Die Mobilität der Zukunft

Seite 2: Helsinki und das Ende des Automobils

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Gerade im vergangenen Juli machte die Stadt Helsinki Schlagzeilen, weil sie eine neue Art der Verkehrsorganisation bis zum Jahr 2025 in Aussicht stellte. Die Einwohner der Stadt sollen, wenn alle Teile des Mobilitätspuzzles vorliegen, kein eigenes Auto mehr benötigen. Sie könnten dann mit einer Mischung aus öffentlichen Verkehrsmitteln, Fahrrädern und Carsharing überall in der Stadt unterwegs sein.2 Die Monatskarte würde dann alle diese Arten der Mobilität abdecken. Die Vision der Stadtplaner in Helsinki ist:

Die Teilnehmer werden nur Position und Ziel in Handy angeben, so wie auch einige Präferenzen. Eine Mobilapp wird dann als Planungs- und Zahlungswerkzeug dienen, indem alle Verkehrsformen, von autonomen Fahrzeugen bis zu kleinen Bussen und Stadtfahrrädern, so wie Fähren, in einem einzigen Mobilitätsangebot berücksichtigt werden.

Und während in New York noch das Sharing von Taxis besprochen wird, hat die Stadt Helsinki die Sammeltaxis entdeckt (die es z.T. auch in Deutschland gibt). Ein neuer Minibus namens "Kutsuplus" kann per Handy bestellt werden.3 Die Passagiere werden abgeholt und die Route ergibt sich dann aus ihren jeweiligen Zielen. Die Kosten der Fahrten sind halb so hoch wie bei einem Taxi, d.h. immer noch etwas teurer, aber dies könnte sich ändern, falls die Anzahl der eingesetzten Fahrzeuge mit der Zeit steigt. Kutsuplus konkurriert nicht mit den vorhandenen Bussen und der U-Bahn, es ergänzt sie. Als zusätzlichen Bonbon bieten die Minibusse einen WiFi-Dienst für die Passagiere an.

Auf der Erfahrung mit Kutsuplus aufbauend, bestellte die Stadt Helsinki eine Studie über zukünftige Mobilitätsszenarien. Die Masterarbeit von Sonja Heikkilä fasst die Erfahrungen aus verschiedenen Ländern zusammen und stellt verschiedene Beispiele aus dem Alltag im Jahr 2025 vor, in denen Familien mit unterschiedlichem Einkommen und Anzahl von Familienmitgliedern ihre Mobilitätsbedürfnisse allein mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Stadtfahrrädern und Kutsuplus-Minibussen abdecken.4

Durch vorhandene Carsharing-Dienste wäre es auch möglich, ab und zu mit dem Auto selber zu fahren. Die vollständige mobile Vernetzung der Verkehrsteilnehmer, auch der Kinder, wäre in all diesen Szenarien allerdings absolut notwendig (was auch bedeutet, dass ich mir irgendwann doch ein Handy kaufen und meinen langjährigen Widerstand aufgeben muss).

Abb. 3: Der Kutsuplus Minibus in Finland. Bild: Kutsuplus

Flexible Mitfahrgelegenheiten

In Deutschland gibt es seit vielen Jahren Mitfahrgelegenheitsdienste zwischen Städten. Mittlerweile kann man sich per Internet anmelden und Kontakt mit dem Fahrer/in aufnehmen. Ein weiterer Schritt wäre, Fahrgemeinschaften spontan organisieren zu können, d.h. ohne Voranmeldung und überall in der Stadt (wie es einige Anbieter bereits versuchen). Der technische Begriff dazu ist "flexibles Ridesharing". Fahrer und potentielle Passagiere geben ihre Fahrwünsche und Fahrbereitschaft online an und der Computer schlägt einige Alternativen vor oder verbindet sogar beide Parteien miteinander.

In den USA sind einige Studien dazu erstellt worden, vor allem in Bezug auf längere Pendlerfahrten. Flexibles Carpooling könnte die Autobahnen entlasten und den Pendlern Zeit sparen.5

Zeitersparnis spielt eine große Rolle in all solchen Überlegungen, deswegen ist es interessant zu hinterfragen, wie viel wohl die Zeit kostet, die wir in Verkehrsmitteln verbringen. Eine erste Antwort wäre … eigentlich nichts, es ist vergeudete Freizeit. Wir müssen jeden Tag rechtzeitig bei der Arbeit erscheinen und unser Stundenpensum abarbeiten.

Dem Arbeitgeber kann es egal sein, ob der Pendler eine Stunde hin und zurück nach Hause braucht. Dafür wird er nicht bezahlt. Allerdings ist es natürlich besser für den Arbeitgeber, wenn der Arbeitnehmer frisch und aufnahmefähig zur Arbeit erscheint und nicht nachdem er oder sie einen Stau nach dem anderen bewältigt hat. Firmen wie SAP in Kalifornien oder Walldorf bieten deswegen, über einen eigenen Server, die Bildung von Fahrgemeinschaften für Mitarbeiter an.

Dann wäre da noch die sogenannte "opportunity cost", d.h., ich hätte meine Zeit anders einsetzen und etwas Wertvolles schaffen können, wie zusätzliche Bildung oder eine höhere Qualifikation zu erwerben (wenn man im Fahrzeug lesen kann). Deswegen machen Stadtplaner bei der Berechnung der sozialen Kosten etwas Zusätzliches: sie schätzen den ökonomischen Verlust im Stau mit dem halben Stundengehalt der im Stau gefangenen Arbeitnehmer ein. So gesehen, ist der tägliche Verlust im Straßenverkehr enorm.

Ein sehr gutes Beispiel für eine flexible Fahrgemeinschaft, die gegen solche sozialen Verluste Abhilfe schaffen will, ist das System CARRIVA, das initiiert wurde um die Mitarbeiter des Frankfurter Flughafens zum car-pooling zu animieren. Der Flughafen bietet ideale Bedingungen für ein solches Experiment: es handelt sich um einen Arbeitgeber mit Tausenden von Mitarbeitern und das Einzugsgebiet um den Flughafen ist recht ausgedehnt. CARRIVA wurde 2007 mit Anschubfinanzierung des Verkehrsministeriums gestartet und später positiv evaluiert.6 Die Webseite www.carriva.org ist immer noch aktiv und zeigt auf einer Karte viele Anbieter von Fahrten rund um den Frankfurter Flughafen, wobei jedoch nur 1.150 registrierte Mitglieder angegeben werden.