article/climate-inequality-report-2023-fair-taxes-for-a-sustainable-future-in-the-global-south/
[2] https://www.telepolis.de/features/RWE-Die-Profiteure-der-Heisszeit-7472360.html
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