Die Zukunft der Luftfracht: Wie Riesen-Drohnen die Branche verändern

Lars Lange

Bild mit freundlicher Genehmigung von realisedesign.co.uk

Start-up Droneliner will mit Riesen-Drohnen Luftfracht revolutionieren. Mehr über innovative Technologien, neue Maßstäbe in Effizienz, Umweltschutz und Logistik.

Zivile Frachtflugzeuge sind eigentlich nicht zentral für die Aufnahme von Ladegut konzipiert, sie sind Ableitungen, Umbauten von Passagierflugzeugen. Airbus und Boeing, die beiden Hersteller des zivilen Flugzeug-Duopols, bieten jeweils zwei Frachtflugzeuge an: Boeing die B767 und die B777, Airbus seine A330 und jetzt neu die A350.

Technologische Meisterwerke: Ingenieurskunst in der Luftfahrt

Diesen Flugzeugtypen ist ihr zivile Herkunft gemeinsam. Vereinfacht gesagt wird die Tragstruktur dieser Passagierflugzeuge verstärkt, die Böden modifiziert und es werden seitlich in die Hülle große Tore eingebaut – fertig ist das Frachtflugzeug.

Doch die meisten Frachter, die heute weltweit unterwegs sind, sind sogenante Umbaufrachter, ehemalige Passagierflugzeuge, nicht selten um die 20 Jahre alt, die aufwändig zu Frachtflugzeugen umgebaut werden. Sie sind laut und echte Spritschlucker, denn ihre Triebwerke entsprechen nicht mehr dem Stand der Technik.

Beladen werden die Frachtflugzeuge dann mit den Unid Load Devices (ULD), das ist eine Familie von Luftfracht-Containern und Paletten, die entweder für Schmalrumpf- oder Großraumflugzeuge optimiert sind. Acht Containergrößen und vier Palettenvarianten gibt es: Logistisch ist das eine echte Herausforderung. Und teuer.

Cargo container. Bild: Asiir, CC BY-SA 2.5 Deed

Die Zukunft der Luftfracht: Revolution durch Drohnen

Umgebaute Passagierflugzeuge und Flug-Container-Wirrwarr: ein britisches Luftfahrt-Startup ist jetzt angetreten, beide Parameter entscheidend zu verbessern und die Frachtfliegerei zu revolutionieren. Mit ihrem neuen Ansatz wollen sie auch gleich die Besatzung loswerden, denn bei den beiden neuen Frachtflugzeug-Konzepten handelt es sich um unbemannte Flug-Drohnen.

Noch hadert die Luftfahrtbranche mit der Entwicklung des Ein-Piloten-Cockpits. Doch die britischen Ingenieure des Startups Droneliner denken schon weiter: zwei Riesen-Drohnen sollen die Luftfracht-Industrie revolutionieren.

Völlig unbemannt sollen die beiden Frachtdrohnen dereinst die Kontinente miteinander verbinden, und interkontinental ist die Reichweite in der Tat: Bis zu 12.000 Kilometer sollen die beiden Riesen-Vögel schaffen.

Droneliner: Pioniere der unbemannten Luftfracht

Droneliner entwickelt zwei unterschiedliche Typen, den größeren DL350 und den kleineren DL200. Doch klein ist auch der DL200 nicht, schließlich soll er 200 Tonnen Fracht aufnehmen können, und der DL350 ist für 350 Tonnen ausgelegt.

Grenzen sprengen: Die neuen Giganten der Luftfracht

Das ist spektakulär, schließlich hatte die 2022 im Ukraine-Krieg zerstörte Antonow An-225 eine Frachtkapazität von 250 Tonnen. Es war das größte Flugzeug der Welt. Der DL200 soll eine Startmasse von 350 Tonnen haben, der DL350 von 600 Tonnen.

Flugzeuge wie die An-225 oder beispielsweise der Airbus A400M werden nicht als Frachtflugzeug bezeichnet, sondern als Transportflugzeug. Anders als Frachtflugzeuge sind sie nämlich nicht für die Aufnahme des oben genannten ULD-Systems ausgelegt, sondern für den Transport von Sperrgütern, Fahrzeugen oder Maschinen und können oft auch Soldaten transportieren, denn zumeist werden Frachtflugzeuge vom Militär genutzt.

