Die Mobilität der Zukunft
Seite 3: Die optimale Zuordnung
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- Helsinki und das Ende des Automobils
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An dieser Stelle freut sich das Informatikerherz: jetzt kann man Algorithmen und Systeme entwickeln, die etwas Gutes für die Menschheit leisten, d.h. Fahrzeiten reduzieren, die Städte von Autos befreien und den CO2-Ausstoß minimieren.
Wie oben dargestellt, ist die Simulation der Taxis in New York etwas zu kurz geraten, da nicht die gesamte Komplexität der zu erfüllenden Randbedingungen beachtet wurde. Ein extremes Beispiel ist Mexico City. Dort ist auch an Fahrgemeinschaften gedacht worden und manche sind sogar im Internet ins Leben gerufen worden, allerdings mit mäßigen Resultaten, da dort keiner in ein unbekanntes Fahrzeug einsteigen möchte. Wahrscheinlich will man die Identität des Fahrers irgendwie immer im Voraus kennen, um spätere Überraschungen zu vermeiden. Und der Fahrer selbst will auch wissen, wen er mitnimmt.
Das bedeutet, dass haarige Probleme bei der Behandlung der Privatsphäre bei all diesen Konzepten noch zu beachten sind, bevor solche umfassenden Mobilitätsangebote wie in Helsinki, universelle Akzeptanz erlangen können (wobei skandinavische Länder sicherlich ein gutes Testfeld bieten, da die Kriminalität dort so niedrig ist).
Es bleibt also das technische Problem des Matchings von Fahrwünschen und Fahrangeboten, was heute unter "rideshare matching problem" bekannt ist.7 Viele Probleme müssen behandelt werden, wie z.B.:
- Am Anfang des Tages müssen die Taxis bzw. Minibusse a priori nach der statistischen Erfahrung in der Stadt verteilt werden.
- Fahrerwünsche müssen in Echtzeit beachtet werden, leere Taxis könnten prioritär abholen,
- Trotzdem muss eine minimale Dichte der Taxis bzw. Minibusse in einem Stadtteil erhalten bleiben.
- Der Passagier kann eine maximale Wartezeit, maximale Größe der Fahrgemeinschaft, usw. angeben.
- Stoßzeiten muss man in den Griff bekommen.
Alles nicht trivial. Hier bietet sich viel Platz für Startups, solche Lösungen für die Mobilität der Zukunft zu entwickeln. Der große Mathematiker David Hilbert konnte so viele ungelöste Probleme benennen, dass er häufig sagte: "Die Nobelpreise liegen ja auf der Straße." Bei der hier angesprochenen Problematik liegt also das Geld buchstäblich auf der Straße.
Was machen also Ökonomen und auch Informatiker wenn ein Problem für die Allozierung von Ressourcen mit Randbedingungen zu kompliziert wird? Man veranstaltet eine Auktion, die dann Teile des Problems vereinfacht. Das ist in den Niederlanden vorgeschlagen worden, um den Verkehr im Stadtzentrum zu reduzieren: Ist es spät und gibt es wenig Verkehr, kostet es weniger, dort zu fahren. Ist das Stadtzentrum zu voll, muss man mehr zahlen, wenn man unbedingt mit dem Auto hinfahren möchte. Das erfordert ein System der vernetzten Fahrzeuge, die in Echtzeit an Auktionen teilnehmen. Wer unbedingt im eigenen Auto fahren will, zahlt dann womöglich viel Geld. Um die soziale Akzeptanz zu erhöhen, kann man solche Gebühren für die Verbesserung der öffentlichen Verkehrsmittel und der Infrastruktur einsetzen.
Wie man Auktionen für die Bildung von dynamischen Fahrgemeinschaften abhalten kann, haben Kleiner, Nebel und Ziparo bereits für den Fall von einem Fahrer und nur einem Passagier studiert.8 Die Hauptmotivation ist es, die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass jemand überhaupt eine Fahrgemeinschaft findet. Wenn man bei einem System wie CARRIVA mitmacht und eine passende Fahrgemeinschaft ausbleibt, steigt die Frustration und die Anzahl der registrierten Benutzer fällt graduell. Mit einer Auktion könnte die Motivation der Fahrtanbieter steigen und der Markt für Fahrten könnte ins Gleichgewicht kommen.
Firmen wie Uber oder Lyft, die in Europa sehr umstritten sind, weil sie die staatliche Aufsicht über den Taxidienst umgehen, haben gezeigt, dass die notwendige Technologie bereits existiert und es sich jetzt vor allem um ein Organisationsproblem handelt. Wenn die Taxis, die es heute bereits gibt, ein Modell wie das für New York im Computer durchgespielte benutzen würden, mit der entsprechenden Verbilligung der Taxifahrten, hätten sie womöglich bessere Chancen, um gegen Uber oder Lyft zu konkurrieren. Vielleicht wäre das Ganze auch beschäftigungsneutral, wenn mehr und mehr Autofahrer auf die Benutzung des eigenen Autos verzichten wurden.
Summa summarum kann man also feststellen, dass vielerorts bereits an das Automobil 2.0 gedacht wird - das Auto, das in Verkehrsflotten die Stadt bedient und sich nahtlos in den öffentlichen Verkehr integriert, womit die Notwendigkeit für das eigene Fahrzeug entfällt. Und dies allein aus eigenem Interesse, einfach weil es billiger wird. Wer unbedingt einen eigenen SUV oder sogar Linienbus kaufen will und am Steuer sitzen möchte, kann es natürlich tun. Es wird nur sehr teuer: John Travolta fliegt seine Boeing 707 auch selbst.