Die UNO – zahnloser Tiger oder unverzichtbarer Friedensstifter?
Plakat aus dem Jahr 1943 – zwei Jahre vor der Gründung der Vereinten Nationen. Bild: Public Domain
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Die UNO wurde nach dem 2. Weltkrieg gegründet, um den Frieden zu sichern. Doch strukturelle Probleme behindern oft ihre Handlungsfähigkeit.
Die gedankliche Einbettung der Vereinten Nationen
Die theoretische Grundlage für die Vereinten Nationen wurde u. a. von Immanuel Kant angelegt. In seinem Aufsatz "Zum ewigen Frieden" (1795) legte er die Grundlage für zwei wichtige Theorien internationaler Beziehungen an: Er verwendete dort prägend den Begriff eines "Völkerbundes", der aufgrund der Zusammenarbeit "der Völker als Staaten" nicht nur einen Krieg, sondern alle Kriege auf Dauer beenden würde.
Hiermit legte er den Grundstein für die Institutionalismustheorie der Internationalen Beziehungen, die durch die Hoffnung auf den Erfolg kooperativer Prozesse innerhalb von internationalen Institutionen gekennzeichnet ist.
Eine weitere grundlegende Theorie Internationaler Beziehungen wurde ebenfalls durch Immanuel Kant geprägt: Die Idealismustheorie. Kant war der Auffassung, dass eine republikanische Ordnung, bei der Menschen über Krieg und Frieden mitbestimmen könnten, friedfertiger sein würde. Da die Menschen alle Lasten des Kriegs letztendlich selbst tragen müssten, würden sie sich eher gegen den Eintritt in einen Krieg aussprechen.
Fürsten im absolutistischen Staat würden zur Kriegsführung neigen, die sie aus der Ferne beobachten könnten, während das einfache Volk dem Krieg geopfert würde – so Kant (1795):
Da hingegen in einer Verfassung, wo der Unterthan nicht Staatsbürger, die also nicht republikanisch ist, es die unbedenklichste Sache von der Welt ist, weil das Oberhaupt nicht Staatsgenosse, sondern Staatseigenthümer ist, an seinen Tafeln, Jagden, Lustschlössern, Hoffesten u. d. gl. durch den Krieg nicht das Mindeste einbüßt, diesen also wie eine Art von Lustparthie aus unbedeutenden Ursachen beschließen, und der Anständigkeit wegen dem dazu allezeit fertigen diplomatischen Corps die Rechtfertigung desselben gleichgültig überlassen kann.
Diese Einschätzung wurde später von zahlreichen Politikwissenschaftlern aufgegriffen und genauer ausgeführt und variiert. Beispielsweise entwickelte der deutsche Politikwissenschaftler und Friedensforscher Dieter Senghaas (1994) sein zivilisatorisches Hexagon1, das ebenfalls den Zusammenhang zwischen innerer Verfasstheit einer Gesellschaft und äußerer Friedfertigkeit thematisiert.
Senghaas entwickelte sechs für eine friedliche Gesellschaft maßgebliche Faktoren als Ausdruck eines erfolgreichen Zivilisierungsprozesses: Entprivatisierung von Gewalt (öffentliches Gewaltmonopol), rechtsstaatliche Kontrolle des Gewaltmonopols, demokratische Struktur und demokratische Entscheidungsprozesse, soziale Gerechtigkeit, kompromissförmige Konfliktlösung im Rahmen einer multinationalen Gesellschaft und Konflikt- und Affektkontrolle in einer Situation wechselseitiger Abhängigkeit. Sind diese Faktoren gegeben, sei eine eher friedensstiftende Funktion dieses Staates im weltpolitischen Kontext wahrscheinlicher.
