Die Teilung Palästinas – eine offene Rechnung der UNO
Heute vor 75 Jahren wurde von den Vereinten Nationen eine folgenschwere Resolution verabschiedet. Das Votum war damals nicht unumstritten. Die Bedenken haben sich bis heute bewahrheitet. Ein Kommentar.
Heute vor 75 Jahren, am 29. November 1947 verabschiedete die UN-Generalversammlung die berühmte Teilungsresolution 181 (II) mit 33 gegen 13 Stimmen bei zehn Enthaltungen. Unter Punkt 3 heißt es:
Zwei Monate nach Abschluss des Abzugs der Streitkräfte der Mandatsmacht (England), in jedem Fall spätestens am 1. Oktober 1948, entstehen in Palästina ein unabhängiger arabischer Staat und ein unabhängiger jüdischer Staat sowie das in Teil III dieses Plans vorgesehene internationale Sonderregime für die Stadt Jerusalem. Die Grenzen des arabischen Staates, des jüdischen Staates und der Stadt Jerusalem sind die in den Teilen II und III beschriebenen Grenzen.
Das Stimmenverhältnis zeigt, dass der Abstimmung kontroverse Diskussionen über die Teilung in der UNO vorausgegangen waren. So war das Subkomitee 2 des "UN Special Committee on Palestine", welches mit der Ausarbeitung einer Resolution beauftragt war, in einem ausführlichen Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, dass die Vereinten Nationen …
… nicht die Macht haben, einen neuen Staat zu schaffen. Solch eine Entscheidung kann nur durch den freien Willen des Volkes des in Frage stehenden Landes selbst getroffen werden. Diese Bedingung ist im Falle des Mehrheitsvorschlages nicht erfüllt, da er die Errichtung eines jüdischen Staates in voller Missachtung der Wünsche und Interessen der Araber in Palästina involviert.
In der Tat hatte bereits die King-Crane-Kommission, die 1919 Palästina bereiste, davor gewarnt, "in welchem Maße das zionistische Programm von der Bevölkerung Syriens und Palästinas als ungerecht empfunden wird". Mit ähnlichen Erkenntnissen kamen alle Reisende und Kommissionen aus dem Land zurück, dessen arabische Bevölkerung die Kolonisierung ihres Landes durch die fremden Siedler ablehnte.
Die Mehrheit der Mitglieder in der UN-Generalversammlung verwarf die Warnung und stimmte für die Teilung, die den Landbesitz der jüdischen Siedler auf über 56 Prozent des palästinensischen Territoriums verzehnfachen sollte.
Alle arabischen Staaten stimmten dagegen. Diese hatten gute Gründe, denn sie kannten die Kolonisationspläne der zionistischen Bewegung und ahnten, dass die Resolution die Situation nicht beruhigen, sondern die Spannungen zwischen den jüdischen Siedlern und der palästinensischen Bevölkerung noch verstärken und zu einer der gewaltsamsten Phasen in der Geschichte des Landes führen sollte.
Die Vertreibung
Noch bevor Ben Gurion im Mai 1948 die israelische Staatsgründung proklamierte, wurden etwa 250.000 Palästinenser vertrieben, bis zum Waffenstillstand 1949 dann weitere 550.000. Die ethnische Säuberung Palästinas hatte begonnen.
1948 lebten in den Gebieten des heutigen Israel – ohne Westbank und Gazastreifen – rund 700.000 Palästinenser und Palästinenserinnen, nach dem Ende des Krieges mit den arabischen Staaten 1949 waren es noch 156.000.
Nun hatte Israel 78 Prozent des ehemaligen britischen Mandatsgebietes unter seiner Kontrolle. Die Menschen verließen nicht freiwillig ihre Häuser und Dörfer, in denen sie seit Jahrzehnten, lange bevor die ersten Siedler aus Europa kamen, gelebt hatten.
Sie wichen dem Druck der militärischen Drohung, der Gewalt und zahlreicher Massaker. Beim Kampf gegen palästinensische Führungspersönlichkeiten schreckte die jüdische Armee auch nicht vor dem Einsatz biologischer Waffen zurück.
