Die Stunde der Sexistinnen

Trump-Unterstützerin

Nein, das im Titel ist kein Binnen-I. Ihr seid nicht mitgemeint, Männer. Dieser Text richtet sich ausschließlich gegen Sexistinnen. Und ist trotzdem feministisch

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Feminismus ist nämlich nicht der Kampf von Frauen gegen Männer. Sondern häufig genug der Kampf gegen andere Frauen. Heute mehr denn je. Deswegen: Antifeministische Frauen aller Länder, nehmt das.

Neulich im Zug: Ich habe meinem Hund einen Maulkorb angelegt. Der typische launige Mitreisende mittleren Alters, der glaubt, den Waggon unterhalten zu müssen, flachst feixend: "Das wäre mal das Richtige für Frauen!" Ich kontere mit einem eisigen: "Ja, das war ein sehr lustiger Witz." Er verstummt. Keiner lacht. Der Rest der Fahrt verläuft ruhig.

Es könnte manchmal so einfach sein. Der alltägliche Sexismus könnte einfach ins Leere laufen. Die meisten Sexisten kommen nämlich erst in Fahrt, wenn sie merken, dass man ihnen eine Bühne bietet. Dass man ihre Unverschämtheit sekundiert, statt sie abblitzen zu lassen.

Wie so etwas geht, zeigt uns der US-amerikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump seit Monaten eindrücklich. Eine Wahlkampagne, die wie ein einziger endloser Schwanzvergleich funktioniert, müsste eigentlich zum Rohrkrepierer werden. Stattdessen erntet das testosteronsprühende Frisurenwunder aus Queens neben empörter Kritik eine ganze Menge Zuspruch und Bewunderung. Unter anderem auch von euch, liebe Antifeministinnen. Denn so seid ihr eben. Für jeden Spaß zu haben, und sei er noch so vulgär.

Wenn ihr an meiner Stelle im Zug gewesen wärt, hättet ihr nur dämlich gelacht. Hö hö, ja, stimmt, Maulkorb für Frauen, gute Idee. Ihr findet es auch lustig, wenn auf Facebook eine Blondine Bananen isst, indem sie sich selbst am Kopf packt und ihn vor und zurück bewegt. Sicher habt ihr eine Freundin, die ihr markieren könnt. Augenzwinkernd. Ja, so sind wir, gell, wir verrückten Girlies. Und wir stehen drauf, wenn uns einer ordentlich den Arsch versohlt, denn manchmal haben Frauen ein kleines bisschen Haue gern. "Isso."

Ihr denkt euch nicht viel dabei, wenn ihr den schmutzigen Spaß mitmacht (Denken ist sowieso nicht eure Stärke). Ihr wollt keine Spielverderberinnen sein. Ihr wollt die Stimmung nicht vermiesen. Ihr wollt zeigen, dass ihr Humor habt und dass ihr keine verbitterten Kampfemanzen seid (ihr habt keine Ahnung, was eine Kampfemanze eigentlich sein soll, aber wenn ihr das Wort verwendet, fühlt ihr euch voll klug). Emanzen gehen euch sowieso nur auf den Geist. Denn eins wisst ihr mit Sicherheit: Ihr seid keine. Ihr habt nichts gegen Männer. Aber eine ganze Menge gegen Frauen.

Deswegen habt ihr für sie eine breite Palette abwertender Begriffe parat: Fotze, Schlampe, Hure, Bitch, Feminazi. Originell ist das nicht, und dass ihr euch beim Gebrauch solcher Begriffe zu Mittäterinnen macht, ist euch natürlich nicht bewusst. Wenn ihr gegen andere Frauen hetzt, habt ihr das schöne Gefühl, zu den Guten zu gehören, zu denen, die die Welt zu einem besseren Ort machen, weil sie "über sich selbst lachen können", statt immer alles bierernst zu nehmen und mieszumachen. Aber da täuscht ihr euch gewaltig.