Auch der norwegische Friedensforscher Johann Galtung (2004) beispielsweise betonte den Zusammenhang zwischen struktureller Herrschaft in einer Gesellschaft und Friedfertigkeit nach außen. Erst wenn eine Gesellschaft ihre inneren Probleme bearbeitet und menschenfeindliche strukturelle Zwänge beseitigt hätte, könnte sie einen positiven Frieden in die Welt hinaustragen, der mehr als ein Schweigen der Waffen bedeute.2
Eine dritte theoretische Richtung, die sich mit der Frage des internationalen Friedens beschäftigt, ist die Realismustheorie der Internationalen Beziehungen. Nach der realistischen Theorie muss ein Staat eine militärische Überlegenheit über einen als Gegner erkannten Staat erreichen, um abschreckend zu wirken. Dies bedeutet also hiernach, sich auf den Krieg wirkungsvoll vorzubereiten, um durch den erreichten Stand militärischer Aufrüstung und die damit verbundene Abschreckung den Frieden zu sichern.
Die Politikwissenschaftler Carlo Masala und Herfried Münkler sind z. B. als Vertreter der neorealistischen Schule einzuschätzen, die Kants Überlegungen m. E. somit übergehen und für unrealistisch halten. Sie nehmen damit auch die Gefahr einer unkontrollierten Rüstungsspirale in Kauf.
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Der Politikwissenschaftler Johannes Varwick könnte dagegen in der friedenspolitischen Fortsetzung von Kant sehen, da er neben einer notwendigen Verteidigungsfähigkeit vorwiegend auf Diplomatie, Verhandlungen und internationale Zusammenarbeit setzt.
Der Völkerbund – ein organisatorischer Vorläufer der UNO
Der Völkerbund wurde nach der Katastrophe des Ersten Weltkriegs gegründet und war ein Bestandteil des Versailler Vertrags und trat im Januar 1920 mit 32 unterzeichnenden Staaten in Kraft. Er wollte u. a. folgende Ziele erreichen:
- Selbstbestimmungsrecht der Völker;
- Wahrung des Friedens;
- System kollektiver Sicherheit;
- Internationale Abrüstung und Rüstungskontrolle;
- Schiedsgerichtliche Beilegung von Konflikten.
Allerdings war der Völkerbund kein Bündnis der Völker, also der in den verbündeten Ländern lebenden Menschen, sondern ein Staatenbund vorrangig westlicher Regierungen. Es gab kein Weltparlament, auch waren Diktaturen aufnahmefähig nach der Satzung.
Auch gab es bereits damals die Unterteilung in Völkerbundversammlung und einen Völkerbundsrat mit ständigen und nicht-ständigen Mitgliedern, der durch den Zwang zur Einstimmigkeit häufig blockiert war. Auch gab es auch damals keine eigene, stehende weltpolizeiliche Eingreiftruppe.
Dann verweigerte auch noch der US-Senat dem sich in Europa für eine Neuordnung der Welt engagierenden US-Präsident Woodrow Wilson die Ratifizierung des Beitritts zum Völkerbund. Damit erfuhr der Völkerbund also ohne die USA bereits in seiner Anfangsphase eine entscheidende Schwächung.
Deutschland durfte nur ratifizieren, aber zunächst nicht beitreten. Deutschland trat 1926 dem Völkerbund bei und trat 1933 mit der nationalsozialistischen Machtergreifung wieder aus. Andere faschistische Staaten, wie Japan und Italien, traten dann ebenfalls aus.
Letztlich bedeutete der Beginn des Zweiten Weltkriegs auch das endgültige Scheitern des Völkerbundes, der dann 1946 auch aufgelöst wurde, da inzwischen eine bedeutendere internationale Organisation gegründet wurde – die United Nations Organization (UNO).
Die Gründung der Vereinten Nationen
Die UNO hatte eine mehrjährige Vorlaufzeit, bereits während des 2. Weltkriegs: Im August 1941 fand ein entscheidendes Treffen zwischen dem US-Präsidenten Franklin Roosevelt und dem britischen Premierminister Winston Churchill auf den Bermudas statt und führte zur Unterzeichnung einer ‚Atlantik Charta‘ mit u. a. folgenden Zielen:
- Zerschlagung der Nazi-Diktatur;
- Wiederherstellung des Selbstbestimmungsrechts der Völker und der Grenzen vor dem Beginn des 2. Weltkriegs;
- Abrüstungsmaßnahmen;
- Handelsfreiheit und freier Zugang zu den Rohstoffen.
