Die bayerische Polizei will den Taser
Das neue bayerische Polizeiaufgabengesetz will den Beamten das Elektroimpulsgerät übergeben, aber dessen Risiken sind noch nicht geklärt
Spezialeinheiten der bayerischen Polizei sollen künftig mit einem drahtgestützten Elektroimpulsgerät, dem sogenannten Taser, ausgestattet werden. Dies sieht die jetzt auf den Weg gebrachte Novelle des Bayerischen Polizeiaufgabengesetzes vor. Kritik an der neuen Bewaffnung äußerten die bayerischen Grünen. Die Möglichkeit negativer Folgen sei noch nicht abschließend geklärt, so die rechtspolitische Sprecherin der Landtagsfraktion Christine Stahl. Besonders besorgt ist sie über eine ebenfalls in dem Gesetz vorgesehene "Experimentierklausel", nach der neue Waffen künftig per Anordnung des Innenministeriums zur Erprobung eingesetzt werden könnten. Die Klausel hebele das Recht des Parlaments aus, die Bewaffnung der Polizei zu kontrollieren.
Der ADVANCED TASER M26 der Firma Taser International, den das bayerische Innenministerium zu erwerben beabsichtigt, ist eine mit Pressluft betriebene Pistole. Die Elektroschockwaffe verschießt mit Widerhaken versehene Pfeile, die über dünne Kabel mit einer Spannung von 50.000 Volt versorgt werden. Getroffene werden durch eine Irritation des zentralen Nervensystems kurzfristig gelähmt. Die Waffe hat eine Reichweite von 6-7 Metern.
Unabhängige Erkenntnisse über mögliche Auswirkungen des Stromschocks durch den Taser sind dürftig. Aus einem Bericht von Amnesty International geht hervor, dass die Wirkung für bestimmte Risikogruppen, z.B für Herzkranke und Drogenkonsumenten, tödlich sein kann.
Das bayerische Innenministerium verlässt sich da lieber auf die Angaben des Herstellers, nach dem bleibende Schäden wegen der geringen Stromstärke von 1,6 Milliampere ausgeschlossen seien. Andernfalls werde das Gerät ja auch gar nicht zugelassen, argumentierte der Sprecher des Ministeriums Michael Ziegler gegenüber Telepolis und verweist auf die positiven Erfahrungen der Polizei in anderen Ländern.
Dazu gehört zum Beispiel Berlin, wo SEK-Einheiten mit dem Gerät ausgerüstet sind. Allzuviel Gelegenheit zum Erfahrungen sammeln hatten die Beamten freilich dort bisher nicht. Der Taser wurde in Berlin seit der probeweise Einführung im Dezember 2000 bisher nur sechsmal aus dem Halfter gezogen. Die gesundheitlichen Auswirkungen seien für die Betroffenen jeweils nur kurzfristig und geringfügig gewesen, betonte eine Sprecherin des Innensenats. Wegen der wenig ausgiebigen Erfahrungen werde man die Erprobungsphase jedoch auf unbestimmte Zeit fortsetzen. Beim Berliner SEK halte man die Ausrüstung mit dem Taser auf jeden Fall für sinnvoll.
Anders sieht man das die Kantonspolizei im Schweizer Wallis. Sie hat das umstrittene Gerät wieder aus ihrem Repertoire genommen, wie das Schweizer Nachrichtenmagazin Facts berichtet. Freilich nicht aus moralischen Vorbehalten, sondern weil es für die Beamten nutzlos sei und in der Probezeit nur einmal eingesetzt wurde.
Die Einsatzkräfte anderer Kantone halten hingegen weiter am Taser fest. Die Grünen der Schweiz befürchteten bei der Einführung, dass die psychologische Schwelle für den Gebrauch von Schusswaffen sinken könne. Auch andere Ängste treiben die Schweizer Tasergegner um: Die Polizeiwaffe könne in der Zukunft eine Rolle als neues Repressionsmittel bei Demonstrationen spielen.
