Die endgültige DJ-Lösung

Final Scratch verbindet die Vorteile von Vinyl-Platte und digitalen Formaten

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Eigentlich war der Samstagabend vor wenigen Wochen in den Mannheimer Mainmarkthallen ein ganz normaler Rave. Zum "Time Warp" gab es das übliche Line-Up an DJs aus aller Herren Länder und lediglich die etwas überproportionalen Drogenkontrollen auf allen Ausfallsstraßen waren Nachrichtensendungen und der Presse eine Meldung wert. Zwei DJs hatten neben ihrem Kopfhörer und einem Plattenkoffer aber noch mehr Ausrüstung mitgebracht und wären damit vielleicht eher eine Nachricht wert gewesen.

Zeitgenössisches DJ-Setup mit Decks und Laptop, Foto Gregor Wildermann

Richie Hawtin und John Aquaviva, beide Inhaber des US-Labels Plus 8-Records, testen seit einem knappen Jahr ein System namens Final Scratch, welches DJs zum ersten Mal ein Tool an die Hand gibt, das als nahtlose Brücke zwischen herkömmlichen Vinylplatten und digitalen Soundquellen funktioniert. Entwickelt wurde Final Scratch von der in Amsterdam niedergelassenen Firma N2it, bei der Jaap Verbeek als Entwicklungsleiter das Projekt betreut. Er beschreibt im Interview die Geburtsstunde des Systems:

"Die Idee zu Final Scratch wurde 1997 bei Hacking in Progress in Holland geboren. Auf dem Kongress wurde mit allem herumexperimentiert: Von Robotern über Smartcards sowie speziellen Computern und Telefonen. Wie so üblich gab es abends einige Parties und auf einer davon spielte ein DJ, der aber nur 20 Platten dabei hatte. Ganz in seiner Nähe stand aber auch ein MP3-Server mit 23 Gigabyte voller rarer Tracks und als nach wenigen Stunden der DJ alle seine Platten gespielt hatte, ist uns die Idee zu Final Scratch gekommen."

Bisher konnten DJs, die neben Vinyl und CDs auch noch digitale Soundformate wie MP3s abspielen wollten, einfach ihren Laptop an das Mischpult anschließen und im geeigneten Moment einspielen. Für den internen Umgang mit den Files gibt es zwar mittlerweile einige gut funktionierende Programme wie z.B. Tactile 12000, jedoch nichts, was sich mit Final Scratch vergleichen könnte. Herzstück des Systems ist neben der Software und der speziellen Final-Sctrach-Vinylplatte die Scratch-Amp-Box, die als Schnittstelle zwischen PC und den Plattenspielern funktioniert.

"In Verbindung mit Scratch Amp erkennt das Tonabnehmersystem das Zeitcodesignal auf dem Vinyl. An der Outputschnittstelle wird dann alles so gehandhabt, wie es bei einer normalen Vinylplatte wäre: Anwählen, Tempowechsel, abstimmen, abstoppen oder beschleunigen und selbst scratchen - alles ist möglich. Final Scratch basiert auf der neuesten digitalen und analogen Technologie, die mit einem robusten und schnellen Algorithmus arbeitet. Es verbindet das beste aus beiden Welten und ist unserer Meinung nach das einzige Tool, das gewohnte DJ-Techniken mit einer digitalen Arbeitsweise verbindet."

Herzstück des Systems, die Scratch-Amp-Box, Foto Gregor Wildermann

Wer Final Scratch im realen Betrieb erlebt, bemerkt keinen einzigen Unterschied zu einem normalen DJ-Set. Lediglich das leicht hastige Tippen auf der Tastur des PC, der einen Intel oder AMD-Prozessor mit mindestens 500 Mhz sowie eine USB-Schnittstelle haben sollte, fällt bei genauerem Hinsehen ungewohnt auf. Dabei ist die Bildschirmübersicht recht klar strukturiert: Neben einer Auswahltabelle der vorhandenen Tracks (mit Suchfunktion), einem Infofeld für die beiden ausgewählten Titel (inklusive eines Labelscan der Originalplatte) sieht der DJ das geladene Soundfile (wahlweise WAV, AIFF, MS-ADPCM, IFF-8SVX und MPEG layer 2 und 3) im Verlaufsdiagramm. Sobald er unter seinen geladenen Tracks ein File ausgewählt hat, kann er sich ganz auf den üblichen Mix zwischen den beiden Platten konzentrieren.

Genau darin liegt der entscheidene Vorteil von Final Scratch: Es verdrängt die Vinylplatte nicht ins Museum, sondern erweitert die kreativen Möglichkeiten des DJs sowie seine Auswahlmöglichkeiten. Statt der vielleicht bisher 200 Platten, die durch ihr Gewicht sehr unpraktisch im Transport sind, kann ein DJ mehrere tausend Tracks auf seinem PC mitnehmen und gleichzeitig andere neue Releases weiter auf Vinyl spielen. Auch eigene Tracks kann der DJ ohne größere Mehrkosten für teure Dubplates am Abend ausprobieren. Fehlende Wunschtitel könnten noch während des eigenen Sets aus dem Netz geladen werden und bei entsprechender Synchronisation wären auch DJ-Battles über das Internet und Final Scratch möglich.

Dazu kommt noch, dass seltene Platten nicht mehr mitgeschleppt werden müssen und so auch nicht abgenutzt werden. Dabei waren die bisherigen Erfahrungen von John Aquaviva und Richie Hawtin laut Jaap Verbeek sehr nützlich:

"Für uns war es wichtig, zwei erfahrene DJs zu Beginn der Entwicklung mit einzubeziehen. John und Richie haben uns immer über ihre Erfahrungen informiert und auch Änderungsvorschläge gemacht. Sie wollten zum Bespiel die Möglichkeit, mehrere Tracks auf einer Spur belegen zu können, damit schnellere Wechsel zwischen den Tracks möglich wären. Im letzten September hat John dann den letzten Prototypen mit auf die weltweite Plus-8-Tour mitgenommen und wie schon am Anfang vereinzelt ausprobiert. Nach einer Zeit hatte er sich aber so an die Arbeitsweise gewöhnt, dass er es nun auf jedem seiner Gigs einsetzt. Er hat dann auch angefangen, weniger Platten mitzunehmen und als einige Male sein Plattenkoffer nicht rechtzeitig ankam, ist er sogar nur mit dem Final-Scratch-System aufgetreten. Dabei hat sich die Software und die Scratch-Amp-Schnittstelle als sehr zuverlässig erwiesen und so lange der Computer nicht abstürzt, gibt es eigentlich auch kein Problem. Die speziellen Final-Scratch-Vinylplatten werden sicherlich nach einer gewissen Zeit auszuwechseln sein, aber sonst kann man mit einem ganz normalen DJ-Tonabnehmer arbeiten."

Seit Anfang April besteht auf der offiziellen Website von Final Scratch die Möglichkeit, via eines Newsletters über den weiteren Entwicklungsverlauf informiert zu werden. Mit sechs Quicktime-Movies erklärt John Aquivia auch noch mal den Aufbau und die Arbeitsweise des Systems. Neben der Musikmesse in Cannes war die erste öffentliche Vorstellung des Systems auf der diesjährigen Frankfurter Musikmesse. Da es noch kein Serienmodell gibt, steht aber auch noch kein endgültiger Preis fest. Wer jetzt Final Sratch selber einmal erleben will, kann dies bei den nächsten DJ-Sets von John Aquaviva tun: Er legt am 30.April im Berliner Club Casino und am 1. Mai im Treibhaus in Neuss auf.