Die Zukunft des Lesens
Während die Aliteralität steigt, neigen netzorientierte Leser zum schnellen Scannen der Texte
Noel Gallagher von "Oasis" soll mit Zladko, dem im Medienabseits verschollenen Big Brother der ersten Containerstaffel, gemeinsam haben, nie ein Buch gelesen zu haben. Wer sich so brüstet, kann gleichermaßen auf Beifall gequälter Pennäler wie auf Verachtung bis Mitleid seitens Bildungsbeflissener rechnen. Danach dürften Gallagher und Zladko auch nicht den griechischen Mythos des König Cadmus kennen, der mit der Einführung der phonetischen Schrift Drachenzähne gesät haben soll, die sich in bewaffnete Männer verwandelten. Schreiben und Lesen, kurzum die magischen Künste des Alphabets, können nicht nur diesem Mythos zufolge als die tief greifendsten Welterschließungs- und Beherrschungstechniken gelten, die zur Ausbildung der uns geläufigen Schriftkultur führten.
Das Abendland hat verschiedene Untergangsvisionen und als eine davon gilt der Verlust der Literalität im hemmungslosen Einbruch elektronischer Medien, die Schrift, Sprache, Töne und Bilder in ihren hektischen Signalwelten kurzschließen. Für Marshall McLuhan dagegen war es klar, dass die Menschheit die Gutenberg-Galaxis unwiderruflich verlässt, um brüderlich "Nichtalphabeten mit Halbalphabeten und Nachalphabeten" in den elektrischen Medien zu vereinigen.1
Der unverschuldete Ausgang des Menschen aus der Literalität in eine technologisch eingebettete Welt, die ihre schon je fragile Unterscheidung von Realität und Virtualität vollends aufgeben könnte, macht freilich Angst. Vor allem denen, die mit einem unglücklichen Begriff der Leseforschung als "tertiäre Analphabeten" bezeichnet werden: Menschen, die keine ausreichende Medienkompetenz besitzen, um mit den neuen Kulturtechniken des Computers und Internet umzugehen.
Aliteralische Unzeitgenossen
Der bildungsbürgerliche Griff zum guten Buch wird kulturapokalyptisch als archimedischer Hebel überhöht, um die Schriftkultur vor ihrem Einsturz zu bewahren. So beklagt der Kommunikationswissenschaftler Philip A. Thompsen von der "West Chester University" in Pennsylvania als einer von vielen die wachsende "Aliteralität" bei amerikanischen Schülern und Studenten. Trotz der im Einzelfall mitunter bestehenden Abgrenzungsprobleme ist Aliteralität nicht mit Illiteralität zu verwechseln, denn aliterale Zeitgenossen haben schlicht kein Interesse an Schriftzeichen, obwohl ihnen die Kulturtechnik "Lesen" prinzipiell zur Verfügung stünde. Da die Kultur in der Sprache eingebaut sei, befürchtet Thompsen mit vielen anderen Kritikern der neuen Leseschwächen, dass sich diese aliteralen Lesemuffel das kulturelle Erbe nicht aneignen könnten – also untauglich seien, sich in dieser Welt zu orientieren.
Nun lässt sich der Umgang mit neuen und neuesten Medien zuletzt auf eine geschlossene Kulturtechnik und schon gar nicht auf das Nichtlesen reduzieren. Die visuellen Reizwelten des Fernsehens oder die auditiven des Radios sind nicht mit den Anwendungsprofilen des Computers oder des Internet zu verwechseln. Gerade das Netz wächst mit babylonischen Textmassen zu, die mehr denn je zum Lesen zwingen. Email und selbst das allgegenwärtige Chatten – wider dessen Selbstbeschreibung als Gespräch – sind Momente einer neuen elektronischen Schrift- und Lesekultur. Freilich sind die Differenzen etwa zwischen der elaborierten Briefkultur des 18.Jahrhunderts und diesen digitalen Verschriftlichungen so gravierend, dass die Frage nach der literalen Kompetenz verschiedene Schrift- und Lesetypen unterscheiden muss.