Diese Erklärung wurde bis zum Kriegsende von 47 Staaten unterschrieben und diente – neben einigen Merkmalen des Völkerbundes – als Vorlage für die UN-Charta.
Im Oktober 1943 trafen sich die Außenminister der USA, der UdSSR und des Vereinigten Königreichs in Moskau und vereinbarten die Schaffung einer neuen internationalen Organisation und die zukünftige Zusammenarbeit mit China.
Zum Ende des Zweiten Weltkriegs akzeptierte die UdSSR auf der Jalta-Konferenz im Februar 1945 u. a. das Konzept der Vereinten Nationen. Hiernach tagten in San Francisco Vertreter der beteiligten Staaten mehrere Monate und präzisierten das Konzept der UN-Charta und der UN-Organisationsstruktur. Im Juni 1945 wurde dann zum Abschluss der San Francisco Conference die UN-Charta von 50 Mitgliedern unterzeichnet.
Die UN-Charta trat aber erst am 24.10.1945 mit 51 Staaten als Mitglieder in Kraft, nachdem die Ratifizierung durch die fünf ständigen Mitglieder und die Mehrheit der anderen Mitglieder erfolgt war.
Das wichtigste Ziel nach der zweiten Weltkriegskatastrophe im 20. Jahrhundert war die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit durch Maßnahmen zur Kriegsprävention und die friedliche Beilegung von internationalen Konflikten – so heißt es in der Präambel der UN-Charta:
Wir die Völker der Vereinten Nationen sind fest entschlossen, künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren, die zweimal zu unseren Lebzeiten unsagbares Leid über die Menschheit gebracht hat.
Die Vereinten Nationen setzten sich dementsprechend folgende Ziele3:
Den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren und zu diesem Zweck wirksame Kollektivmaßnahmen zu treffen, um Bedrohungen des Friedens zu verhüten und zu beseitigen, Angriffshandlungen und andere Friedensbrüche zu unterdrücken und internationale Streitigkeiten oder Situationen, die zu einem Friedensbruch führen können, durch friedliche Mittel nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit und des Völkerrechts zu bereinigen oder beizulegen.
Des Weiteren wurden auch ökonomische und soziale Zielsetzungen formuliert, die an einer stabilen internationalen Wirtschaftsordnung, der Durchsetzung der Menschenrechte und auf mehr soziale Gerechtigkeit ("sozialer Fortschritt", "besserer Lebensstandard") hinorientiert waren.
Allerdings wurden auch in der UN-Charta Strukturen angelegt, die dann später zur Entscheidungsblockade und zum teilweisen Versagen der UNO führten.
Bereits nach kurzer Zeit entzweite sich unter dem Wegfall der faschistischen Bedrohung das Kriegsbündnis der Alliierten und der Kalte Krieg begann. Der Krieg in Korea (1950–1953) war Ausdruck dieser destruktiven internationalen Situation.
Der ehemalige UN-Generalsekretär Dag Hammarskjöld stellte daher im Jahr 1954 ernüchtert fest, die Vereinten Nationen "wurden nicht geschaffen, um die Menschheit in den Himmel zu bringen, sondern um sie vor der Hölle zu bewahren".
Die Frage ist auch heute immer noch, ob auch dieser Minimalanspruch an die Leistungsfähigkeit der Vereinten Nationen tatsächlich eingelöst werden kann.