Militärische Perspektiven: Frachtflugzeuge im Verteidigungseinsatz

Auch die neuen Droneliner sollen militärisch genutzt werden können. Aber die neuen Luft-Riesen sind konsequent auf die Aufnahme von Containern hin gestaltet. Und hier liegt eine zentrale Neuentwicklung, die die ganze Luftfrachtbranche verändern könnte: Es sollen modifizierte 20-Zoll-Standardcontainer Verwendung finden, das ganze Flugzeugdesign ist darauf hin ausgerichtet.

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Innovative Container-Lösungen für die Luftfracht

Die vorhandenen 20-Fuß- oder gar 40-Fuß-Schiffscontainer aus Metall sind nicht nur viel zu schwer, sondern passen auch nicht in die runden Rümpfe der Verkehrsflugzeuge, die als Frachtflugzeuge eingesetzt werden, so dass die Container nur auf Straße und Schiene oder auf Schiffen transportiert werden können.

Der Droneliner wird Kunststoff-/Vinylversionen der Container befördern, und sein gigantischer Rumpf hat abgeflachte Seiten. Statt einer Röhre haben die brittischen Designer den Rumpf also als ein Viereck mit abgerundeten Ecken gestaltet, perfekt für die Aufnahme der Standard-Container-Form.

Mit einem Leergewicht von nur 400 kg (880 lb) wären die neuen Container schätzungsweise vier Fünftel leichter als ein 6 Meter (20 Fuß) Standard-Metallcontainer, hätten aber die gleiche Grundfläche und die gleichen Laschpunkte, was sie perfekt in die bestehende Container-Logistikkette einbindet.

Denn das Problem des herkömmlichen ULD-Frachtsystems: die Container müssen für den Weitertransport auf der Straße entweder auf spezielle LKW verladen werden oder der Inhalt wird umgepackt. Mit den abgeschrägten Wänden, die tote Räume beim Weitertransport bilden, sind ULD-Container zudem nicht so wirtschaftlich wie die glattwandigen Standard-Container.

Würden hingegen die neuen Droneliner-Container, also Standard-Container aus Kunststoff verwendet werden, könnte die Standart-Container-Lieferkette genutzt werden. Das senkt den Logistik-Preis erheblich, die Fracht könnte vom Droneliner direkt auf übliche Container-LKW oder gar auf Containerzüge verladen werden.

Effizienzsteigerung in der Luftfracht: Die Rolle der Drohnen

Die beiden Giga-Flugzeuge haben jeweils zwei Laderampen, im Bug und im Heck, auch das ist einzigartig. Dadurch können die Drohnen von beiden Seiten durch riesige Tore im Roll on/Roll off Verfahren be- und entladen werden, das mühselige Umschlagen der Fracht mit Frachthubwagen fällt weg. So gibt der Hersteller eine Fracht-Umschlagszeit von nur einer Stunde an.

Der kleinere DL200 soll auf zwei Decks bis zu 40 20-Fuß-Container transportieren können, während der größere DL350 auf sogar drei Decks bis zu 80 Container mitführen kann.

Das Startup geht davon aus, dass die Kombination aus Flugzeug und Standard-Leichtcontainer auf die Luftfrachtbranche den gleichen Einfluss haben kann wie der ursprüngliche Seecontainer auf die Seefracht.

Die Flugzeuge von Droneliner sind unbemannt und haben keine Druckkabine, was eine erhebliche Gewichtseinsparung durch den Wegfall des Sauerstoffsystems für die Piloten bedeutet. Dadurch wird den Triebwerken des Flugzeugs keine Zapfluft für die Sauerstoffversorgung und keine Hilfsenergie mehr entnommen, was die Effizienz des Triebwerks erhöht.

Der DL200 ist einmotorig, der DL350 wird zwei Triebwerke im Heck haben. Zur Triebwerks-Auswahl würden wahrscheinlich entweder das GE Aerospace GE9X or Rolls-Royce UltraFan stehen.