Der Kulturkritiker Barry Sanders konstatiert bereits 1994 in "Der Verlust der Sprachkultur" (Frankfurt/M, 1995), dass die Mehrzahl der amerikanischen Kinder heute in einer Umgebung aufwächst, aus der die Sprache getilgt sei. Auch Neil Postmans Menetekel über die Kulturdemontage durch das Fernsehen und den Verfall der Lesefähigkeit ist bekanntlich von der Wehmut nach einer linearen Weltaneignung geprägt. Nach einer Gallup-Erhebung aus dem Jahre 1999 sind lediglich 7 % der Amerikaner unersättliche Leser, die mehr als ein Buch pro Woche lesen. Etwa 59 % erklärten dagegen, dass sie in einem Jahr weniger als zehn Bücher gelesen hätte – das ist immerhin die doppelte Anzahl von Büchern, die der bundesrepublikanische Durchschnittshaushalt nach einer älteren Untersuchung an Büchern überhaupt besitzt.
Die Zahl der Nichtleser steigt aber in den USA seit zwanzig Jahren kontinuierlich an. Besonders prekär ist der Hinweis der "Organization for Economic Cooperation and Development" aus dem Jahre 1998, dass 50% der arbeitsfähigen Bevölkerung Amerikas nicht die literalen Eigenschaften besitzt, um in modernen Wirtschaftsunternehmen erfolgreich zu arbeiten. Das Herrschafts- und Erfolgsargument zu Gunsten der Lesekompetenz bleibt also trotz oder gerade wegen der Ausblicke in eine elektronische Kultur erhalten. In Deutschland liegt nach Schätzungen der deutschen UNESCO-Kommission aus den Neunzigerjahren die Analphabetenrate zwischen 0,75% und 3% der Bevölkerung. Eine aktuelle empirisch-statistische Studie mit exaktem Zahlenmaterial existiert nicht, da seit 1912 die Schreib- und Lesekompetenz der deutschen Bevölkerung nicht mehr untersucht wurde.
Von deutsche Leselöwen und -mäusen
Die Stiftung Lesen hat aber jüngst auf Initiative des Bundesministeriums in Kooperation mit dem Börsenverein des deutschen Buchhandels 2530 repräsentativ ausgewählte Deutsche ab 14 Jahren durch das IFAK-Institut persönlich zu ihren Lesegewohnheiten befragen lassen. 41 % der 2530 Befragten nutzen mindestens einmal pro Woche Bücher, weitere 18 % kommen lediglich ein- oder zwei Mal im Monat dazu. Seltener als einmal im Monat lesen 13 % der Befragten ein Buch, während die restlichen 28 % überhaupt nicht zu Büchern greifen. Im Vergleich zu den Resultaten einer vergleichbaren Studie aus dem Jahre 1992 bedeutet dies einen erheblichen Rückgang der Leseintensität. 1992 gab es immerhin noch einen Anteil von täglichen Buchlesern von 16 %, während diese Gruppe im Jahre 2000 auf 6 % geschmolzen ist. Der Anteil der Nichtleser hat sich in dieser Zeitspanne von 20 % auf 28 % erhöht.
Insgesamt hat sich die durchschnittliche Nutzungsdauer von Büchern reduziert. Die Studie unterscheidet dabei zwischen Sach- und Fachbüchern sowie Belletristik. Der Durchschnittswert für die Sach- und Fachbuchnutzung betrug noch 1992 an einem Werktag eine Stunde und elf Minuten, die sich im Jahre 2000 auf 55 Minuten reduzierten. Ähnliche Ergebnisse gelten für die durchschnittliche Belletristiklektüre. Am Wochenende gönnen sich die Deutschen zwar etwas mehr Zeit für die Lektüre, aber auch hier sind Rückgänge zu verzeichnen. Allerdings reduzierten sich auch die täglichen Zugriffe auf das Fernsehen in dem Vergleichszeitraum um zehn Minuten auf zwei Stunden und 31 Minuten. Das TV bleibt also das Königsmedium der Gesellschaft.