Zwei wichtige Institutionen der UNO und wie sie falsch angelegt wurden
Die Vereinten Nationen bestehen aus einem komplizierten Geflecht aus Hauptorganen, Neben- und Sonderorganisationen sowie Fonds und Programmen. Es soll sich nun in der skizzenhaften Analyse der Organisationstätigkeit der UNO nur auf zwei zentrale Institutionen bezogen werden4:
- die UN-Generalversammlung
- den UN-Sicherheitsrat
Die UN-Generalversammlung ist kein internationales Parlament mit weltweit demokratisch gewählten Vertretern, sondern alle Mitgliedsstaaten (inzwischen 193 Länder) entsenden jeweils maximal fünf (!) Staatsfunktionäre in die Versammlung.
Dies gilt im Übrigen auch für Diktaturen und andere autokratische Systeme. Dies bedeutet, dass die UN-Generalversammlung nicht die Weltbevölkerung repräsentiert, sondern die Regierungen der Mitgliedsländer. Die Beschlüsse der UN-Generalversammlung haben in der Regel nur Empfehlungscharakter.
Nur bei einer weltpolitisch bedrohlichen Lage, bei der im Sicherheitsrat bei den ständigen Mitgliedern keine Einigkeit zu erzielen und er damit blockiert ist, kann die Generalversammlung eine Notstandssondertagung einberufen und mit Beschlüssen zu Maßnahmen die Blockade des UN-Sicherheitsrats überwinden helfen (A/Res 377, 3. November 1950, "Uniting for Peace-Resolution").
Dies fand in der Vergangenheit bereits zu mehreren bedrohlichen Situationen statt, z. B. zur Suez-Krise (1956) und zur Kongo-Frage (1960). Es fand zwar eine Notstandssondertagung der UN-Generalversammlung zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine im März 2022 statt, dennoch führte dies nur zu relativ wenigen Maßnahmen.
Russland wurde etwa aus dem UN-Menschenrechtsrat ausgeschlossen, und es gab zumindest bereits 2022 fünf Resolutionen der UN-Generalversammlung, welche die russische Aggression als völkerrechtswidrig verurteilten, ohne aber wirkungsvoll eingreifen zu können.
Diese Möglichkeit zu einer Notstandssondertagung hätte die UN-Generalversammlung auch in weiteren gegenwärtigen militärischen Konflikten, wie in Israel/ Palästina und im Sudan. Es ist zu fragen, wie lange man hier noch mit der Einberufung einer Notstandssondertagung und mit dem Beschluss friedenssichernder Maßnahmen warten will.
Der UN-Sicherheitsrat ist das mächtigste Organ der UNO, das sowohl kriegspräventive als auch friedenssichernde Maßnahmen mit völkerrechtlicher Verbindlichkeit beschließen kann. Allerdings hatten sich die USA, die UdSSR, Frankreich, Großbritannien und China eine privilegierte Position im UN-Sicherheitsrat – übrigens gegen den Protest vor allem kleinerer Staaten – bei der Gründung der Vereinten Nationen sichern können.
Der UN-Sicherheitsrat ist eine Zweiklassengesellschaft, die in (inzwischen) zehn nichtständige und fünf ständige Mitglieder unterteilt ist. Die ständigen Mitglieder wurden nicht gewählt und haben aufgrund ihres Veto-Rechts einen dominanten Einfluss. Gerade dieses Veto-Recht blockiert in bedrohlichen Situationen die UNO, insbesondere, wenn ein ständiges Mitglied des Sicherheitsrats Verursacher der Aggression ist.
So stimmte beispielsweise Russland als Aggressor mit seinem Veto gegen die eigene Verurteilung und gegen Russland gerichtete Maßnahmen. Auch wurde der UN-Sicherheitsrat für die eigenen nationalen geostrategischen Interessen der ständigen Mitglieder durch Desinformation missbraucht.
In Erinnerung sind hier hauptsächlich die Falschinformationen durch den US-Außenminister Colin Powell über irakische Massenvernichtungswaffen, die zum zweiten Irak-Krieg mit hunderttausenden Toten und einer desolaten gesellschaftlichen Nachkriegssituation im Irak führten.
