Die fossilen US-"Tentakel": ExxonMobil will einen Krieg in Lateinamerika starten

Seite 2: Rex Tillersons Rache

Rex Tillerson sei wütend gewesen, so Angestellte, die damals bei ExxonMobil arbeiteten. Im Jahr 2017 veröffentlichte die Washington Post einen Artikel, der Tillersons Gefühlslage wiedergab: "Rex Tillerson verbrannte sich in Venezuela. Dann hat er sich gerächt."

ExxonMobil unterzeichnete 1999 einen Vertrag mit Guyana über die Erkundung von Ölvorkommen vor der Küste, begann aber erst im März 2015 mit der Erforschung der Küstenlinie – nachdem das ICSID ein negatives Urteil gefällt hatte.

ExxonMobil konnte über eine von den USA geführte Kampagne gegen Venezuela starken Druck aufbauen, um seine Projekte in dem umstrittenen Gebiet zu festigen und Venezuelas Anspruch auf die Essequibo-Region zu untergraben. Das war Tillersons Rache.

Der schlechte Deal von ExxonMobil für Guyana

Im Jahr 2015 gab ExxonMobil bekannt, dass es fast 90 Meter "hochwertige ölhaltige Vorräte in Sandsteinschichten" gefunden habe. Das ist einer der größten Ölfunde der letzten Jahre.

Der Öl-Gigant begann, mit der Regierung Guyanas regelmäßig Konsultationen abzuhalten, einschließlich der Zusage, alle Vorlaufkosten für die Ölexploration zu übernehmen. Als das Production Sharing Agreement zwischen der Regierung Guyanas und ExxonMobil durchsickerte, wurde deutlich, wie schlecht Guyana bei den Verhandlungen abgeschnitten hatte.

ExxonMobil erhielt 75 Prozent der Öleinnahmen zur Kostendeckung, der Rest wurde 50:50 mit Guyana geteilt. Im Gegenzug sollte der Ölkonzern von allen Steuern befreit.

In Artikel 32 ("Stabilität des Abkommens") wird erklärt, dass die Regierung ohne die Zustimmung von ExxonMobil "dieses Abkommen nicht ergänzen, modifizieren, aufheben, kündigen, für ungültig oder nicht durchsetzbar erklären, Neuverhandlungen verlangen, Ersatz oder Substitution erzwingen oder anderweitig versuchen darf, es zu umgehen, zu ändern oder einzuschränken".

Ein fatales Geschäft

Dieses Abkommen bindet alle künftigen Regierungen Guyanas an einen sehr schlechten Deal.

Noch schlimmer für Guyana ist, dass das Abkommen in Gewässern geschlossen wurde, über die man sich mit Venezuela seit dem 19. Jahrhundert streitet. Die Verlogenheit der Briten und später der Vereinigten Staaten schuf die Voraussetzungen für einen Grenzkonflikt in der Region, der allerdings vor der Entdeckung des Erdöls kaum Probleme verursachte.

In den 2000er-Jahren unterhielt Guyana enge nachbarschaftliche Beziehungen zur Regierung von Venezuela. Im Jahr 2009 kaufte Guyana im Rahmen des PetroCaribe-Programms günstiges Öl von Venezuela im Tausch gegen Reis, was für die Reisindustrie Guyanas ein Segen war.

Die Öl-für-Reis-Regelung endete im November 2015, unter anderem wegen der weltweit gesunkenen Ölpreise. Beobachtern sowohl in Georgetown als auch in Caracas war klar, dass das Programm unter den zunehmenden Spannungen zwischen den beiden Ländern wegen der umstrittenen Essequibo-Region litt.

Teile und herrsche

Das Referendum vom 3. Dezember in Venezuela und der Protest der nationalen "Circles of Unity" in Guyana deuten auf eine Verschärfung der Haltung beider Länder hin. Am Rande des Klimagipfels COP28 in Dubai traf sich Guyanas Präsident Irfaan Ali mit Kubas Präsident Miguel Díaz-Canel und dem Premierminister von St. Vincent und den Grenadinen, Ralph Gonsalves, um die Situation zu besprechen.

Ali forderte Díaz-Canel auf, Venezuela zur Aufrechterhaltung einer "Zone des Friedens" zu drängen.

Ein Krieg scheint nicht in Sicht zu sein. Die Vereinigten Staaten haben einen Teil ihrer Blockade der venezolanischen Ölindustrie aufgehoben und Chevron die Wiederaufnahme mehrerer Ölprojekte im Orinoco-Gürtel und im Maracaibo-See ermöglicht.

Washington hat keine Lust, den Konflikt mit Venezuela zu vertiefen. Aber ExxonMobil hat daran Interesse.

Weder das venezolanische noch das guyanische Volk wird von der politischen Intervention von ExxonMobil in der Region profitieren. Deshalb sahen so viele Venezolaner, die am 3. Dezember ihre Stimme abgaben, das weniger als einen Konflikt zwischen Venezuela und Guyana, sondern vielmehr als einen Konflikt zwischen ExxonMobil und den Menschen in diesen beiden südamerikanischen Ländern.

Der Artikel erscheint in Kooperation mit Globetrotter. Hier geht es zum englischen Original. Übersetzung: David Goeßmann.

Vijay Prashad ist Stipendiat und Chefkorrespondent bei Globetrotter. Er ist Herausgeber von LeftWord Books und Direktor von Tricontinental: Institute for Social Research. Er ist Senior Non-Resident Fellow am Chongyang Institute for Financial Studies der Renmin University of China. Er hat mehr als 20 Bücher geschrieben, darunter "The Darker Nations und The Poorer Nations". Seine jüngsten Bücher sind "Struggle Makes Us Human: Learning from Movements for Socialism" und (mit Noam Chomsky) "The Withdrawal: Iraq, Libya, Afghanistan, and the Fragility of U.S. Power".