Die Gegenläufigkeit von Fernsehen und Lektürekonsum ist wenig erstaunlich. Besonders interessant sind die Zusammenhänge zwischen Netzgebrauch und Buchlektüre: 22,0 % der täglichen Internet-User lesen zugleich täglich in Sach- und Fachbüchern. Nur 11,0 % dieser Gruppe tut dies seltener als einmal im Monat. Von den Netzabstinenten oder Gelegenheitsusern lesen lediglich 2,2 % täglich, aber "horrende" 58,1 % dieser Gruppe lesen weniger als einmal im Monat in Sach- und Fachbüchern. Die Gruppe der täglichen Online-Aktivisten weist also im Vergleich zu den offline lebenden Zeitgenossen einen sehr viel höheren Anteil an täglichen Sach- und Fachbuchlesern auf. Lektüre und Computer ergänzen sich mithin.
Zudem hat die Studie festgestellt, dass häufige PC-Nutzung zwar nicht unbedingt zum häufigen Lesen von Belletristik prädestiniert, umgekehrt ist das aber umso häufiger zu beobachten. Fazit der "Ehrenrettung" der Computernutzer: Medienkompetenz gegenüber dem Rechner impliziert Lesekompetenz. Wolf-Michael Catenhusen, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung, bestätigte daher in seinem Grußwort zum Kongress der Stiftung Lesen "Gutenbergs Folgen" im Herbst 2000 die Lesefreunde: "Da die Anforderungen an unsere Medienkompetenz in Zukunft noch wachsen werden, muss, wie aus international vergleichenden Studien hervorgeht, auch das Niveau der Basis- und Schlüssel-Qualifikation Lesen tendenziell höher werden. Es erweist sich also, dass die "alte" Kulturtechnik Lesen geradezu zur Eintrittskarte in die Computergesellschaft wird."
Der "scannende" Leser
Aber wie lange gilt das wirklich noch? Jenseits der Zahlen und der Hoffnung auf den kulturellen Schulterschluss von neuen und alten Medien stellt sich die Frage nach den Lektüregewohnheiten der neuen Leser. William Albert vom "Terra Lycos Portal Design Lab" in Waltham, Massachusetts, attestiert dem Typ des Internetlesers eine habituelle Ungeduld, die kurz gefasst das Gegenbild des ausdauernden Bücherwurms darstelle. Der netzorientierte Leser "scannt" die Texte, sucht Textbrocken statt leseaufwändigen Texten, von Textwüsten ganz zu schweigen. Und wie es nicht anders sein kann, wird diesem selektiven Lesertypus von den Kulturwahrern das "Verständnis", die tiefe Durchdringung der Texte in ihrem hermeneutischen Bedeutungsreichtum abgesprochen.
Gleichwohl kann der Leser als schnell laufender "Scanner", als Über- und Querleser nicht als Bankrotterklärung der Literalität herhalten, weil Literalität viele Formen jenseits der von Autoren vorgegebenen Textverfassung entwickeln kann. Die Nichtlinearität der Leserichtung, das sprunghafte Lesen, die Lektüre als persönliche Montage können gerade aufgeklärte Lesehaltungen anzeigen, die dem Lesen wieder die Welterfahrung vermitteln, die ohnehin jeder macht: Das Leben ist zuletzt ein Roman, sondern ein Patchwork mit mehr oder weniger gelungenem Muster. Die Erscheinung des eigensinnigen Lesers findet lange vor sprungfreudigen Netzlektüren ihr Komplement in weiten Bereichen der (post)modernen "Hochliteratur", die vormalige Textverfassungen aufsprengte und persönliche Lektüreweisen jenseits linearer Leserichtungen nahezu unabdingbar machte. Oder wer liest "Finnegan's Wake" mit der derselben Ergebenheit in die auktorialen Vorgaben wie etwa "Wilhelm Meister"?
Nichtlesen verursacht Krebs
Barry Sanders beschließt seinen Diskurs über den Verfall der Literalität kulturapokalyptisch: Wenn das "tempus futurum" als der Ausblick auf das Morgen und das Kontrafaktische, beides nach Sanders zentrale Momente der Literalität, sterben, können die Menschen nicht mehr träumen. Dann würden die seelischen "Innenräume" zerstört und alles sei verloren.
