Die große Migration der Millionäre
Viele Millionäre verlassen ihre Heimat, obwohl sie dort reich geworden sind. Wo kommen sie her, was sind ihre Motive und wo gehen sie hin? Und hat das Konsequenzen für Herkunfts- und Aufnahmeländer?
Kapitalflucht ist ein altbekanntes Problem der Weltwirtschaft. Weniger bekannt ist dagegen, dass auch viele Kapitaleigner, vulgo Millionäre, ihre Heimat verlassen, obwohl sie dort ihr Glück gemacht haben.
Der Henley Private Wealth Migration Report 2024 zeigt, dass in diesem Jahr voraussichtlich weltweit 128.000 Millionäre ihr Heimatland verlassen werden. Damit wird der bisherige Rekord aus dem letzten Jahr von 120.000 Reichen deutlich übertroffen.
Diese wachsende Migration von vermögenden Privatpersonen (high-net-worth individuals, HNWI) spiegelt einen Trend der breiteren Wohlstandsmigration, die durch geopolitische Spannungen, wirtschaftliche Unsicherheit und soziale Umwälzungen angetrieben wird.
128.000 Reiche auf der Suche nach grüneren Gefilden
Die auffällige Millionärsmigration hat weitreichende Folgen sowohl für die Länder, die sie verlassen, als auch für die, in die sie ziehen. Jedes Land sieht sich mit spezifischen Herausforderungen konfrontiert, die sich auf die Migrationsmuster der Millionäre auswirken.
Die zehn Länder, aus denen 2024 voraussichtlich die meisten Millionäre abwandern werden:
1. | China | -15.200 |
2. | UK | -9.500 |
3. | Indien | -4.300 |
4. | Südkorea | -1.200 |
5. | Russland | -1.000 |
6. | Brasilien | -800 |
7. | Südafrika | -600 |
8. | Taiwan | -400 |
9. | Nigeria | -300 |
10. | Vietnam | -300 |
Die Abwanderung von Millionären ist auf eine Kombination von mehreren Faktoren zurückzuführen, darunter die Suche nach einem besseren Lebensstil, einer sichereren Umgebung und dem Zugang zu erstklassigen Gesundheits- und Bildungsdiensten. Wirtschaftliche und politische Stabilität sind entscheidend dafür, um vermögende Einzelpersonen im Land zu halten.
Wirtschaftliche und politische Stabilität entscheiden
Davonziehende Reiche sind eine wichtige Quelle für Deviseneinnahmen, da sie verständlicherweise dazu neigen, ihr Geld mitzunehmen, wenn sie in ein Land ziehen. Außerdem sind etwa 20 Prozent von ihnen Unternehmer und Firmengründer, die im Zielland möglicherweise neue Unternehmen gründen und damit Arbeitsplätze schaffen. Der Prozentsatz der Unternehmer und ihnen steigt bei den Centi-Millionären und Milliardären auf über 60 Prozent.
Die zehn Länder, in die 2024 voraussichtlich die meisten Millionäre zuwandern werden:
1. | VAE | +6.700 |
2. | USA | +3.800 |
3. | Singapur | +3.500 |
4. | Kanada | +3.200 |
5. | Australien | +2.500 |
6. | Italien | +2.200 |
7. | Schweiz | +1.500 |
8. | Griechenland | +1.200 |
9. | Portugal | +800 |
10. | Japan | +400 |
Diese Länder verzeichnen teilweise beträchtliche Nettozuflüsse von vermögenden Personen und profitieren von den wirtschaftlichen Beiträgen und der Schaffung von Arbeitsplätzen, die reiche Einzelpersonen zusätzlich einbringen. Daher betreiben eine ganze Reihe von Ländern aktive Politiken, die Millionäre und Milliardäre anlocken sollen.
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Beispiellos ist in dieser Hinsicht sicher die Vermögenspolitik der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). In weniger als fünf Jahren hat das Scheichtum einen regulatorischen Rahmen geschaffen, der Vermögenden eine Reihe von maßgeschneiderten Lösungen bietet, um ihr Geld zu schützen, zu erhalten und zu mehren. Dazu gehört vor allem der Einkommenssteuersatz von null Prozent und die entsprechenden Visa Programme. Doch auch der im Land gebotene Luxus und die verkehrstechnisch günstige Lage sind attraktiv.
"Außergewöhnliche Beiträge zur Volkswirtschaft"
Auch andere Länder werben um die Reichen, darunter viele südeuropäische Staaten. So hat etwa Portugal Golden Residence Permit Program aufgelegt und Griechenland ein Golden Visa-Program.
Laut Berliner Zeitung hat Griechenland aufgrund dieses Programms allein 2023 etwa 2,5 Mrd. Euro Direktinvestitionen erhalten. In der Folge haben die immobilienpreise in Griechenland stark angezogen und die Regelung musste deutlich verschärft werden.
Spanien verfügt über ein Residence by Investment Program und Malta bietet ein spezielles Einbürgerungsverfahren mit ständiger EU-Staatsbürgerschaft für "außergewöhnliche Leistungen und Beiträge zur Volkswirtschaft".
Südeuropa und Steueroasen dick im Geschäft
Selbstverständlich bieten auch traditionelle Steueroasen, etwa in der Karibik, ähnliche Programme an. Da sind unter anderem die Citizenship by Investment Programme von Antigua und Barbuda und von Grenada, die die Reichen und ihre Familien locken sollen.
Dass ein Land wie Indien dieses Jahr voraussichtlich einen Nettoverlust von 4.300 Millionären hinnehmen muss, ist jedoch wohl kaum auf Faktoren wie geopolitische Spannungen und wirtschaftliche Unsicherheit zurückzuführen. Hier dürften vor allem Fragen der Lebensqualität und auch des Umweltschutzes im Vordergrund stehen.
"Indiens Position in der globalen Vermögensmigrationslandschaft unterstreicht die Notwendigkeit für eine Politik, die wirtschaftliche Stabilität und Wachstum begünstigt", schreibt die indische Economic Times, und spart damit die sozialen, politischen und ökologischen Ursachen für die Migration von Millionären aus.
Mahnendes Beispiel Großbritannien
Aber wenn schon die Armen keine Stimme haben, ist vielleicht wenigstens der Rückzug der Reichen ein Menetekel für die betroffenen Länder, damit deren Politiker die eingeschlagenen Entwicklungspfade überdenken. Großbritannien ist das mahnende Beispiel.
Die Abwanderung von voraussichtlich mehr als doppelt so vielen Millionären von der Insel wie aus ganz Indien muss als Alarmzeichen gelten und ist wohl vornehmlich dem Verfall der öffentlichen Institutionen im Vereinigten Königreich geschuldet.
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