Die Nato hat ein Problem in Asien

Narendra Modi und Xi Jinping vor einem Tempel in Indien

Narendra Modi und Xi Jinping vor einem Tempel in Indien. Foto: YashSD, Shutterstock

Die Beziehungen zwischen den Rivalen China und Indien werden enger. Warum ist das so und was hat der Krieg in der Ukraine damit zu tun?

Für Aufregung sorgt in Indien der neueste Economic Survey, wonach Delhi in Zukunft gegenüber ausländischen Direktinvestitionen (ADI) aus China einen "nuancierter Ansatz" verfolgen werde. Demnach erklärt sich Delhi bereit, Vorschläge für Investitionen aus Peking in Sektoren zu prüfen, in denen es um Spitzentechnologien wie Elektrofahrzeuge und Batterien sowie um moderne Investitionsgüter verschiedener Art geht.

Auch die indischen Visabeschränkungen für chinesische Fachkräfte wurden in einigen ausgewählten Branchen kontinuierlich gelockert.

Die Economic Times hält dazu fest, dass Indien erfolgreiche Strategien ostasiatischer Tigerstaaten wie die Erleichterung ausländischer Investitionen nachahmen müsse, wenn es sich erfolgreich in internationale Wertschöpfungsketten eingliedern will.

Die "Fabrik der Welt" kann nicht ignoriert werden

Südkorea und Vietnam hätten zwar davon profitiert, dass die USA die Produktion aus China abgezogen haben. Doch gleichzeitig hätten beide Länder auch enorme ausländische Direktinvestitionen aus China erhalten. Die "Fabrik der Welt" könne nicht ignoriert werden, selbst wenn die Welt eine "China+1"-Strategie verfolgt.

Die westlich orientierten, auf dem Subkontinent meist tonangebenden Eliten, hatten erst 2020 strikte Restriktionen gegen die Übernahme indischer Unternehmen durch chinesische Investoren durchgesetzt. Viele Inder hegen nach wie vor die Vorstellung, dass es möglich ist, an der Seite der USA China niederzuringen.

Die neue Entwicklung steht dennoch im Einklang mit einem spürbaren Wandel in der indischen Politik in den letzten sechs Monaten. Der erfahrene südindische Analyst und pensionierter Diplomat M.K. Bhadrakumar führt diesen Wandel auf das Zusammenspiel von drei Schlüsselfaktoren zurück.

Drei Gründe für den Wandel in der indischen China-Politik

Erstens habe die Stabilisierung der Grenzsituation dank des neuen Mechanismus zur Bewältigung von Grenzspannungen positive Auswirkungen. An den meisten Krisenherden gebe es nun Pufferzonen zur Trennung der beiden Armeen, aus denen beide Seiten ihre Truppen abziehen und alle Patrouillen einstellen. Auch bei einem Treffen der Außenminister Indiens und Chinas im Juli in Vientiane scheint es weitere Fortschritte gegeben zu haben.

Zweitens entspreche dieser pragmatische Wandel dem dringenden Bedarf Indiens an chinesischer Technologie, Investitionen und Fachwissen, um seinen unmittelbaren industriellen Bedarf zu decken. Ausländische Direktinvestitionen aus China könnten helfen, Indiens Exporte in die USA und andere westliche Länder anzukurbeln und das stetig wachsende Handelsdefizit Indiens mit Peking in Schach zu halten.

Als dritten – unausgesprochenen – Faktor macht Bhadrakumar den Umstand aus, dass sich das geopolitische Umfeld radikal verändert hat. Russland habe im Ukraine-Krieg die Oberhand gewonnen. "Das ist ein vernichtender Schlag für die Glaubwürdigkeit der USA und der NATO und geschieht zu einer Zeit, in der sich der asiatisch-pazifische Raum als weiterer potenzieller Krisenherd abzeichnet."

Wirtschafte Entwicklung im Focus

Auch Washingtons Sanktionen im Zuge des Ukraine-Krieges sei in Südostasien nicht gut angekommen. Wenn der Westen Russlands Devisenreserven einfriere und die Zinsen daraus unter Missachtung des internationalen Finanzrechts für eigene Zwecke verwende, was hindere ihn an solchen Räubereien gegenüber den kleineren Ländern in der Region?

Gleichzeitig wächst die Anziehungskraft des BRICS-Zusammenschlusses auch in der südostasiatischen Region. Unlängst haben Thailand und Malaysia ihr Interesse an einem Beitritt zu den BRICS bekundet. Dies wird natürlich auch die Beziehungen beider Staaten zu China weiter verbessern.

In einem solchen Umfeld hat die Vierergruppe ihren Stellenwert verloren. Die Quad entspricht den Bedürfnissen der regionalen Länder im asiatisch-pazifischen Raum immer weniger, weil die große Mehrheit der Länder ihren strategischen Fokus auf wirtschaftliche Entwicklung ausgerichtet haben.

Keine Einmischung von außen geduldet

So wird es immer unwahrscheinlicher, dass Indien sich an der Eindämmungsstrategie der USA gegen Peking beteiligen wird.

Dem entsprechen die Äußerungen des indischen Außenministers Subramanyam Jaishankar im Anschluss an das Treffen der Außenminister der Quad-Staaten Ende Juli in Tokio, in denen er Einmischungen der Quad-Staaten in den angespannten Beziehungen zwischen Indien und China entschieden ablehnt:

Wir haben ein Problem, oder ich würde sagen, ein Problem zwischen Indien und China ... Ich denke, es liegt an uns beiden, darüber zu sprechen und einen Weg zu finden. Wir wenden uns nicht an andere Länder, um zu klären, was wirklich ein Problem zwischen uns ist.

Subramanyam Jaishankar, indischer Außenminister

Indien teilt die Bedenken der Asean-Staaten gegenüber der von den USA vorangetriebenen Ausweitung der Nato zu einer globalen Organisation mit einem Schwerpunkt im asiatisch-pazifischen Raum.

Bedenken gegen die Nato

Die von westlichen Think-Tanks, Medien und Beamten geschürte Phobie vor dem chinesisch-russischen Bündnis hat offensichtlich an Zugkraft verloren. Indien hat im Gegenteil seine Beziehungen zu Russland gestärkt und ist dabei, seine Beziehungen zu China zu stabilisieren, was sie berechenbar macht.

Es ist davon auszugehen, dass Russland, Indien und China – der eigentliche Kern der BRICS – die Zeit bis zum 22. Oktober nicht ungenutzt verstreichen lassen werden. Dann nämlich startet das Gipfeltreffen der BRICS-Staaten unter dem Vorsitz Russlands in Kasan. Ein Treffen zwischen dem indischen Premierminister Narendra Modi und dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping am Rande des Gipfels ist durchaus denkbar.

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