Über 500 Ortschaften wurden dem Erdboden gleichgemacht, das "verlassene Land", rund 300.000 Hektar Gärten, Felder, Olivenhaine und Zitrusplantagen enteignet und in jüdischen Besitz überführt.
Die Kinder der damaligen Flüchtlinge sind heute verstreut über die Nachbarstaaten Jordanien, Libanon, Syrien, im Westjordanland und dem Gazastreifen, zumeist in Lagern, an die sieben Millionen Flüchtlinge.
Nichts ist ihnen geblieben, als ein abstraktes Recht auf Rückkehr, welches ihnen die UNO-Generalversammlung in der Resolution 194 zwar bestätigt hat, das sie aber gegen den Widerstand Israels und der USA nicht durchsetzen können. Ihnen bleibt nur die Erinnerung an das, was auch wir immer wieder vergessen wollen und was wahrlich den Namen "Naqba", Katastrophe, verdient.
Mit der Eroberung des Westjordanlands 1967 wurde die Politik der Vertreibung durch die Gründung jüdischer Siedlungen weiter verschärft. Inzwischen leben über 650.000 jüdische Siedler in über 130 Siedlungen und an die 100 sogenannten Außenposten, die alle nach den Genfer Konventionen illegal sind.
Die Aufteilung des Westjordanlandes
Seit dem Oslo Abkommen 1993 wurde das Westjordanland in drei Zonen aufgeteilt. Vor allem in der Zone C, die 60 Prozent der Westbank und den fruchtbarsten Teil mit dem Jordantal umfasst, ist jede palästinensische Autonomie beseitigt.
Aber auch in den restlichen Zonen A und B kann von Autonomie nicht mehr die Rede sein. Es hat sich ein System der Apartheid entwickelt, welches mit Mitteln unzähliger Militärgesetze, Checkpoints, Roadblocks, willkürlicher Razzien und Schikanen sowie täglicher Gewalt der Siedler die palästinensische Bevölkerung permanentem Terror aussetzt, der ihr Leben unerträglich gemacht hat.
Zerstückelt durch die Siedlungen gibt es für einen in der Teilungsresolution 181 vorgesehenen palästinensischen Staat kein zusammenhängendes Territorium mehr. Die Annexion Ost-Jerusalems durch das Jerusalem-Gesetz ist zwar wie alle Siedlungs- und Landenteignungsaktivitäten völkerrechtswidrig, manifestiert aber den unbedingten Willen Israels, die einmal besetzten Gebiete nicht mehr aus seiner Hoheitsgewalt zu lassen.
Zwei-Staaten-Lösung: "Realitätsferne Illusion"
Die Option einer Zwei-Staaten-Lösung, an der offiziell von den Streitparteien wie auch in der UNO immer noch festgehalten wird, hat sich in eine realitätsferne Illusion aufgelöst.
Auch im Gazastreifen haben sich die Lebensbedingungen für die Bevölkerung nicht verbessern können, obwohl Ariel Sharon 2005 die Siedlungen aufgegeben und die Siedler abgezogen hat. Seit Hamas 2006 die Wahlen gewann, blockiert Israel den Gazastreifen entgegen allem Völkerrecht.
Es unterbindet damit jede wirtschaftliche Entwicklung. Die UN warnte 2012 in einem Bericht davor, dass der "Gazastreifen im Jahr 2020 unbewohnbar sein würde, wenn nicht umgehend Maßnahmen getroffen würden, um den Menschen in dem abgeriegelten Küstenstreifen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen".
Die regelmäßigen Angriffe der israelischen Armee, ob 2008/2009, 2012, 2014 oder 2021 beschleunigen die Verelendung der Bevölkerung.
Die Überfälle seit 2014 sollen ebenso wie die Siedlungspolitik und mögliche Kriegsverbrechen der Hamas durch den Internationalen Strafgerichtshof seit 2021 untersucht werden. Doch warten wir noch immer auf die ersten konkreten Schritte der Untersuchung, etwa der palästinensischen Attentate auf Zivilisten und der Raketen aus dem Gazastreifen einerseits sowie der opferreicheren Gewalt der Siedler und der Angriffe der israelischen Armee andererseits.
