Die Psychologen und das Internet

Spanische Psychologen entdecken neue Gefährdungspotenziale und warnen, dass ein Drittel aller Kinder, die das Internet oder Computerspiele benutzen, danach süchtig werden

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Nach Auskunft von spanischen Psychologen steht es schlecht um die psychische Verfassung der Kinder und Jugendlichen und damit gut für ihre eigene Profession. Kinderpsychologie sei praktisch nicht vorhanden, aber 30 Prozent der Kinder im Schulalter würden eigentlich die Dienste von Kinderpsychologen benötigen, um nicht in eine "komplexe psychopathologische Entwicklung" zu geraten.

Aquilino Polaino

Besonders gefährdet seien die Kinder, so Aquilino Polaino, Direktor des Instituts für Psychologie an der Universität San Pablo in Madrid auf einer Tagung, durch das Internet und Computerspiele. 30 Prozent der Kinder und Jugendlichen, die das Internet benutzen oder sich mit Computerspielen beschäftigen, würden danach süchtig werden. Süchtig werden könnten sie aber auch nach den sexuellen Inhalten, die sie im Netz finden.

5 Prozent aller Kinder würden unter Hyperaktivität oder der Aufmerksamkeitsstörung leiden. Das könne zu sozialem Scheitern und Abweisung durch die Gleichaltrigen führen. Bei frühzeitiger Diagnose und Behandlung könne man aber das Problem bei 30 Prozent der Kinder beheben, das ansonsten zu Persönlichkeitsstörungen oder psychopathologischem Verhalten führen könne.

Nach den Psychologen wären durch Internet- und Spielesucht also 30 Prozent einer Generation gefährdet, denn Computerspiele und Internet werden bald alle Kinder benutzen. Vermutlich verändern sich auch psychische Strukturen durch den Umgang mit bestimmten Medien, mit denen man von früh an aufwächst. Ob man Neugier und eine zeitweise intensive oder auch zwanghafte Beschäftigung damit schon gleich als Sucht beschreiben und behandeln soll, ist allerdings schon fraglich. Übermäßigkeit bei manchen Beschäftigungen mag auch zu kindlichem und jugendlichem Verhalten gehören, um etwas auszutesten oder Kompetenzen zu erwerben. Früher haben Kulturkritiker beispielsweise auch von Lesesucht und den schwerwiegenden Folgen des Abdriftens in die textuellen Fantasiewelten gesprochen, was man heute gar nicht mehr hört. Oder wenn Kinder beispielsweise jeden Tag Fußball spielen gehen, käme wohl auch niemand darauf, von einer Sucht zu sprechen.

Psychologen müssen schon kraft ihrer Profession neue bedenkliche Verhaltensmuster entdecken, um sich als Wissenschaftler zu profilieren und als Praktiker neue Betätigungsfelder zu schaffen. Unter den Pathologien erfahren derzeit Süchte, auch bei den Neurobiologen (Essen macht süchtig!?), eine Modewelle. Also machen die spanischen Experten für die Psyche darauf aufmerksam, dass in den letzten Jahren neue Pathologien wie "Internetsucht" oder auch die "Handysucht" aufgetaucht seien, die in der wissenschaftlichen Literatur noch nicht behandelt worden sind. Immer mehr Menschen seien auch affektiv gestört und könnten ihre Begierden und Emotionen nicht mehr steuern.

Polaino jedenfalls schlägt vor, dass es ideal wäre, wenn die Kinder bereits mit 8 Jahren zum Psychologen kommen und dann, falls notwendig, eine Therapie machen sollen, die in wenigen Monaten abgeschlossen wäre. Wie die Therapieerfolge aussehen, so muss man allerdings hinzufügen, wird man erst in Jahrzehnten sagen können. Jetzt, so warnt der Psychologe, kämen die jungen Menschen das erste Mal mit 20 Jahren in die Psychiatrie - und hätten dann schon 8 oder 10 Jahre lang etwa eine chronische Depression. Kümmere man sich nicht um die Kinder, warnt Polaino, so führe das zu einer sozialen Belastung, da man nicht genügend Mittel habe, um so viele Menschen behandeln zu können. Man müsse also die Erziehung in der Familie darauf ausrichten, Präventivprogramme im schulischen Bereich schaffen und mehr Experten ausbilden.