Die Politik im Euro-Kontinent als Tohuwabohu
Deutsch-griechischer Finanzministerplausch - keine Entscheidungsstunde
Wolfgang Schäuble und Yanis Varoufakis beim Meinungsaustausch in Berlin - Höflichkeit war angesagt, jedenfalls beim Auftritt vor der Presse. Und der griechische Finanzminister, so konnten die deutschen Medien berichten, trug sein Hemd in der Hose, zum Tragen einer Krawatte habe er sich aber nicht durchgerungen.
Was sagt uns das? Offenbar liegt es Varoufakis fern, sich auf den Wechsel in einen hiesigen Konzernvorstand vorzubereiten. Über einen zukünftigen Job muss sich sein deutscher Kollege keine Gedanken machen, aus dem Alter ist er raus.
Man sei sich einig darin, uneinig zu sein, meinte Schäuble diplomatisch. Varoufakis merkte ironisch an, auch in dieser Einschätzung bestehe aber keine Einigkeit.
Die Regierenden in Berlin wollen einen neuen Schuldenschnitt für Griechenland nicht zulassen, "der Grieche" sei "abgeblitzt", heißt es in Kommentaren hierzulande. Aber Athen geht es gar nicht um eine solche "Hilfe", angezielt wird dort eine Ablösung der "Troika"- Kontrolleure, um Handlungsraum für andere innere Reformen zu erhalten, als sie per "Spar"-Auftrag auch in Zukunft exekutiert werden sollen. Und zugleich braucht die griechische Regierung Überbrückungskredite.
Die EZB gab dazu widersprüchliche Signale: Griechische Staatsanleihen werden von ihr nicht mehr als Darlehenssicherheiten anerkannt, aber Notfallkredite bekommt die griechische Staatsbank. Wie es dann weiter geht, wissen nur wirtschaftswissenschaftliche Astrologen, untereinander im Expertenstreit.
Der deutsche Finanzminister forderte von seinem griechischen Kollegen "Verlässlichkeit". Was aber heißt das - weiterhin Massenarmut produzierende "Reformen", aus denen wirtschaftliche Sanierung keineswegs hervor geht? Schäuble beklagte, der griechische Staat habe immer noch keinen Gebrauch gemacht von dem großzügigen Angebot, 500 deutsche Finanzbeamte nach Hellas zu entsenden. Dieses Monitum war gewiss für deutsches Publikum gedacht, als Muntermacher für das hiesige Nationalgefühl; wäre es unrealistischerweise ernst gemeint, hätte die Bundesfinanzverwaltung ja schon Sprachkurse für südländisch interessierte Bedienstete eingerichtet.
Wie mit den griechischen Finanzen, der Troika (unglücklicherweise ein russisches Wort...) und dem "Spar"-Programm in Zukunft umzugehen sei, darüber sind sich die Inhaber der Euro-Macht nicht einig. Es gibt auch zu viele davon, in unübersichtlicher Formation. Ist Angela Merkel die Monarchin? Oder Jean Claude Juncker der Oberherr? Ist die EZB die Kommandozentrale? Hat die Deutsche Bundesbank eine Vetomacht? Spricht am Ende der Internationale Währungsfond das ausschlaggebende Wort, möglicherweise in Absprache mit dem Präsidenten der USA?
Die Entscheidungsstrukturen in der europäischen politischen Ökonomie bieten ein Tohuwabohu-Bild, biblisch gesprochen; es herrschen "Irrnis und Wirrnis". Und die meisten Entscheider sind für das, was sie da tun, keineswegs demokratisch legitimiert. Dies bringt ihnen einen schönen Vorteil: politisch haften müssen sie nicht.