Im Zweifelsfall immer für den Kandidaten mit der größten Klappe und der dicksten Hose

Ihr seid es nämlich, die uns geradewegs zurück in die Scheiße reiten, aus der wir eben erst so halbwegs und unter größten Mühen herausgekrochen sind. Nicht nur, dass ihr euch nicht gegen Sexismus wehrt, ihr tragt sogar aktiv zu seiner Verbreitung bei. Euer dämliches Hö-hö-hö beim frauenfeindlichen Spruch des Tages ist nur der Anfang. Ihr tut es nicht absichtlich, aber ihr füttert eure Väter, Ehemänner, Brüder, Freunde und Söhne mit ihrer täglichen Dosis Frauenverachtung, indem ihr selbst die Frauen seid, vor denen sie keine Achtung zu haben brauchen.

Ihr macht euch selbst klein und ihr macht damit euer ganzes Geschlecht klein. Degradiert euch zu Sexobjekten und werft andere Frauen in denselben Topf, in dem auch ihr köchelt. Ihr seid die treibende Kraft hinter weiblicher Genitalverstümmelung, ihr redet dem Imam nach dem Mund, dem Exorzisten, ihr macht für den lüsternen Guru die Beine breit und wettert gegen jene Frauen, die euer masochistisches Spiel nicht mitspielen. Ihr wolltet immer schon pinke Glitzer-Prinzessinnen sein und als weiße Märchenbräute vor den Altar treten und euren Töchtern jeden Samstag die Nägel lackieren und sie so lange mit Kinderschminksets und Barbie-Ausstattung zumüllen, bis sie den Weg zur Kosmetikerinnenausbildung für gottgegeben halten.

Ihr findet es schön, euch umsorgen zu lassen und das Weibchen zu mimen, ihr sehnt euch nach dem starken Mann und findet, dass es wieder Zeit wird für eine harte Hand. Deswegen seid ihr im Zweifelsfall immer für den Kandidaten mit der größten Klappe und der dicksten Hose. Berlusconi, Schröder, Orban, Duterte, Erdoğan, Trump - ihr habt sie alle gewählt. Der Wille zur Macht törnt euch an. Die Chauvi-Sprüche und die zur Schau gestellte Frauenverachtung projiziert ihr in eurer Verblendung auf die Frauen, die es "verdient" haben. Und die schmierige Verschlagenheit, das Lügen, Tricksen und Mauscheln gehören für euch irgendwie dazu. Aber wenn eine Frau dieselben Register zieht wie ihre männlichen Kollegen, wenn sie breitbeinig, selbstgerecht und rücksichtslos auftritt, wenn sie miese politische Spielchen treibt, dann findet ihr sie abstoßend. Und wenn sie es nicht tut - belächelt ihr sie als gutmenschige Irre.

Ihr habt kein bisschen begriffen, was Feminismus ist. Folgerichtig werdet ihr nicht müde, euch dezidiert davon zu distanzieren. "So eine" seid ihr nicht und wollt ihr auch nicht sein. Weil ihr nur in Äußerlichkeiten denken könnt, glaubt ihr, Feministinnen sind die Frauen mit den fettigen Haaren. Die, die sich weigern, ihre Beine und Achselhöhlen und Bikinizonen zu rasieren. Ihr glaubt, Feministinnen haben irgendwie ein Problem mit Männern, sind frigide oder lesbisch oder beides. Und weil ihr eure Männer liebt, glaubt ihr, Feminismus wäre Hochverrat.

Dass es auch feministische Männer gibt, könnt ihr euch gar nicht vorstellen. Eure Söhne jedenfalls wollt ihr zu echten Kerlen erziehen. Solche, die im Auto vorne sitzen, während "die Weiber" auf der Rückbank Platz nehmen - inklusive ihr selbst. Ihr wollt, dass alles seine Ordnung hat, und ihr dekoriert euer Weltbild mit Sprüchen, die ihr zwar nicht versteht, aber irgendwie schön findet. "Das Glück eines Kindes beginnt im Herzen der Mutter." Ihr habt keine Ahnung, was das genau bedeuten soll, aber erstens denkt ihr (siehe oben) darüber nicht nach und zweitens genügt es euch, dass die Worte "Glück", "Kind", "Herz" und "Mutter" im selben Satz vorkommen.