Nun ist die Bilderschrift des Traums, der nach Freud ja auch erst gelesen werden muss, keine literarische Errungenschaft, sondern prägte gerade orale Kulturen vermutlich in stärkerem Maße als unsere durch die Schrift vereinheitlichte Kulturen. Das Kontrafaktische ist zudem eine menschliche Kondition, die auch jenseits eines engen Begriffs des "Lesens" ihre Bedeutung behält. Gerade in der Virtualität und ihren kühnen Versprechungen ist das Kontrafaktische ein Antrieb, der zuletzt auf klassische Lesehaltungen angewiesen wäre, noch damit zureichend zu verstehen wäre. Ohnehin völlig untauglich ist die Festlegung eines menschlichen Zeitbewusstseins auf die lineare Kulturtechnik klassischer Lektüren, ohne die komplexen Zeitbilder von Kino, Fernsehen oder Comics zu berücksichtigen.
Eine elektronische Erlebnisgesellschaft, die Kommunikation zum Fetisch erklärt hat, wird sich schwerlich damit abfinden, dass "Bücherlesen heißt, in einer geistreichen Gesellschaft zu sein, wo man nur zuhört und nichts beiträgt zur Unterhaltung", wie Jean Paul bereits mit kritischem Unterton vor ungefähr zweihundert Jahren anmerkte (Ideen-Gewimmel, Frankfurt/M 1996, S. 50).
Die Mahner und Warner vor dem Verfall des Literarischen werden indes jetzt rabiat: der amerikanische Leseforscher Jim Trelease will die Aliteralität wie Tabak bekämpfen, weil die schrecklichen Konsequenzen des Nichtlesers für dessen Familie und Kinder unabsehbar seien. Verursacht Nichtlesen Krebs? Zumindest könnte die Gefahr in jenen Fällen des "funktionalen" oder "sekundären" Analphabetismus nicht völlig ausgeschlossen werden, wenn nach Barry Sanders 70 % der Betroffenen zwar rudimentär lesen und schreiben können, aber gegenüber schwierigeren Texten – wie Zeitungslektüren, Behördennachrichten oder eben Beipackzetteln mit wichtigen Warnhinweisen -versagen.
Der Kommunikationswissenschaftler Philip Thompsen hat dagegen auch auf den restriktiven Begriff von Literalität hingewiesen, der sich in der Fähigkeit erschöpfe, Texte zu lesen. Das Lesen ist älter als die Schrift, wie die Rede vom Buch der Welt/Natur, Buchstaben, der "Lektüre" von außersprachlichen Zeichen in Tiereingeweiden, den Konstellationen der Gestirne und tausend anderen Zeichen Gottes belegt. Die von Thompsen angemahnte Verkürzung könnte mindestens so fatal sein wie die kulturpessimistisch ermittelten Leseschwächen nachwachsender Generationen, die Barry Sanders Glauben zufolge letztlich in Gewalt und Rücksichtslosigkeit enden werden. Könnte es also sein, dass der Verfall klassischer Lektürehaltungen mit avancierten Kulturtechniken einhergeht, die erst ein angemessenes Verhältnis zu den Umbrüchen der Welt begründen?
Postliterale Welt
So könnte auch das Literarische eine vorüber gehende Episode der Welterschließung sein, der angemessenere Weisen folgen, in der Welt verstehend zu handeln. Die Abbildung der Welt im Text hat seit Platon, der an der historischen Schnittstelle oraler und literaler Kultur steht, viele Widersacher gefunden. Die symbolische Welt in Schriftzeichen hat immer das Besondere unterschlagen. Hegel etwa konstatierte in seiner Ästhetik die Unzulänglichkeit des Lesen und Vorlesens dramatischer Werke, weil der Fantasie das überlassen bleibe, was doch erst die Inszenierung lebendiger Schauspieler erweisen könnte. Aber das wirft nicht nur literaturgattungsspezifische Differenzierungen auf, sondern immer schon die Frage, ob das Lesen als "via regia" des Weltverstehens, so historisch unabdingbar es war, nicht eben so viel an sinnlichen Erfahrungen geraubt wie an abstrakter Weltsicht geschenkt hat.
