Die Verdichtung der Landschaft

Seite 2: Mikro Makro, ein Prinzip mit Variationen

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In Anlehnung an die Kampongs entwirft WOHA "atmende Häuser". Die Wände sind auf Höhe der öffentlichen Räume perforiert, oder Höfe werden ausgebildet in der Anordnung mehrerer Hochhäuser zueinander. Die Luftzirkulation wird von Anfang an gezielt berechnet. Die inneren Landschaften sind nach außen hin offen, und sofern die Bauten von Parks umgeben sind, gehen diese fließend ins Gebäude über. Die Sky Gardens bilden sowohl Innen- als auch Außenräume. Die Landschaft wird zum Raumkontinuum. Von den Swimming Pools aus eröffnen sich - beim Schwimmen - reizvolle Perspektiven auf das Weichbild der Stadt.

"Skyville @ Dawson" in Singapur, 2016 fertiggestellt. Bilder: Patrick Bingham-Hall

Durch die dreidimensional gewordenen Kampongs sind die gemeinschaftlichen Funktionen in das Hochhaus oder den Häuser-Komplex integriert. Hassell und Wong Mun Somm legen es darauf an, die wichtigsten Lebensfunktionen bis hin zu Urban Farming (auf den Sky Gardens), aber auch Erholung und Konsum in und an einem Hochhaus-Komplex unterzubringen. Das Hochhaus wird zur Stadt in der Stadt. Sie nennen es Makro-Architektur, die in den Mikro-Urbanismus der (künftigen) Selbstversorger-Stadt übergeht. Mikro und Makro, grünes Hochhaus und Stadt, schließen zueinander auf.

Was sich wie ein logisches Spielchen mit Maßstäblichkeiten anhört, weist doch einen Ausweg aus der fundamentalen Malaise des Städtebaus: Erstickende Megastädte abzureißen und neu aufzubauen ist nicht möglich, wohl aber grüne "Skyville"-Architekturen. Sie werden zu Prototypen der Erneuerung der Stadt.

"The Met" in Bangkok verfügt auf 69 Geschossen über 370 Eigentumswohnungen. Sechs frei stehende Bauteile werden auf jeder fünften Etage durch "Sky Terraces" verkoppelt. Sie sind gemeinschaftlich nutzbar. Drei Multiple Ground Levels sind die Basis von Sky Villages. Auf den Balkons wachsen üppig blühende Frangipani-Bäume. Die versetzte Anordnung der Bauteile erleichtert die vertikale Belüftung des Komplexes, während die Apartments, da nach allen Seiten frei, quergelüftet werden. Das ausgefeilte System der natürlichen Belüftung durch "Breezeways" ist geradezu ein Markenzeichen von WOHA und steigert die Energie-Effizienz.

"Oasia Downtown" in Singapur, 2016 fertiggestellt. Bild: Patrick Bingham-Hall

Das "Skyville at Dawson" in Singapur umfasst 960 Wohneinheiten in zwölf "Breezeway Towers" à 47 Geschossen. Jeweils sechs der Türme sind in stumpfen Winkeln zueinander angeordnet, die übrigen spiegelbildlich dazu. Sie sind durch "Sky Bridges" miteinander verbunden, innerlich und äußerlich. Auf Multiple Ground Levels sind je vier Sky Villages übereinander gestapelt, öffentliche Terrassen und Gärten - kurz: Dorfanger - inbegriffen. Dort ist die Belüftung horizontal. Der Dachgarten ist für die Öffentlichkeit zugänglich. Durch die begrünten Verbindungen ist auch die Kommunikation zwischen den Blöcken gegeben. Das stärkt den "Sense of connectivity". Im Sockelgeschoss befindet sich u.a. der "gemeinschaftliche Wohnraum".

Die Blaupause solcher "Gartenstadthäuser" ist die gleiche bei vielfältiger Variation. Der Akzent der Begrünung liegt bei "Skyville at Dawson" im Unterschied zu "The Met" auf Gemeinschaftsflächen, denn der Komplex wurde im geförderten Wohnungsbau errichtet. Der soziale Wohnungsbau, der in Deutschland gerade wieder erfunden wird, hat im Stadtstaat Singapur ungebrochene Tradition. Die Apartments haben flexible Grundrisse, woran sich die einheimischen Bewohner erst noch gewöhnen müssen.

Das "Oasia Downtown Hotel" schließlich lenkt die aufsteigenden Winde in den Kern des schlanken Solitärs, in offene Atrien. Das Innere ist ein nach außen geöffneter Raum. Die Atrien folgen wieder dem Prinzip von Multiple Ground Levels mit gegen- und übereinander versetzten Sky Gardens. Sie sind von Weinranken überzogen, die sich an der Fassade fortzusetzen scheinen.

Das Oasia Downtown ist als perforierter pelziger Turm beschrieben worden. Der luftige Bau wirkt wie eine in die Vertikale gestellte Pergola. Die Landschaft hat die Oberhand gewonnen. Das Gebäude wird zu einer Geländeform. Hassell und Wong Mun Somm nennen es "topografische Architektur". Bei anderen Bauwerken erreichen sie dies durch mannigfache Auskragungen, die dazu der Regulierung des Mikroklimas dienen. Beim Anblick eines weiteren von WOHA für Singapur entworfenen Hotels, des "Parkroyal on Pickering", drängte sich einem Rezensenten die Frage auf: "Ist es ein üppiger Garten, aus dem eher zufällig Gebäude wachsen?"1

Das Oasia Downtown, das bei gemischter Nutzung in diesem Jahr eröffnet worden ist, weist eine sensationelle "Green Plot Ratio" von 1110% auf. Diese Rate hat WOHA zu seinem wichtigstem Qualitätsmerkmal gemacht. Sie bezeichnet das Verhältnis der begrünten Partien der Geschosse zur Größe des Baugrundstücks. Die Green Plot Ratio wird in Analogie zur Geschossflächenzahl gebraucht. Die WOHA-Bauten übertreffen an Grünfläche meist die umliegenden Parks.