Ihr seid, lasst es mich ganz offen sagen, strohdumm. Und wenn es euch schlecht geht mit euren Herzliebsten, denen ihr auch dann noch hörig seid, wenn sie euch belügen, betrügen, erniedrigen und misshandeln, dann möchte man am liebsten einfach nur sagen: selber schuld. Denn so funktioniert das in eurer Welt: Da sind die Opfer die eigentlichen Täter. Hätten sie mal die Klappe gehalten. Und sich nicht so aufreizend verhalten. Und bei den sexistischen Witzen irgendwelcher Idioten dümmlich gelacht. Dann wäre das alles nicht passiert. Dann wäre alles gut gewesen. Warum es herausfordern? Warum es nicht einfach gut sein lassen?

Weil es nicht gut ist. Und weil es nicht gut werden kann, wenn immer noch viel zu viele das schäbige Spiel des Sexismus mitspielen. Jahrzehntelang haben Frauen und Männer gemeinsam Zentimeter für Zentimeter den Boden für mehr Gerechtigkeit und Gleichheit bereitet. Sie haben sich für ihre Mütter, Ehefrauen, Schwestern, Töchter, Freundinnen eingesetzt, haben dafür gekämpft, dass nicht nur sie, sondern alle Frauen ihr Leben in Sicherheit, Freiheit und Würde gestalten können, und ihr Kampf ist noch lange nicht beendet.

Das ist traurig genug, aber das Traurigste ist, dass Feminismus manchmal sogar frauenfeindlich sein muss, nämlich dann, wenn es gegen Frauen wie euch geht. Die feministische Frauenfeindlichkeit besteht aber nicht darin, Frauen abzuwerten und zu unterdrücken. Keiner nimmt euch eure Highheels oder Rosenkränze oder Plüschhandschellen weg, keine Sorge. Aber der Feminismus wird rabiat, wenn ihr Unschuldige mit reinzieht: eure Kinder zum Beispiel. Für sie muss der Feminismus sich einsetzen, und damit gerät er unter Umständen in Widerspruch zu euch.

Und der Feminismus geht sogar noch einen Schritt weiter. Er setzt sich sogar für Frauen wie euch ein, obwohl ihr es selbst nicht wollt und obwohl ihr es wahrscheinlich nicht einmal verdient. Der Feminismus hält euch und euren rosaroten Töchtern die Hand hin, und er hält es aus, wenn ihr ihn verschmäht und bekämpft. Der Feminismus hält euch die Tür offen, damit ihr irgendwann, falls der Tag kommen sollte, aus eurem selbstgeschaffenen Gefängnis ausbrechen könnt.

Das alles interessiert euch nicht, und wahrscheinlich lebt ihr tatsächlich ganz angenehm in eurem DIY-shabby-chic-Kokon, in den ihr euch eingesponnen habt. Fürs Gemüt gibt es rührselige Hunde- und Katzenvideos, für den Geist ein paar Paolo-Coelho-Sprüche, und den Rest erledigen Mandala-Malbücher für Erwachsene. Und natürlich sind das ganz gemeine Klischees, die auf niemanden zutreffen, und natürlich regt ihr euch auf, wenn eine wie ich euch zu nahe tritt. Ihr wollt mich in die Schranken weisen, weil ihr nämlich ganz anders seid und euch keiner in eine Schublade sperren kann, weil ihr nämlich viel mehr drauf habt als die olle Hausmütterchen-Nummer.

Aber wenn das stimmt, dann seid ihr das, was ihr nie sein wolltet, ob es euch gefällt oder nicht. Dann seid auch ihr verkappte Feministinnen, die sich gegen Fremdzuschreibungen wehren. Daran solltet ihr denken, wenn ihr das nächste Mal stillhaltet, weil ihr keine Spielverderberinnen sein wollt. Und in euer Poesiealbum solltet ihr mit Goldstift schreiben: Der Sexismus beginnt im Schweigen seiner Opfer. Oder in ihrem dümmlichen Lachen.