Die Machtübernahme
Zur Krisensituation im informationstechnologischen Bereich
Wir erleben gerade ein vor mehr als zehn Jahren begonnenes ziemlich erschütterndes Phänomen, das Thomas Kuhn als Paradigmenwechsel in der Wissenschaft bezeichnete und das vor ihm der Pole Ludwik Fleck als Erstarren von Erkenntnisinnovationen im Kreislauf zwischen den Experten beschrieb. Weder die Konzeption von Kuhn noch der wegbereitende Gedanke von Fleck sind eine adäquaten Deskription dessen, was passiert, wenn die Wahrnehmung der Grundsteine der Mega- und Mikrowelt einer diametralen Veränderung unterliegt. Wir haben jedoch noch keine besseren Beschreibungen für ein solches Beben in der Wissenschaft.
Nach besten Vorstellungen russisch-amerikanischer Urheberschaft (es mögen nur zwei Namen genannt werden: Guth und Linda) unterlag das hypothetische Bild der Kosmogenese einer noch hypothetischeren Komplikation: Unser Universum soll lediglich eines von vielen sein (ich habe dies einstmals "Poliversum" genannt); das unvorstellbar gigantische Ganze soll an etwas in der Art einer Weintraube erinnern. Jede einzelne Traube wäre ein souveränes Universum.
Obwohl sich dieses, aufgrund seiner Ausmaße ungeheuerliches Bild von den elementarsten Eigenschaften der Mikrophysik und insbesondere von im Labor nicht reproduzierbaren Quanteneigenschaften herleitet - das heißt, es bestehen gewissermaßen verwandtschaftliche Beziehungen zwischen dem, was am kleinsten ist, und dem, was am größten ist -, möchte ich mich in diesem Text ausschließlich der Mikrowelt zuwenden, weil sie eng mit dem Informatikbereich verbunden ist.
Es kam nämlich die Überzeugung auf, dass Elementarteilchen und Elektronen mit dem sogenannten Spin, der in zwei Formen vorkommt: up und down, keine existenziell endgültige Form im Sinne der Erkenntnis darstellen, sondern dass Information etwas noch Grundsätzlicheres ist. Zwar manifestiert sie sich immer als eine gewisse Konfiguration ihrer Träger, experimentelle Untersuchungen beweisen jedoch, dass zwischen den Informationsträgern Beziehungen vorkommen, in denen weder makroskopische Kausalverhältnisse noch Regeln der makroskopischen Logik gelten. Gegenwärtig hat der Status jener Entdeckungen, die die Existenz eines Untergrunds "unter" den elementaren Informationsträgern postulieren, der gewissermaßen einen Träger jeglicher Information darstellen sollte, den Beigeschmack einer sehr modernen und nicht allgemein akzeptierten Konjektur. Sollte es jedoch so sein, dann würde es sich herausstellen, dass wir über Information lediglich sehr vage Kenntnisse haben. Sicherlich wird die Wissenschaft des 21. Jahrhunderts der Sache auf den Grund gehen.
Im Zusammenhang mit der Entwicklung der Wissenschaft im Bereich der Informatik wächst vor allem in den USA die Nachfrage nach Supercomputern. Die großen Investitionen werden jedoch reduziert, beziehungsweise auf die militärische Seite, also die Rüstung, verlagert. Deswegen müssen Wissenschaftler in Disziplinen mit einem hohen Komplexitätsgrad wie Meteorologie, Kosmologie, Astrophysik oder Chemie mit den Militärwissenschaftlern bitter um die Mittel kämpfen, die erforderlich sind, um Probleme zu untersuchen und zu bearbeiten, die so kompliziert sind, dass nur die schnellsten und größten Computer adäquate Lösungen liefern können.
Wie die Vertreter der Wissenschaft, die sich dessen bewusst sind, behaupten, wird die Lage im Bereich der Supercomputer kritisch. Die Forschung wird vornehmlich in Richtung der Nuklearprogramme, insbesondere der Gefechtsprogramme gesteuert, was für die im wissenschaftlichen Bereich herrschende Stimmung nicht gesund ist. Diejenigen Wissenschaftler, die Grundlagenforschung für die Regierung betreiben, haben die besten Zugangsmöglichkeiten zu den Supercomputern. Sie bekommen fast zwanzig Prozent der Supercomputer, die in den USA jedes Jahr gebaut werden, und einhundert Prozent der schnellsten und leistungsfähigsten Maschinen.
Seit dem Ende des Kalten Kriegs hielt die Regierung das Gleichgewicht in der Zuteilung des Zugangs zu den Supercomputern, 1996 kam es jedoch zum zweifachen Übergewicht zugunsten der Militärforschung. Dieser "Wettbewerb", der zwischen den "zivilen" und "militärischen" Wissenschaftlern stattfindet, ergibt sich aus der Etatänderung der Bundes-Agenturen Energy Department und National Science Foundation. Die NSF zahlt für Supercomputer, die außerhalb des Militärbereichs eingesetzt werden. Diese Stiftung büßte seit 1969 vier Millionen Dollar an Zuwendungen ein, und bis Ende des 20. Jahrhunderts sollen es an die vierundsiebzig Millionen Dollar sein.