„Als die Vereinten Nationen ihren Bericht 2012 veröffentlichten, betrug die Arbeitslosigkeit bereits 29 Prozent“, schrieb dazu der britische Guardian Ende 2019. Zum damaligen Zeitpunkt habe die Weltbank die Arbeitslosigkeit mit 53 Prozent angegeben, für junge Bewohner des Gazastreifens mit sogar 67 Prozent. Fast die Hälfte der Bevölkerung dort lebe von weniger als 5,50 US-Dollar pro Tag, verglichen mit rund neu Prozent im Westjordanland.
Die 2005 gegründete Bewegung "Boycott, Desinvestment and Sanctions" (BDS) hat inzwischen weltweite Resonanz errungen. Ihr Ziel ist, die israelischen Regierungen auf die Einhaltung der völkerrechtlichen Regeln zu verpflichten. Sie hat die israelische Regierung jedoch bisher nur zu zum Teil drastischen Abwehrmaßnahmen veranlasst, ihre Politik hat diese jedoch nicht geändert.
Insbesondere die deutschen Bundesregierungen, die die Sicherung der Existenz Israels zu ihrer Staatsräson erklärt haben, sind wenig hilfreich bei der Suche nach einem Frieden. Mit ihrer vorsichtigen Kritik und der gleichzeitig unübersehbaren materiellen und politischen Unterstützung der israelischen Regierungen stärken sie eher die Weigerung, die Besatzung aufzuheben und Kompromisse mit den Palästinensern zu suchen.
Neue Initiativen sind nötig
Was die internationale Staatengemeinschaft in der UNO vor 75 Jahren mit der Teilung Palästinas versuchte, um Frieden in der Region zu schaffen, ist gescheitert. Es bedarf dringend neuer Initiativen, um Israel zur Aufgabe der Besatzung, zur Achtung des Völkerrechts und zu einer gleichberechtigten Nachbarschaft mit den Palästinenserinnen und Palästinenser ohne Diskriminierung und Gewalt zu bewegen.
Die Sonderberichterstatterin des Menschenrechtsrats Francesca Albanese und die Untersuchungskommission unter Vorsitz von Navi Pillay haben erst jüngst detaillierte Berichte über die Situation der Menschenrechte und die zahlreichen Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht in den besetzten Gebieten der Öffentlichkeit vorgelegt.
Darin fordern sie alle Staaten auf, die Verletzungen des palästinensischen Rechts auf Selbstbestimmung durch Israel zu verurteilen, das sofortige Ende der rechtswidrigen Besatzung und die Rückgabe des geraubten Landes und aller Ressourcen zu fordern und in der UN-Generalversammlung einen Plan zu entwickeln, "um die siedler-koloniale Besatzung und das Apartheid-Regime zu beenden".
Sollte Israel den Forderungen nicht folgen, sollten die Staaten diplomatische, ökonomische und politische Maßnahmen – das ist die höfliche Umschreibung der hier so verpönten Sanktionen - entsprechend der Charta der Vereinten Nationen ergreifen. Die Staaten sollten schließlich die Täter mithilfe des Internationalen Strafgerichtshofs und anderer universeller Justizorgane zur strafrechtlichen Verantwortung ziehen.
Die neue Regierung Israels mit ihrem offen rassistischen und rechtsradikalen Personal ist die späte, aber voraussehbare Konsequenz der frühen und andauernden Versäumnisse der UNO. Sie hat akzeptiert, dass israelische Regierungen jahrzehntelang die vom Land selbst unterschriebenen Charta verhöhnt; sie hat diese Regierungen in ihrer Mitte geduldet und ohne Einschränkung gewähren lassen.
Ein solches politisches Regime lässt kaum die Hoffnung aufkommen, dass Israel aus eigener Kraft den Weg zurück unter das Dach der UNO-Charta und des Völkerrechts findet. Es ist deshalb höchste Zeit, dass die Staaten, die immer noch diesen permanenten Krieg gegen Menschenrechte und Völkerrecht unterstützen, ihre Politik ändern und gemeinsam mit der UNO die geforderten Maßnahmen ergreifen, um das Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes und seine Menschenrechte wiederherzustellen.
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