Die Nuremberg Files sind wieder im Netz

Auch eine holländische Aktivistin hat Anti-Abtreibungs-Website gespiegelt

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Die sogenannten Nuremberg Files sind unter derselben URL, aber von einem anderen Provider wieder ins Web gestellt worden. Die Betreiber der Anti-Abtreibungssite wurden Anfang Februar zu Geldstrafen von insgesamt über 100 Millionen US-Dollar verurteilt, weil sie gegenüber Ärzten, die Abtreibungen vornehmen, ihren Familien und anderen Abtreibungsbefürwortern eine wirkliche Bedrohung darstelle. Die "Wanted"-Poster, die Namen, Adressen, Autokennzeichen und andere Informationen anbieten, fordern nach Ansicht des Gerichts indirekt zu Anschlägen auf. Mediziner auf der Liste, die bei Anschlägen getötet wurden, strich man mit einem Kreuz durch (siehe: Abtreibungsgegner verurteilt).

Nach der Urteilsverkündigung hatte der Provider aus eigenem Entschluß heraus die Website entfernt. Die Kläger hatten dies zwar gefordert, aber der Richter hatte es seltsamerweise trotz der Strafe nicht verlangt. Planned Parenthood, einer der Kläger, kündigte bereits, wie die New York Times meldet, neue Anzeigen an. Allerdings sei man vom Wiedererscheinen nicht überrascht gewesen.

Jonathan O'Toole, Mitarbeiter der Christian Gallery Website, auf der sich die Nuremberg Files befinden, meinte, es sei nicht schwer gewesen, einen anderen Provider zu finden. Angebote wären nicht nur von Abtreibungsgegnern, sondern auch von liberalen Befürfwortern der Meinungsfreiheit gekommen.

Speech and debate about sensitive issues should be promoted, not repressed; and what is utterly reprehensible is not necessarily illegal. There is a distinct difference between words and deeds, and that distinction should be respected, not blurred. Especially judges and courts should be aware of this fact.

Karin Spaink

Auch die holländische Karin Spaink, bekannt geworden durch die Veröffentlichung von Scientology-Papieren und die darauf folgenden gerichtlichen Nachspiele, hat den größten Teil der Website gespiegelt, obgleich sie eigentlich für das Recht der Frauen auf Abtreibung sei, die Nuremberg Files nicht möge und über sie kritische Beiträge geschrieben habe. Sie habe dies gemacht, weil sie für freie Meinungsäußerung eintrete und die Website einen legitimen Ausdruck des Widerstands gegen die Abtreibung darstelle, insofern sie keinen expliziten Aufruf zur Gewalt enthalte. Schließlich sei es besser, lesen zu können, was die politischen Gegner sagen, um besser gegen sie argumentieren zu können. Das Recht auf freie Meinungsäußerung steht für sie so hoch, daß sie diese Website von fundamentalistischen Christen auch dann veröffentlicht sehen möchte, wenn sie selbst von diesen vermutlich zensiert werden würde. Allerdings schreibt sie, daß niemand sicher sein könne, daß sie nichts verändert habe: "Glaube nicht den Namen und Adressen, die du hier findest, und setze keine Gewalt gegen hier aufgeführte Menschen ein. Das könnte dazu führen, daß du deine eigenen Mitstreiter erschießt."

Die ausführliche Begründung von Spaink führt weiterhin an, daß sie den Betreibern der Nuremberg Files mit der Spiegelung auch eine Lektion in Sachen Toleranz vorführen wollte. Über die wirkliche Haltung der Abtreibungsgegner scheint sie sich jedenfalls keine Illusionen zu machen: "The Nuremberg Files serve to show that anti-abortionists do not lose a night's sleep when people whose profession they dislike are killed, while they vehemently maintain that abortion is murder and must therefore be stopped. It shows that these people are hypocrites. It proves that these people believe that the end justifies the means. The Nuremberg File people have never said that they disapprove of the killing of doctors, even when pressed to do so. They seem to endorse it."

Gloria Feldt, Präsidentin von Planned Parenthood, ist wütend über die Spiegelung durch Spaink, die zusammen mit anderen auf contrast.org neben den Scientology-Papieren noch weitere zensierte, vorwiegend linksgerichtete Websites kopiert hat. "Für sie ist das eher eine theoretische Position. Aber wenn sie von diesen Leuten verfolgt, bedroht und erpreßt würde, würde sie auch verstehen, daß es einen rechtlichen Unterschied zwischen der freien Meinungsäußerung und einer wirklichen Drohung gibt." Feldt glaubt nicht, daß sie rechtliche Schritte gegen Spaink einleiten könne, weil die gespiegelte Website außerhalb der amerikanischen Jurisdiktion liegt. Gegenüber der New York Times sagte Spaink: "Das nächste Mal könnte ich verurteilt werden, weil ich auch ungewöhnliche Meinungen habe."

Weiterhin angekündigt wird übrigens auf den Nuremberg Files das neue "Projekt", vor möglichst vielen Abtreibungskliniken WebCams aufzustellen, um Personal und Frauen, die abtreiben wollen, einzuschüchtern (WebCams zur Einschüchterung).