Diese Möglichkeit weist Michael Ziegler auch für Bayern energisch zurück. Die Elektroimpulsgeräte seien als Einsatzmittel unterhalb des Schusswaffengebrauchs, also nicht gegen Demonstranten, sondern zur Kriminalitätsbekämpfung gedacht. Die Grüne Opposition im Landtag stellt dessen ungeachtet die Frage nach dem gesetzgeberischen Handlungsbedarf.
"Waffen können auf Anordnung des Staatsministeriums des Innern zeitlich befristet als Einsatzmittel erprobt werden."
"Bei den Spezialeinheiten der Bayerischen Polizei besteht das Bedürfnis, Geräte wie den sogenannten 'Advanced Taser' einzusetzen", heißt es dazu in der Vorlage des Polizeiaufgabengesetzes lediglich. "Es wäre doch zu überlegen, welche Situationen es erzwingen, dass dieses Gerät eingeführt werden muss", wundert sich Christine Stahl über die lapidare Begründung und bemängelt das Fehlen von Sicherungen für den Einsatz der Waffe, die doch mindestens in dem Gesetz festgeschrieben werden müssten. "Es ist sehr auffällig, dass man die Einführung dieser neuen Waffe bislang verschwiegen hat und sie nun plötzlich im Gesetzentwurf auftaucht.".
Für verfassungsrechtlich bedenklich hält sie auch den neu eingefügten Satz: "Waffen können auf Anordnung des Staatsministeriums des Innern zeitlich befristet als Einsatzmittel erprobt werden." Der Einsatz von Waffen durch öffentliche Stellen sei schließlich ein massiver Eingriff in Grundrechte. Nach dem Spruch des Verfassungsgerichts bleibe er dem Parlament zur Entscheidung vorbehalten.
Wenn das Gesetz in der vorliegenden Form, wie zu erwarten, im Herbst den Landtag passiert, darf das Innenministerium aus frischgedruckten Katalogen der Waffenhersteller aber auch jenseits der "Experimentierklausel" freizügig nachbestellen. Durch die schwammige Formulierung "Elektroimpulsgeräte und vergleichbare Waffen" hält der Gesetzestext die Hintertüre für Neuentwicklungen offen, "die zwar nicht drahtgestützt arbeiten, aber in technisch ähnlicher Weise wirken und gleichartige Folgen bei einem Angreifer hervorrufen".
Welche Neuentwicklung das sein könnten erfährt man z.B. auf den Seiten der Firma Rheinmetall (Schockierende Geschäftsideen). Ein Entwicklungsteam des Waffenherstellers arbeitet derzeit an einem Plasma-Taser mit weitaus größerer Reichweite. Anders als beim M26 werden hier nicht Drähte, sondern eine Kohlenstoffwolke verwendet, die den Strom leitet. Anfang nächsten Jahres seien veröffentlichungsreife Ergebnisse zu erwarten, sagte ein Firmensprecher gegenüber Telepolis.
Die Grundlagen der Technik sind nicht neu. Die Plasma-Taser, wie sie in den USA entwickelt werden ("Blitzkrieg" mit elektrischen Massenbetäubungswaffen), passen jedoch keineswegs in ein Polizeihalfter. Beim drahtlosen Taser des deutschen Herstellers soll es sich hingegen um eine 40mm-Granatpistole handeln, die flexibler zu handhaben und auch gegen Gruppen von Menschen einsetzbar wäre.
Ob es sich dabei freilich noch um eine dem drahtgestützten Elektroimpulsgerät "vergleichbare Waffe" handelt? Der Sprecher des bayerischen Innenministeriums schließt ausdrücklich nicht aus, dass Bayern auf den Plasma-Taser wechselt, wenn der auf dem Markt erhältlich ist. Die weitere Distanz sei schließlich ein zusätzlicher Vorteil für die Polizisten, erklärte er.