Unter einem Supercomputer versteht man die schnellste Maschine ihrer Generation. Solche Computer sind bei der Lösung und Überwindung derjenigen wissenschaftlichen und technischen Probleme unentbehrlich, die eine riesige Anzahl von dynamischen und interaktiven Variablen betreffen, wie zum Beispiel bei Untersuchungen von Klimaveränderungen. Die Militärforscher brauchen Computer, um immer präzisere Modelle von Kernexplosionen oder dreidimensionale Modelle der Verschleißprozesse bei den Sprengköpfen zu schaffen. Sie brauchen sie vor allem auch, um die Explosivstoffe herzustellen, die die Ummantelung der kugelförmigen Nuklearsprengköpfe bilden. Das US-amerikanische Energieministerium ist davon überzeugt, dass es durch die Hilfe der Computer möglich ist, die Kernwaffenbestände beizubehalten, ohne die Bomben einem praktischen Test zu unterziehen.
Unterdessen ist es in den Vereinigten Staaten zu einer Krisensituation im informationstechnologischen Bereich gekommen. In einem kürzlich veröffentlichten Bericht erklärt das General Accounting Office, dass Amerika unter einem neuen Defizit an Informatikfachleuten leidet. Die Information Technology Association of America, eine Gruppe, die elftausend Arbeitgeber vertritt, verbreitete die alarmierende Botschaft, es fehle an Informatikspezialisten. Die Nachfrage nach solchen Spezialisten ist in den Vereinigten Staaten außerordentlich groß. Man muss auch sagen, dass die für Militärkreise natürliche Neigung zur Datengeheimhaltung zu zusätzlichen Schwierigkeiten führt.
Das Fehlen der Spezialisten oder eine ungenügende Kompetenz der Fachleute stellt ein ernsthaftes Problem für die Bemühungen dar, den Mangel an Arbeitskräften in Anbetracht dessen zu beseitigen, dass jährlich für die Dauer von sechs Jahren fünfundsechzigtausend nichtamerikanische Arbeitnehmer in die USA kommen. Die Wirtschaftsbosse und Kenner der gesamten Problematik behaupten, dass Tausende von importierten Arbeitskräften erforderlich sein werden, um den großen Unternehmen im globalen Wettbewerb zu ermöglichen, ihre Führung beizubehalten.
Die Kritiker, vor allem die Gewerkschaften sowie einige Vertreter der Regierungsbehörden, behaupten hingegen, dass solche Forderungen übertrieben seien Diesseits des großen Teichs nennen wir diese amerikanischen Bemühungen "Braindrain". Vor allem geht es um die Einstellung von Programmierern, weil leider bis heute Programme, insbesondere die Spitzenprogramme, Produkte der Arbeit des menschlichen Geistes sind. Selbstverständlich spielt auch die kritische Annahme eine Rolle, dass den potenziellen Befürwortern der verstärkten Immigration von Spezialisten viel an deren Überangebot liegt, weil die Löhne dort, wo es viele Spezialisten gibt, auf verhältnismäßig niedrigem Niveau gehalten werden können. Nach den Studien, die sich auf den Zeitraum von 1994 bis 2005 beziehen, werden die Vereinigten Staaten über eine Million Programmierer, Systemanalytiker und Ingenieurwissenschaftler brauchen. Die Kritiker antworten wiederum, dass diese Zahlen nicht viel sagen und nichts beweisen, weil lediglich ein Viertel der auf dem Gebiet der Informatik- und Computerwissenschaften tätigen Personen über akademische Grade in diesen Disziplinen verfüge.
Die USA stellen zweifellos die informationstechnologische Weltspitze dar, sie fühlen sich jedoch in ihren Bemühungen etwas allein gelassen, weil sich die Informatisierung der europäischen Gesellschaft nach Einschätzung ihrer Spezialisten auf einem viel niedrigerem Niveau befindet. Die Visionen, welche ihnen die amerikanischen informationstechnologischen Prognostiker vor Augen führen, erreichen langsam den merkwürdigen Zustand, den ich in meinem Buch "Lokaltermin" dargestellt habe, nämlich den Zustand einer Gesellschaft, die durch eine selbständige totale Informationstechnologie so beherrscht wird, dass aus einzelnen Teilen der allgegenwärtigen Systeminformatik eine Ethosphäre entsteht, die eine programmierte und instruierte Lebensumwelt bildet, die sich um das Wohlergehen des Einzelnen und eine kollisionsfreie Koexistenz aller zusammen kümmert.
Zwar ging es mir bei diesem fantastischen Roman, der sich auf einer außerirdischen Welt abspielt, hauptsächlich um die Gewährleistung der persönlichen Unantastbarkeit sowie um eine kollisionsfreie Koexistenz, den praktischen Amerikanern dagegen geht es um eine allgegenwärtige automatische Dienstleistungsbereitschaft, die weder das Vorkommen zwischenmenschlicher Kollisionen noch den internationalen Wettbewerb ausschließt. So oder so scheint es, dass die Menschheit im 21. Jahrhundert eine informationstechnologische Gesellschaft erwartet, obwohl es, wenn man die weniger schönen Seiten der menschlichen Natur kennt, leichter ist, an die totale Technisierung der Dienstleistungen als an die totale Ethisierung zu glauben.
Aus dem Polnischen von Ryszard Krolicki