Des Weiteren ist u. a. kritisch anzumerken, dass der UN-Sicherheitsrat unter geografischen Gesichtspunkten ungleich besetzt ist, z. B. kein afrikanischer und kein südamerikanischer Staat als ständiges Mitglied vertreten ist.
Der ehemalige beigeordnete Generalsekretär Hans-Christoph von Sponeck (2022) fasst daher die Kritik am UN-Sicherheitsrat zusammen:
Alle rechtlichen Verpflichtungen der UN-Charta mit ihren 111 Artikeln werden von den ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrats immer wieder skrupellos und straflos ignoriert oder gebrochen. Also genau von den fünf Staaten, denen die UN-Generalversammlung die Hauptverantwortung für Weltfrieden und Weltwohlergehen anvertraut hat. Internationales Recht gilt also nur für die anderen.
Die relative Machtlosigkeit und der fehlende demokratische Charakter der UN-Generalversammlung sowie die einseitigen Entscheidungsstrukturen im UN-Sicherheitsrat behindern die Umsetzung der in der UN-Charta enthaltenen völker- und menschenrechtlichen Ansprüche. Dies bedeutet, dass bereits in der UN-Charta – neben ihren wertvollen Impulsen – auch die Ursache für die mangelnde Wirksamkeit der UNO in Bezug auf Friedenssicherung und Kriegsprävention angelegt ist.
Sind die Vereinten Nationen ein Auslaufmodell?
Trotz der Misserfolge von friedendurchsetzenden, friedenssichernden und friedenserhaltenden Maßnahmen, wie in Ruanda (1994) und Srebrenica (1995), gab es auch erfolgreiche Operationen, wie an der indisch-pakistanischen Grenze (ab 1950) und seit 1974 zwischen dem türkischen und griechischen Teil Zyperns.
Weitere Erfolge der Vereinten Nationen können in der Konzeption und den Beschlüssen zum UN-Atomwaffensperrvertrag und dem UN-Atomwaffenverbotsvertrag gesehen werden, auch wenn die Umsetzung bisher nicht vollständig erfolgt ist oder z. T. vorwiegend von den Nuklearstaaten unterlaufen wird.
Auch der Internationale Gerichtshof und die Kooperation mit dem Internationalen Strafgerichtshof stellen positive Ansätze in der Durchsetzung internationalen Völkerrechts dar – auch wenn entscheidende Staaten diese Institutionen nicht anerkennen und das Gericht keine Befugnisse hat, Entscheidungen auch selbst durchzusetzen.
Das UN-Welternährungsprogramm, das zwar wie die gesamte UNO unterfinanziert ist, hat dennoch Millionen Menschen und insbesondere Kindern das Leben gerettet. Hier arbeiten ca. 23.000 Mitarbeiter:innen in 120 Ländern, um in Krisen und bei Katastrophen die schlimmste Not zu lindern.
Es gab zahlreiche Reformversuche, die UNO demokratischer und stärker werden zu lassen. Zuletzt wurde über einen UN-Gipfel zivilgesellschaftlicher Organisationen und dann auch von der UN-Generalversammlung ein "Pact for the Future" verabschiedet, der viele wichtige Forderungen enthält, z. B. verstärkte Anstrengungen für den Schutz von Frauen und Kindern in gewalttätigen Konflikten sowie die verstärkte Mitentscheidung von Frauen bei allen friedenssichernden Maßnahmen.
Dennoch werden in der Entschließung der undemokratische Charakter der UN-Generalversammlung sowie die asymmetrische Struktur des UN-Sicherheitsrats nicht angetastet.
Nur selten wird in der politikwissenschaftlichen Diskussion über den Zusammenhang zwischen Kapitalismus und UNO nachgedacht. Kann eine internationale und eine durch ihre Charta auf Gemeinwohl ausgerichtete Organisation überhaupt in einem sozioökonomischen globalen Kontext wirkungsvoll agieren, der durch Strukturen privater Interessendurchsetzung und ökonomischer Gier gekennzeichnet ist?
