Die Wissenschaft des Glücks: Verbundenheit oder Vermögen?
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Welche Auswirkungen hat unsere Lebenseinstellung auf Gesundheit und Wohlbefinden, wenn wir unsere Mitmenschen ins Zentrum unserer Lebensführung stellen?
Die Ergebnisse zahlloser wissenschaftlicher Studien offenbaren, dass eine materialistische Lebenseinstellung, wie sie gemeinhin im Kapitalismus als selbstverständlich vorausgesetzt wird, für Gesundheit und Wohlbefinden katastrophale Folgen hat.
Daher drängt sich die Frage auf, ob eine Lebenseinstellung, die der materialistischen entgegengestellt ist und die Mitmenschen ins Zentrum des eigenen Lebens nimmt, positiv auf Gesundheit und Wohlbefinden wirkt. Sollte solch eine Einstellung vielleicht sogar von jedem Arzt dringend empfohlen werden, der seine Patienten möglichst selten sehen möchte.
Eine der wichtigsten Langzeitstudien der Geschichte
Im Jahr 1938 begann die "Harvard Study of Adult Development", die bis zum heutigen Tag fortgesetzt wird. Anfangs wurden 268 Studenten aus Harvard untersucht. Parallel dazu lief eine Studie mit einer zweiten Gruppe, die 456 Menschen aus sozial schwachen Gegenden in Boston umfasste.
Inzwischen ist auch eine dritte Generation Gegenstand der Untersuchung. Die Wissenschaftler nahmen und nehmen regelmäßig zahllose medizinische Untersuchungen der Probanden vor und führen alle zwei Jahre ausgesprochen ausführliche Interviews durch: Welche Faktoren bedingen eine gute Gesundheit, hohe Lebenserwartung und Wohlbefinden?
Das Ergebnis nach 84 Jahren Forschung, gleichsam ein Zwischenstand dieser Langzeitstudie, führen Robert Waldinger, Leiter der Studie, und sein Stellvertreter Marc Schulz in der Einleitung ihres Buches "The Good Life" aus:
"In all den Jahren der Studie hat sich ein Faktor als absolut entscheidend für die körperliche Gesundheit, die psychische Gesundheit und die Lebensdauer erwiesen. Und dieser Faktor ist im Gegensatz zu dem, was wahrscheinlich viele Menschen glauben, nicht der berufliche Erfolg, die regelmäßige Bewegung oder die gesunde Ernährung.
Damit wir uns nicht missverstehen: Diese Dinge sind wichtig, sogar sehr wichtig. Doch eines ist noch wichtiger: erfüllende Beziehungen. Gute, erfüllende Beziehungen sind sogar so wichtig, dass wir die gesamten 84 Studienjahre auf dieses eine Lebensprinzip (…) eindampfen könnten, wenn wir müssten."
Ein weiteres zu einem Klassiker avanciertes Experiment belegt eine besondere Wirkung wichtiger sozialer Beziehungen. Das wissenschaftliche Team rund um Sheldon Cohen setzte die Probanden mit Hilfe eines Nasensprays dafür gezielt Erkältungsviren (https://people.stat.sc.edu/hansont/stat770/CohenEtAl.pdf aus.
Das Erstaunliche: Menschen, die ein enges Verhältnis zu Familie, Freunden und Arbeitskollegen hatten, also ein hohes an Maß sozialer Verbundenheit, zeigten ein deutlich besseres Immunsystem und erkrankten seltener an einer Erkältung, produzierten weniger Nasenschleim und schieden weniger Viren aus.
Heilende Verbundenheit und Großzügigkeit, die gut tut
Die kanadische Psychologin Elizabeth Dunn führte ein inzwischen klassisches Experiment über die Auswirkung von Großzügigkeit auf unser Wohlbefinden (https://www.researchgate.net/profile/Lara-Aknin-2/publication/5494996_Spending_Money_on_Others_Promotes_Happiness/links/0c960536bc4c368a69000000/Spending-Money-on-Others-Promotes-Happiness.pdf durch. Sie machte 632 repräsentativ ausgewählten US-Amerikanern ein unverhofftes Geldgeschenk.
Die eine Hälfte musste das Geld noch am selben Tag für eigene Wünsche verwenden. Die andere Hälfte hatte die Aufgabe, das Geld am selben Tag für andere Menschen auszugeben. Am Abend wurden die Testpersonen nach ihrem Wohlbefinden gefragt. Entgegen den Annahmen der klassischen Wirtschaftswissenschaften waren Menschen, die mit dem geschenkten Geld anderen eine Freude gemacht haben, abends in besserer Stimmung als diejenigen, die sich selbst etwas Gutes tun durften.
Ein sprechender Vergleich zwischen materialistischer und prosozialer Lebenseinstellung.
Blick ins Rattenparadies
Einen besonders faszinierenden Einblick in die Bedeutung sozialer Beziehungen ergibt erstaunlicherweise ein klassisches Experiment mit Ratten. In den 1970er Jahre führte ein Team um den Psychologen Bruce Alexander an der Universität Vancouver eine Experimenten-Reihe durch, um die Natur von Drogensucht besser zu begreifen.
Zu diesem Zeitpunkt hatten Forscher bereits bewiesen, dass Ratten, die allein in einen Käfig gesetzt wurden, und denen zwei Wasserflaschen angeboten wurden – eine mit Wasser, die andere mit Heroin oder Kokain –, sich den Drogen zuwandten, bis sie schließlich an einer Überdosis starben. Alexander fragte sich, ob die Abhängigkeit an der Natur des Tieres beziehungsweise der Droge lag, oder an der Tatsache, dass die Ratte allein – entgegen ihrer Natur – in einem geschlossenen Käfig gefangen leben musste.
Daher überprüfte er diese Frage, indem er einen Rattenpark baute, der gleichsam einem Paradies für die Tiere glich, wo Tiere miteinander leben, spielen, essen und Sex haben konnten. Zu diesem Rattenparadies gehörten auch wieder die beiden Flaschen: mit Wasser und Drogen. Das Resultat? Die Tiere probierten neugierig auch die Drogen, interessierten sich aber kaum dafür und kein Tier wurde abhängig. Drogen waren offenbar eine Antwort auf Einsamkeit.