Die Springer-Presse und der "fiese Frank": Wenn ein Grundrecht zur Zumutung wird

Gewerkschaftsboss im Kopf eines Bild-Redakteurs, der sich so richtig in Rage geschrieben hat. Grafik: Gerd Altmann auf Pixabay (Public Domain)

Mediensplitter (4): Die Bild wünscht sich diskretere Streiks. Sobald sie ihre Funktion als Druckmittel im Arbeitskampf erfüllen, schürt sie den Volkszorn gegen Gewerkschaftsspitzen.

Nachdem die Bild während des Streiks der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) 2014 zum Telefonterror gegen deren Chef Claus Weselsky aufrief und Focus online ein Foto seines Wohnhauses mit Nennung des Leipziger Stadtteils veröffentlichte, wird nun skandalisiert, dass ver.di-Chef Frank Werneke – im Bild-Jargon der "fiese Frank" – sich beim Flughafenstreik quasi in Sicherheit gebracht hat. Er sei bereits im Urlaub, während er "uns" die Ferien verderbe, schäumte die Bild am Mittwoch auf der Titelseite.

Seine Abwesenheit erschwert also das Stalking durch die Springer-Presse und von ihr aufgehetzte Wutbürger – und gestreikt wird trotzdem. Da könnte man ja fast auf die Idee kommen, dass Werneke die Beschäftigten gar nicht mit vorgehaltener Pistole dazu zwingt, sondern dass sie selbst wissen, warum sie streiken. Er muss sie nicht mal ständig daran erinnern.

Bloß keine Identifikation mit Streikenden!

Es ist dann wohl einfach ein Teil der arbeitenden Bevölkerung, der streikt, um steigende Lebenshaltungskosten zu kompensieren. Letztere thematisiert auch die Springer-Presse oft genug – vor allem im Zusammenhang mit CO2-Abgaben – sie will das aber nicht so verstanden wissen, dass der werktätige Teil ihrer Leserschaft streiken soll, um höhere Löhne und Gehälter durchzusetzen.

Eine Identifizierung mit Streikenden soll unter allen Umständen vermieden werden. Auch diejenigen, die sich gar keine Urlaubsreise leisten können – eine Woche übersteigt bereits die Möglichkeiten von rund 20 Prozent der Menschen in Deutschland – sollen sich lieber mit Reisenden identifizieren, die am Flughafen aufgehalten werden, als mit dem streikenden Lufthansa-Bodenpersonal.

Klar, da präsentiert man lieber den Gewerkschaftschef, der gerade tatsächlich Urlaub macht, als Feindbild – die Streikenden selbst existieren demnach nicht. Jedenfalls nicht als denkfähige Wesen, die genau wissen, wie sie gegen Ende des Monats rechnen müssen, sondern nur als Schwungmasse des "fiesen Frank".

Ver.di fordert für die rund 20.000 Lufthansa-Beschäftigten am Boden 9,5 Prozent mehr Lohn und einen Mindeststundenlohn von 13 Euro bei zwölf Monaten Laufzeit. Die Tarifverhandlungen sind in der zweiten Runde Mitte Juli ohne Ergebnis geblieben. Daraufhin hatte die Gewerkschaft zu einem eintägigen Warnstreik aufgerufen, der an diesem Donnerstag in den frühen Morgenstunden endete.

Von Grundrechten und Nazirelikten

Die personifizierende "Berichterstattung" zu diesem Streik soll verschleiern, dass es hier in Wahrheit gegen ein Grundrecht geht. Direkt zur Abschaffung des Streikrechts aufrufen will auch die Bild-Redaktion nicht, aber es existiert aus ihrer Sicht wohl eher nur pro forma.

Vielleicht, damit sich europäische Nachbarn nicht das Maul über die Demokratiedefizite in Deutschland zerreißen. In Ländern wie Frankreich oder Italien sind sogar politische Generalstreiks erlaubt – was das Aufhetzen von Lohnabhängigen verschiedener Berufsgruppen gegeneinander erschwert, aber hier natürlich nicht in die Tüte kommt. In Deutschland gilt diesbezüglich immer noch die von Altnazis geprägte Rechtsauffassung der 1950er-Jahre.

Streiks im Zuge Tarifauseinandersetzungen sind auch hier legal, das weiß auch die Bild-Redaktion – aber ein ordentlicher Streik soll aus deren Sicht gefälligst nicht bemerkbar sein. Streik als reales Druckmittel im Arbeitskampf? – Geht gar nicht!

Sobald ein Streik nicht diskret abläuft, sondern tatsächlich spürbar ist, gehören Gewerkschaftschefs mit dem Volkszorn konfrontiert, bis sie aufgeben – und wenn der Volkszorn dafür nicht reicht, muss die Springer-Presse nachhelfen. So versteht sie die Rolle der Medien als "vierte Gewalt" im Staat.

Die Pilotengewerkschaft Cockpit dadurch abschrecken lässt, wird sich am Sonntag zeigen. Bis dahin läuft deren Urabstimmung über einen möglichen Streik.