Gerade der schrittweise Rückzug der USA unter der gegenwärtigen Regierung zeigt doch, wie sich ein Staat, der sich zunehmend im Besitz von Milliardären befindet, sich von den Vereinten Nationen zurückzieht, wenn diese deren Geschäfte stören.
Trotz dieser vielfältigen Kritik dürfen die Vereinten Nationen kein Auslaufmodell sein – so der über Jahrzehnte mit den Vereinten Nationen befasste Journalist Andreas Zumach (2021)5:
Eine Auflösung der 1945 gegründeten UNO bedeutet(e) den Rückfall in die Barbarei ungeregelter zwischenstaatlicher Beziehungen.
Man sollte daher nicht die UNO fallen lassen, sondern sie im Gegenteil stärken, indem man sie besser finanziert und einschneidende strukturelle Reformen der Vereinten Nationen vornimmt. Zurzeit sind die Vereinten Nationen aber nur so stark, wie die Zusammenarbeit der ständigen Mitglieder dies ermöglicht. Ist diese Zusammenarbeit gestört, so sind auch die Vereinten Nationen in ihrer kriegspräventiven und friedenssichernden Funktion gestört.
Allerdings ist die Welt trotz einer UNO mit den genannten erheblichen Defiziten mit dem Blick auf die internationale Verständigung und die Unterstützung der ärmsten Regionen eine wesentlich bessere Welt, als sie dies ohne die Vereinten Nationen wäre. Der gegenwärtige US-Präsident Donald Trump hat nichts verstanden, wenn er bereits 2018 vor der UN-Generalversammlung formulierte6:
Wir lehnen die Idee des Globalismus ab und umarmen die Idee des Patriotismus.
Das 80. Jubiläum der Vereinten Nationen sollte alle beteiligten Akteure anspornen, sich für eine Stärkung und gleichzeitige Demokratisierung der UNO einzusetzen – und hier trotz großer Widerstände nicht aufzugeben.
Diskussionsforum vom 17. April 2025
"80 Jahre UNO - Hoffnung für die Welt oder Auslaufmodell?"
Vollständige Veranstaltung mit Reden und Diskussionsbeiträgen frei zu verfolgen auf YouTube.
Themenschwerpunkte:
- Kritische Analyse des gegenwärtigen Zustands der Vereinten Nationen;
- Chancen einer Reform der Vereinten Nationen, der UN-Charta und insbesondere des UN-Sicherheitsrats;
- Wie kann die Zivilgesellschaft, können internationale NGOs den Reformprozess unterstützen?
Teilnehmer:
- Dr. med. Angelika Claußen, Präsidentin IPPNW Europa, Co-Vorsitzende der deutschen IPPNW-Sektion
- Dr. h.c. Hans-C. von Sponeck, Beigeordneter UN-Generalsekretär a.D.;
- apl. Prof. Dr. Klaus Moegling, i.R., habilitierter Politikwissenschaftler und Autor, FB Gesellschaftswissenschaften der Universität Kassel;
- Andreas Bummel, Direktor von Democracy without Borders;
- Rolf Bader, ehem. Geschäftsführer der deutschen Sektion der Internationalen Ärzte/-innen für die Verhütung des Atomkrieges/ Ärzte/-innen in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW).
- Moderation: Josef Mühlbauer, Autor, Politikwissenschaftler, Friedensjournalist
Veranstalter: NGOs: Empowerment for Peace, Democracy Without Borders, IPPNW
Klaus Moegling, Jg. 1952, ist habilitierter Politikwissenschaftler, i.R., er lehrte an verschiedenen Universitäten und Institutionen der Lehrerbildung, zuletzt an der Universität Kassel als apl. Professor im Fb Gesellschaftswissenschaften. Er engagiert sich in der Friedens- und Umweltbewegung sowie in Bildungsinitiativen. Er ist Autor des Buches "Neuordnung. Eine friedliche und nachhaltig entwickelte Welt ist (noch) möglich" in der inzwischen 6. aktualisierten und frei lesbaren Auflage.