Die neuen Fracht-Drohnen hätten ein hybrides Antriebskonzept: Trotz der enormen Schubkraft der Triebwerke würde die Anfangsenergie beim Start von batteriebetriebenen Antriebssystemen aus der Elektrofahrzeugindustrie geliefert. Sie beschleunigen das Flugzeug auf etwa 130 km/h, bevor die Turbofans übernehmen.

Gesteuert werden die Drohnen aus der Ferne von Piloten, die mit Echtzeit-Kameraübertragungen auch ganz normal mit der Flugsicherung interagieren. Ein vollautonomer Betrieb ist also vorerst nicht vorgesehen.

Droneliner: Die Zukunft der Frachtfliegerei

Bei aller Innovation: Das Unternehmen hat sich auf bereits bewährte Technologien konzentriert, die lediglich in einer neuen Konfiguration eingesetzt werden.

Doch die finanziellen Einsparungen gegenüber herkömmlichen Frachtflugzeugen sollen sich so auf bis zu 90 Prozent aufaddieren.

Trotzdem gibt es gewaltige Ungewissheiten, ob die revolutionäre Drohnen tatsächlich jemals abheben werden. Der Finanzbedarf ist erheblich und wird von Droneliner mit wahrscheinlich über 10 Milliarden Dollar angegeben. Und: es gibt noch keine Frachtdrohne, es gibt keine unpilotierten Fluggeräte, die auf Flugplätzen landen. Das könnte die Zulassung verzögern oder verunmöglichen.

Deshalb haben die britischen Ingenieure sich etwas einfallen lassen. Das normale hochklappbare Bug-Visier wird durch eine Pilotenkanzel mit Druckkabine ersetzt, ähnlich den Pilotenkanzeln des Airbus Beluga und des Boeing Dreamlifter.

Also würden die beiden Drohnen vielleicht zuerst noch ganz konventionell pilotiert werden. Dieses Bug-Frachtvisier mit Pilotenkanzel könnte später ganz einfach modular gegen ein cockpitloses Visier ausgetauscht werden.

Bild mit freundlicher Genehmigung von realisedesign.co.uk

Die Zukunft der Luftfahrt: Autonome Flugsysteme und ihre Auswirkungen

Es ist absehbar, dass die Entwicklung in der Luftfahrtindustrie in Richtung Drohnen gehen wird. Das vorliegende Konzeptsieht noch eine Fernsteuerung vor, doch in Zukunft wird es mit Sicherheit vollautonome Flugzeuge geben, bei denen eine Fernsteuerung nicht mehr notwendig sein wird.

Dieser Prozess wird durch den Ukraine-Krieg beschleunigt, in dem beide Parteien fieberhaft versuchen, vollautonome Drohnensysteme zum Einsatz zu bringen.

Das Droneliner-System ist ein faszinierendes Design, das den Frachtflugverkehr revolutionieren könnte. Der Finanzbedarf ist gewaltig, es ist daher fraglich, ob das kleine Startup-Investoren für die Idee begeistern kann.

Doch wie sinnvoll ist die Erfindung überhaupt?

Die Droneliner könnten tatsächlich die Luftfracht-Kosten erheblich senken. Und so Luftfracht noch attraktiver machen. Das würde einen Boomerang-Effekt auslösen, Effizienzsteigerung macht Luftfracht günstiger, mehr Fracht wird über die Luftfahrt abgewickelt und so würde die Gesamtklimabilanz dadurch deutlich ins Negative gleiten.

Umwelt und Luftfracht: Ein kritischer Blick

Denn so effizient die Drohnen auch sein mögen: So umweltfreundlich wie Zug- und Schiffsverkehr können Flugzeuge niemals werden.

Und der Klimawandel ist eben kein technisches Problem. Wie müssen uns fragen, wie wir zusammenleben wollen, ob der Konsum von möglichst viel Zeug uns glücklich macht. Eine enkeltaugliche Ökonomie der Zukunft ist wahrscheinlich eher regional.