Dass Lesen nicht nur bildet, sondern auch verbildet, ist die hartnäckige Begleitmusik schriftorientierter Gesellschaften, die etwa in Jean-Jacques Rousseaus Erziehungshinweis kulminiert, dass Lektüre die "Geißel der Kindheit" sei. Auch dem emanzipierten Ideal des lesenden Untertans begegneten zahlreiche staatstragende Varianten der Lesefeindlichkeit, um zu vermeiden, dass das Lesen Menschen auf dumme, also anarchische Gedanken bringt.
Der Groll auf die Lektüre findet ihren frühen Ursprung in Platons Fundamentalverdikt gegenüber der Schrift in "Phaidros", weil die Schrift nur ein schwaches Abbild der mündlichen Sprache sei, geeignet, dass Gedächtnis, aber auch die Deutlichkeit und Vollständigkeit der oralen Vermittlung zu schwächen, auf die doch Menschen in ihrem Weltverständnis angewiesen seien. Wäre die Kultur dem schreibenden Schriftkritiker Platon und nicht Gutenberg gefolgt, wären die technischen Speicher der Bibliotheken und später Datenbanken nicht entstanden, würde man vermutlich heute Platon nicht mehr kennen, weil auf mündliche Überlieferungen wider alle Gedächtniskunst zuletzt Verlass ist. So aber könnte man sich für die Entstehung einer postliterarischen Kultur, für die orale Verständigung unter den Bedingungen einer technologisch "totalisierten" Welt wieder auf Platon berufen.
Vilém Flusser hat im Verblassen der alphabetischen Kultur den Anhub einer techno-imaginären Welt erkannt, in dem die technischen Bilder neue "Begriffe" bedeuten, über deren Verwendung noch wenig bekannt ist (Vgl. Vilém Flusser, Lob der Oberflächlichkeit, Die kodifizierte Welt, Bensheim und Düsseldorf 1993, S. 63 ff.). Der Weg führe hinaus aus der linearen Welt der Schrift, des Lesens, der Theorien und Ideologien zu "Modellen" als Bildern von Begriffen.
Es geht kurzum nicht um die vordergründige Oppositionen von Schrift und Sprache, Lesen und Sprechen oder Bildern und Schrift, die längst nicht mehr in den diffusen Zeichenwelten des Netzes gültig sind, sondern um eine neue Begrifflichkeit der Medialität. Bereits McLuhan hat angesichts des "Elektronengehirns" den nächsten logischen (sic) Schritt darin gesehen, die Sprachen zu umgehen und auf einen Zustand der harmonischen "Sprachlosigkeit" zu hoffen.
Auch wenn McLuhans Hoffnung auf ein kosmisches Bewusstsein zur Euphorie der ersten Stunde des elektronischen Medienzeitalters gehört, die inzwischen so ungebrochen nicht mehr die Medientheorie beflügelt, löst sich jedenfalls die klassische Trias von Sprache, Schrift und Bild im Netzgewebe auf.2 Wenn aber die Übergänge zwischen den Zeichen- und Abbildungssystemen zu fließen beginnen, wird auch das klassische Lesen, wenngleich es gegenwärtig noch eine zentrale Position einnimmt, als Kulturtechnik nicht mehr ausreichen. Das Literarische, das einst die oral geprägte Kultur, von einigen Ethnien abgesehen, liquidierte, könnte sich dann selbst in einer techno-oralen Kultur auflösen, die sich nicht länger über Texte vermittelt.
Noch benötigen zwar Programmierer Sprachen bzw. Codes, müssen mithin selbst Sprachkompetenz besitzen, um eine techno-orale Gesellschaft zu ermöglichen, in der reine Anwender von fremder Literalität abhängen.3 Aber die Entwicklung des Mensch-Maschine-Gesprächs ist unabsehbar und mag auch den Verlauf nehmen, die literale Vermittlung völlig aufzuheben.
Vielleicht sind also die Nichtlese-Riesen Noel Gallagher und Zladko auf dem richtigen Weg in die Zukunft, nur – sie wissen es nicht, weil sie dafür gegenwärtig noch lesen müssten!